Kurzgeschichte
Ihr wahres Gesicht

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"Frauen sind keinen hilflosen und schwachen Geschöpfe"
Veröffentlicht am 14. Januar 2014, 8 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
© Umschlag Bildmaterial: Elena Okhremenko - Fotolia.com
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Frauen sind keinen hilflosen und schwachen Geschöpfe

Ihr wahres Gesicht

Titel

Das Maß war voll gewesen. Er konnte nicht mehr tatenlos zuhören. Wutendbrand zog er sich aus. Mitten in der Verhandlung. Stellte sich vor den Richter und zeigte ihm seine ganzen Narben, die ihm seine Freundin im Laufe der Jahre zugefügt hatte. Jene Freundin, die ihn wegen körperlicher Gewalt angezeigt hatte. Nur weil er einmal zurückgehauen hatte. In all den Jahren, die er nun schon mit ihr zusammen war, kam es immer häufiger vor, das sie austickte und ihn einfach schlug. Sie war psychisch gestört, das wusste er. Auch, da sie dringend

professionelle Hilfe benötigte. Aber niemand glaubte ihm. Keiner wollte seine Version der Geschichte hören. Weil er ein Mann war. Und als Mann darf man keine Frau schlagen. Auch wenn sie einem körperlich überlegen waren. Dabei hatte alles so harmonisch angefangen. Sie lernten sich in einem kleinen, gemütlichen Café kennen. Ganz spontan war sie auf ihn zugekommen und hatte ihn angesprochen. Er erinnerte sich gern daran. Denn damals war sie so ein liebes Mädchen gewesen. Ihre Augen hatten gestrahlt. Heute blickten sie ihn eiskalt an. Ließen das Blut in seinen Adern

gefrieren. „...hier können sie ihr Gebissabdruck sehen. Drei Tage alt. Wenn sie mir nicht glauben wollen, lassen sie es nachprüfen. An der Stelle können sie einen langen Kratzer sehen. Ich war nirgends hängen geblieben, oder ähnliches. Vielleicht finden sie ja noch DNS-spuren von ihren Fingernägeln. Zwei Zähne fehlen mir. Sie sind nicht, wie ich, um sie in Schutz zu nehmen, behauptet habe, einfach so ausgefallen, weil ich mir zu wenig die Zähne putze. An der Wange können sie noch eine verblasste Narbe sehen, wenn sie ganz genau hinschauen. Meine sogenannten Freunde haben mich oft genug mit

aufgeplatzten, blutigen Lippen gesehen. Sie wissen ganz genau, von wem ich sie immer hatte. Deswegen verstehe ich nicht, warum sie alle gegen mich aussagen. Im Universitätsklinikum lag ich mehrfach. Ihretwegen. Sehen sie sich doch mal ganz genau an, wie mein Glied aussieht. Es musste genäht werden. Genau an dieser Stelle hatte ich ein Messer stecken. Es war nicht tief eingedrungen. Aber es reichte, um ins Krankenhaus zu müssen. Wissen sie, warum ich meine Freundin nie angezeigt habe? Weil mir keiner glaubt, das sie gewalttätig ist. Niemand anderem, außer mir, zeigt sie ihr zweites

Gesicht. Und warum ich nicht schon längst abgehauen bin, ist ja wohl klar. Aus Angst. Sehen sie sich die ganzen Narben, Schrammen und blauen Flecke an. Vergleichen sie es mit ihrem makellosen Körper. - Bis auf das eine blaue Auge, das ich ihr zugefügt hatte.“ „Du verlogener Schweinehund. Das ist alles gar nicht wahr. Du lügst, das sich die Balken biegen.“, schrie sie. „Achja? Dann sag mir, woher ich all die Wunden habe? Dieser Abdruck stammt eindeutig von dir. Es sind deine Zähne. Wenn ich lüge, dürfte dein Gebiss nicht mit dem Abdruck auf meinem Körper übereinstimmen. Bist du zu einem

Vergleich bereit?“ Sie sprang auf und stürzte sich auf ihn. Schlug auf ihn ein. Trat auf ihn ein. Biss und kratzte ihn. Die Sicherheitsbeamten reagierten spät. Denn sie wussten in dem Moment nicht, ob sie eingreifen, oder abwarten sollten. Als der Angeklagte sich ausgezogen und sich vor dem Richter gestellt hatte, wurden sie zurückgewiesen. Nun warteten sie auf ein Zeichen. Doch es kam keins. Da stürmte einer von ihnen nach vorn und griff sie die Angreiferin. Sie hatte enorm viel Kraft, in ihren dünnen Armen. Er hatte Mühe, ihre Finger vom Hals zu lösen. Ihre Nägel hatten sich tief hineingebohrt.

Blutstropfen liefen an seinem Hals herab. Doch er lächelte und wehrte sich nicht. Ließ es einfach geschehen. Denn endlich, nach so vielen Jahren, zeigte sie vor allen anderen, ihr wahres Gesicht. Ihm war es egal, ob er dies überleben würde, oder nicht. Er hatte erreicht, was er wollte. Nie wieder Rollkragen im Sommer, um die Wunden zu verbergen. Das sich darüber nie jemand gewundert hatte!?

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