-00- Einleitung Hallo und Herzlich Willkommen, hochverehrtes Individuum! Bitte stellen Sie sich folgendes Szenario vor: Eine ruhige Kleinstadt am späten Abend, die im historischen Stil gehaltenen Straßenlaternen brennen bereits und verbreiten in des Straßen eine heimelige Atmosphäre. Kein Unruhestifter weit und breit, nur friedliche Bürger bei der Erfüllung ihrer letzten Amtstätigkeit des Tages. Architektur und Aufbau des Ortes an welchem wir und befinden verbinden den Stil einer venezianischen Hafen mit
eingestreuter Moderne. An einem kleinen Dock befindet sich eine hübsche, kleine Sitzbank, beleuchtet von einer angrenzenden Straßenlaterne und mit wunderbarem Ausblick auf das große Wasser. Und nun stellen Sie sich bitte weiter vor, auf dieser Bank säße eine recht große junge Frau, gekleidet in eine elegante schwarze Jacke, eine farblich passende Jeans und kniehohe Stiefel. Eben diese Frau wirft ihnen nun einen freundlichen Blick zu, steht auf und verbeugt sich höflich vor ihnen. Nun, bei dieser bescheidenen Erscheinung in ihrer Vorstellung handelt es sich wahrscheinlich um meine Wenigkeit.
Gestatten? Mein Name ist Skythett, meines Zeichens Geschichtenerzählerin und Reisebegleiterin. Wie? Sie haben keinen Reisebegleiter bestellt? Das ist auch gar nicht notwendig, hierzulande nennt man das grundlegenden Service, verehrtes Individuum. Zur Erklärung: Ich würde Ihnen ungemein gern eine Geschichte erzählen, zum Beispiel die der jungen Vittoria Falcone und ihres Butlers, bei einer herkömmlichen Erzählweise würde sich allerdings schnell ein Problem auftreten. Ich habe schon oft zu hören bekommen dass meinen Erzählungen der rote Faden fehle, man teilweise nicht wisse warum
man sich wann wozu wo befinde. Und eben um diesem Phänomen vorzubeugen habe ich es mir zur Aufgabe gemacht während der Geschichte stets mit einem leitenden Garnknäuel neben Ihnen her zu laufen und Sie so stets mit Informationen über Land und Leute auf dem Laufenden halten zu können. Nun denn, an dieser Stelle möchte ich mir erlauben mit meiner kleinen Erzählung zu anzufangen. Sie beginnt an einem sonnigen Nachmittag in einem Cafe in Si' Awy, eben jener Stadt die ich Sie zuvor bat sich vorzustellen.
-01- Es schwant nichts Gutes Das Cafe „Stella Rin“ war gut besucht und das Personal hatte alle Hände voll zu tun. An einem der Tische saß ich und rührte in eine Tasse heißer Schokolade als ich eine Hand hob um eine nahe stehende Kellnerin heranzuwinken. „Entschuldigung? Ich würde gern zahlen.“ Eine junge Frau langem, leuchtend braunen Haar wandte sich um und kam dann freundlich lächeln auf mich zu. „Natürlich!“ An meinem Tisch angekommen blätterte sie kurz in ihrem kleinen Notizblock. „ Zwei
Schokoladen-Croissants, eine mittlere heiße Schokolade und eine Ausgabe des Si' Awy-Journals, nicht wahr? Das sind genau zehn Uro, bitte.“ Ich reichte ihr einen 20-Uro-Schein. „Stimmt so.“ „Vielen Dank! War also alles zu ihrer Zufriedenheit?“ „Ich bin sogar rund um zufrieden, Miss Vittoria.“ Sie schaute mich verwundert an. „Kennen... wir uns?“ „Ich kenne sie, aber keine Sorge. Sagen wir einfach, ich bin wie eine entfernte Tante oder sowas.“ Ich kicherte als sie sich unsicher umschaute. „Weitermachen.“ „Ah, jawohl.“ Im selben Moment in welchem sie sich wieder verbeugte knallte unweit ihres Kopfes ein Glas gegen die Fassade
des Cafes wo es klirrend zerbarst. Vittoria wirbelte herum und sah zu einem Gast herüber der seinen Arm noch gehoben hatte als hätte er soeben etwas geworfen. Das muntere Geplänkel auf der Terrasse war abrupt verstummt und alle Blicke waren auf das Geschehen gerichtet. „Verzeihung.“ sagte Vittoria, wobei sie einen ruhigen, freundlichen Ton anschlug als wäre nichts passiert. „Sind sie mit irgendetwas nicht einverstanden, mein Herr?“ „Ob ich mit etwas nicht einverstanden bin?“ Der Mann machte sich nicht mal die Mühe sie anzusehen während er sprach. „Ich warte jetzt schon geschlagene zehn Minuten auf
einen einfachen Kaffee, was ist das hier eigentlich für ein Laden? Und sie da“ er deutete auf mich und fuchtelte dann wild herum, als wolle er eine besonders lästige Fliege verscheuchen „sie sind ja ach so zufrieden dass sie der Bedienung nen Haufen Trinkgeld vor die Füße werfen. Werde hier also nur ich ignoriert?“ Vittoria ging einen Schritt auf den wütenden Gast zu und schien dabei die Ruhe selbst zu sein. „Ich bin untröstlich dass sie warten müssen und bitte diesen Missstand zu entschuldigen. Allerdings haben wir, wie sie sicher sehen, ein volles Haus weswegen das Personal schon ziemlich eingespannt ist. Ich bitte sie, sich zu beruhigen, sie
bekommen ihre Bestellung.“ Wie auf Stichwort stürzte ein junges Mädchen mit Schürze aus dem Lokal, in den Händen trug sie ein kleines, silbernes Tablett, auf welchem sich auf einem kleinen Teller eine Tasse heißen Kaffees befand. Das Mädchen stellte den Kaffee etwas zu schwungvoll vor dem Gast ab, so dass er beinahe aus der Tasse geschwappt wäre. Nervös rückte sie ihre Brille zurecht. „E-e-e-ein K-kaffee der Herr.“ Wie im Stolpern drehte sich um und wollte zurück in die Küche gehen. „HEY DU!“ brüllte der Mann so übertrieben laut dass das Mädchen kreischend zusammenzuckte und ihr nun leeres Tablett fallen ließ.
Indem ich meinen Arm weit ausstreckte schaffte ich es das Tablett aufzufangen, während Vittoria mit einer schnellen Reaktion ihre Kollegin vor einem Sturz bewahrte. Sie half dem Mädchen sich wieder aufzurichten. „Und auf diese Brühe hast du mich so lange warten lassen?“ „A-a-a-a-aber...“ stammelte das Mädchen. „Es... es tut mir sehr leid, aber unsere Maschine war kaputt und da mussten wir-“ Sie stockte als sie sah wie der Mann seine Tasse ergriff und in ihre Richtung schleuderte. Geistesgegenwärtig riss sie die Arme hoch um sich zu schützen, doch das Wurfgeschoss erreichte sie gar nicht. Als sie langsam ihre Arme sinken ließ
sah sie vor sich Vittoria, die einen Arm zur Seite ausgestreckt hatte. Nun war ihr Blick nicht mehr freundlich und ihre Stimme klang streng. „Egal wie lange sie warten musste, dieses Mädchen hat es nicht verdient so behandelt zu werden, und ebenso wenig unser Geschirr. Ich muss sie bitten ihre Rechnung zu begleichen und das Kaffee umgehend zu verlassen, andernfalls müssen wir ungemütlich werden.“ Der Mann stand auf und kam auf die beiden Kellnerinnen zu. „Quatsch mich nicht so gediegen voll, du dumme Göre, ich bin eh schon ziemlich gereizt.“ Er hob eine Hand um Vittoria eine Ohrfeige zu verpassen. „Was zum?“ Er schaute
ungläubig auf sein Handgelenk, und auch einige der Umstehenden konnten ein Geräusch des Erstaunens nicht unterdrücken. Vittorias rechte Hand hatte den erhobenen Arm des Mannes fest im Griff. Nun versuchte er sich zu befreien, doch die gewandte Kellnerin ergriff auch seinen zweiten Arm und mit einer Ausladenden Bewegung drehte sie ihren Opponenten herum, so dass dieser nun die Arme hinter dem Rücken verschränkt hatte. Das junge Mädchen schaute mit großen Augen ihre Retterin an. „Bitte entschuldigen sie.“ Vittoria klemmte seine Arme ein und griff dann in
seine Hosentasche und zog einen 10-Uro-Schein heraus. „Ich erlaube mir dieses Entgelt für den Kaffee, das zerstörte Geschirr, meine schmutzige Uniform und den hier entstandenen Tumult zu erheben. „LASS MICH GEFÄLLIGST LOS, DU TEUFELSBALG!“ Sie lächelte nun wieder ruhig und gefasst. „Wie sie wünschen.“Keiner der Anwesenden konnte später sagen wie es geschah, doch nachdem der Mann unter einem lauten Ausruf des massiven Unbehagens „Gottverfluchter Scheißdreck!“ zu Boden gegangen war rappelte er sich auf und rannte ohne ein weiteres Wort davon. „Verehrte Gäste, entschuldigen sie diesen
kleinen Zwischenfall. Bitte genießen sie ihren restlichen Imbiss in aller Ruhe, es gibt keinen Grund zur Eile.“ Nun wandte sich Vittoria wieder ihrer Kollegin zu, die wohlgemerkt mehr denn zwei Köpfe kleiner war als sie selbst. „Fabienn?“ Das Mädchen schaute schüchtern zu ihr auf. „Ist bei dir alles in Ordnung?“ „Ähm.“ quiekte sie, dann atmete sie einmal tief durch und faltete ihre zittrigen Hände. „Mhm, ja. A-a-alles in Ordnung. D-D-danke dir.“ „mit solchen Gästen hätte ich an deiner Stelle auch Angst vor den Leuten.“ Vittoria schenkte ihr ein aufmunterndes Lächeln. „Der Mann hatte einen schlechten Tag, es gibt keinen Grund dass du dir diese
Sache zu sehr zu Herzen nimmst. So.“ Sie ging ein wenig in die Knie um Fabienn besser in die Augen schauen zu können. „Jetzt könntest du mir einen großen Gefallen tun indem du dich um all die Scherben kümmerst, ja? Ich gehe mich in der Zwischenzeit umziehen.“ „Z-zu Befehl.“ Fabienn salutierte und huschte dann hektisch davon, um Kehrschaufel und Besen zu holen. Vittoria seufzte einmal tief bevor sie sich in den Personalraum begab um sich eine neue Bluse anzuziehen, da das alte nun ein großer, brauner Kaffeefleck zierte. „Ich frage mich warum es manchen Menschen so schwer fällt nicht bei jeder
Kleinigkeit in Rage zu geraten.“ Mit einem tiefen Seufzer griff sie an den Saum ihrer Bluse als sie es hinter der Tür laut knallen hörte, so als wäre etwas schweres zu Boden gefallen. Dann Schritte, dann klopfte es an der Tür. Vittoria antwortete nicht. Jeder der befugt war diesen Raum zu betreten hatte auch einen Schlüssel und konnte die Tür selbstständig öffnen, wer würde also auf ein „Herein.“ warten? Es klopfte erneut. „Wenn sie Hilfe brauchen, wenden sie sich bitte an die Leute im Lokal, dies hier ist der Personalraum.“ „Die Leute im Lokal entsprechen aber allesamt nicht der in meinem Auftrag definierten Zielperson.“
Vittoria schaute zur Tür. Diese Stimme war unverkennbar. „Consulente? Sind sie das?“ Sie öffnete die Tür und sah ihren Verdacht bestätigt. Vor ihr stand ein hoch gewachsener, blasser Mann in einer violetten Kluft von dem man meinen könnte, er sei soeben einer Geisterbahn entstiegen. Er lächelte bis über beide Ohren und machte einen Bückling, wobei sein hoher Hut erstaunlicher Weise nicht von seinem Kopf fiel. „Ah, Miss Vittoria, ganz und gar bei der Arbeit, wie ich sehe.“ „Ich muss mir nur eine saubere Uniform anziehen, meine Arbeitszeit ist noch lange nicht am Ende.“ „Sie können sich gleich in
ihre Zivilkleidung werfen, meine teure, ihr Arbeitstag wurde heute überraschend verkürzt.“ „Ganz egal was sie schon wieder für einen wahnwitzigen Gedanken verfolgen, Consulente, ich glaube nicht dass mein Arbeitgeber nur wegen ihnen eine-“ „Ihr Arbeitgeber ist bereits unterrichtet und wünscht einen angenehmen Urlaub.“ „Wie bitte?“ Vittoria blieb für einen Moment die Luft weg. Urlaub? Was sollte das heißen? Belustigt bemerkte der weißhaarige Mann ihren misstrauischen Gesichtsausdruck. „Was führen sie jetzt schon wieder im Schilde? Ich wurde doch nicht etwa gekündigt, oder?“ „Ach, sie denken mal
wieder viel zu negativ. Warum glauben sie fast jedes mal wenn ich auftauche dass ein Unglück geschieht?“ „Das war eine rhetorische Frage, nicht wahr?“ „Nun, wie dem auch sei. Raphael schickt mich um sie abzuholen, er meinte die Sache sei von außerordentlicher Wichtigkeit.“ Vittoria schwante nichts Gutes. Wenn etwas so wichtig war dass Raphael sie zu ihrer Arbeitszeit damit behelligte, dann, da war sie sich sicher, wollte sie besser gar nicht erst wissen worum es ging. „Aha! Nun, verehrter Consulente, hat er denn auch erwähnt was genau den von solch außerordentlicher Wichtigkeit wäre?“
Entgegen dessen was man der Anatomie des menschlichen Gesichts zutrauen würde wurde sein Lächeln noch eine Spur breiter. „Sie wissen also noch nichts davon?“ Er neigte sich etwas zu ihrem Ohr herunter und flüsterte: „Er meint es gäbe seit kurzem wieder einmal Nachricht aus Ovihr.“ Das Herz der jungen Frau machte einen Satz und ein mulmiges Gefühl breitete sich in ihrem Magen aus. „Von meinen Eltern?“ Kurze Zeit später saß Vittoria auf der Rückbank von Consulentes Auto. Sie waren auf dem Weg nach Haus und abgesehen davon dass Vittoria wiedereinmal fragte wie er es geschafft
hatte für dieses antiquierte Gerät eine Fahrerlaubnis zu bekommen sprachen sie kein Wort. Gelegentlich seufzte Vittoria und manchmal schaute Consulente mit einem schwer zu deutenden Gesichtsausdruck in den Rückspiegel. Seinen Gesichtsausdruck zu interpretieren erwies sich allerdings des öfteren als kompliziertes Unterfangen was nicht zuletzt dem geschuldet war dass seine Augen nahezu immer verdeckt waren, ob nun durch sein ungewöhnlich langes Haar oder durch seinen übertrieben großen Hut. Als der Wagen vor Vittorias Haus anfuhr wurden die beiden bereits erwartet. Kaum dass Consulente ihr aus dem
Wagen geholfen hatte wandte sie ihren Blick zu dem jungen Mann in Frack der gerade eine silberne Taschenuhr in seiner Brusttasche verschwinden ließ. Als die beiden Neuankömmlinge direkt vor ihm standen machte er eine formvollendete, tiefe Verbeugung, welche beste Manieren und ehrliche Untergebenheit ausdrückten. „Ich habe euch bereits erwartet. Willkommen zurück, junge Herrin.“
-02- Die Einladung Vittoria Falcone war vor einigen Jahren in Begleitung des jungen Raphael Innocenti mit etwas Gepäck und Geld aus, wie es offiziell hieß, aus beruflichen Gründen nach Si' Awy gekommen. Kaum jemand wusste etwas über das langhaarige Mädchen und ihren eleganten Gefährten, und jene die etwas wussten hüllten sich gekonnt in schweigen. Sie mussten wohl aus gutem Hause sein, denn sonst hätten sie wohl kaum noch am Tag nach ihrer Anreise ein gesamtes Haus erwerben und seither für sich beanspruchen können. Was dem
jedoch zu widersprechen schien war die Tatsache dass die junge Dame bald eine Stelle als Kellnerin und Hauptverantwortliche des Fundbüros im Cafe „Stella Rin“ bekam, bei welcher sie jedoch stets durch ungewöhnlich feine Umgangsformen auffiel. Der junge Mann hingegen schien nirgends eine Anstellung zu haben, verließ nur in regelmäßigen Abständen das Haus um diverse Besorgungen zu machen. Auch er fiel durch seine tadellose Kleidung und dem dazu passenden Benehmen auf. Einige Zeit spekulierten die Leute in der Stadt, doch schnell wurde klar dass alles Mutmaßen ein solches bleiben würde und man beschäftigte sich nicht
weiter mit der Herkunft dieser zwei sonderbaren Menschen. Sie lebten einige Zeit gänzlich unerkannt in der Stadt bis ein seltsam gekleideter Mann eines verregneten Nachmittages vor ihrer Tür stand der sich nur als Consulente vorstellte und ihnen mitteilte dass er wisse, wer sie waren. Bei der jungen Dame handelte es sich um niemand geringeren als Miss Vittoria Sara Lucia di Ovihr, die einzige Tochter des Hochgrafen von Ovihr, einem, wie sein Titel erahnen lässt, hochrangigen Adligen des weit entfernten Landes Ovihr, welches politisch bedeutsame Bande mit diversen Großmächten hegten. Und ihr Begleiter war ihr bester
Freund und Butler Raphael Innocenti, welcher schon im Kindesalter im Kreise der Ovihrs verkehrte. Vittorias Eltern hatten sie und ihren Diener einige Zeit nach einem tragischen Unglück aus dem Land vertrieben und über einige Kontakte gelangten sie schließlich in die unabhängige Hafenstadt Si' Awy um dort ein neues Leben anzufangen. Seither führte man die junge Frau unter dem Namen Vittoria Falcone, benannt nach ihrem Onkel mütterlicher Seits, Gregor Falcone. Consulente hatte Vittoria damals Verschwiegenheit und seine Dienste im Tausch für eine Unterkunft in ihrem Hause angeboten, und seither bildeten die
drei eins der vielen Mysterien von Si' Awy. Vittorias Hände zitterten als sie nach der Teetasse griff, in welche Raphael ihr gerade zum dutzendsten mal eingeschenkt hatte. Sie war noch immer wie vom Donner gerührt und starrte unverwandt auf das ausgerollte Pergament vor ihr auf dem Tisch. Raphael sah sie besorgt an während er am Teewagen die Stellung hielt und Consulente war in einer für ihn typischen, nachdenklichen Pose auf einem roten Sessel in sich zusammengesunken. Immer und immer wieder las Vittoria
sich in Gedanken den Brief vor, der ihr doch zumindest für den Moment den Tag verdorben hatte. An die verehrte Miss Vittoria Falcone, geborene Ovihr, Wir wissen nicht ob Sie bereits davon unterrichtet wurden dass ihr einstiges Heimatlang kurz vor einem Krieg steht. Vor einigen Tagen erhielten wir eine Botschaft aus Vjoda, einem bis zu diesem Moment als friedlich und ungefährlich eingestuften Staat, und wurden mit massiver Kritik an unserer Politik und an unserer Kultur konfrontiert. Sollte es innerhalb des
laufenden Jahres zu keiner Übereinkunft zwischen den Staaten kommen, so die Botschaft aus Vjoda, wird es innerhalb kürzester Zeit zu Auseinandersetzungen kommen, bei welchen eine Gewaltfreiheit nahezu ausgeschlossen ist. Um eben dies zu verhindern wurde eine Ratsintervention der Stufe III einberufen. Allerdings ist aufgrund geschichtlich belegter Gesetze die gleichberechtigte Teilnahme unseres Landes nur dann möglich wenn ein Nachkomme der amtierenden Hochgrafen der Unterredung beiwohnt. Da ihr die einzige Erbin des Namens Ovihr seid seid ihr hiermit angehalten
euch bis zum siebten Tage des Monats Miaw in der Hauptstadt Teame einzufinden, wo euch der weitere Verlauf der Ereignisse dargelegt werden wird. Hochachtungsvoll, Schriftführer Amage im Auftrag des Hochgrafen Riccardo Ovihr „Die wollen mich doch auf den Arm nehmen. Erst lassen sie fünf Jahre lang nichts von sich hören, und dann soll ich auf einmal zu Besuch kommen und die Welt retten, ja?“ „Ich weiß nicht warum euch das so überrascht.“ sagte Consulente mit einer tiefen und ernsten
Stimme. „Ihr habt eure Familie unfreiwillig bis aufs Blut beleidigt, aber um den sprichwörtlichen Karren aus dem Dreck zu ziehen seid ihr gerade gut genug, was aber noch lange nicht heißt dass man euch in eurer Heimat willkommen heißen würden.“ „Selbst wenn sie dem Tod nur durch mein Kommen entgehen würden müsste ich gezückte Speere und Fackeln bei meiner Rückkehr erwarten.“ Wortlos leerte Raphael die nun zweite Kanne seit der Öffnung des Briefes in Vittorias Tasse und sie leerte wiederum die Tasse in einem Zug. „Nach allem was sie mir angetan haben... soetwas!?“ Ihre Stimme
erhebend wischte Vittoria aufgebracht den Brief von Tisch und versteckte dann das Gesicht in ihren Händen. „Ja, natürlich!“ schnaubte sie abfällig. „Ich bin ja die Böse in dieser Geschichte. Ich bin ja die Verräterin, die Mörderin, wie kann ich diesen potentiellen Akt der Versöhnung nur nicht erkennen?“ „Herrin.“ „Sei still, Raphael! Es ist doch wahr.“ Sie spreizte ihre Finger ein wenig um durch den so entstandenen Spalt auf den am Boden liegenden Brief zu spähen. „Was soll ich tun?“ „Wenn ihr meine bescheidene Meinung hören wollt“ mit einer ruckartigen Bewegung sprang Consulente von seinem Stuhl auf und
landete mit beiden Händen auf dem Tisch genau vor Vittoria, die erschrak, dabei blieb seine Stimme gänzlich ruhig „ergreift diese Chance, Mylady, solange sie noch besteht! Nutzt dies als eine Gelegenheit ein für alle mal mit den Geistern der Vergangenheit aufzuräumen, Miss Vittoria, oder ihr werdet es ewig bereuen.“ Vittoria seufzte tief und wandte sich dann, den Blick wieder zu Boden gerichtet, ihrem Diener zu. „Und was meinst du zu dieser Angelegenheit, Raphael?“ „Nun, wenn ihr die Bemerkung gestattet, im Großen und Ganzen kann ich Herrn Consulente nur zustimmen.“ Consulente gab ein
belustigtes Glucksen von sich. „Aber natürlich kannst du mir nur zustimmen, Raphael, mein Lieber. Wie könntest du auch nicht? Überlegt doch nur was für ein Abenteuer uns da entgehen würde!“ Vittoria gab einen erschreckten laut von sich als Consulente plötzlich an ihrer Seite stand, sie an den Schultern packte und mit sanfter Gewalt schüttelte. „Ihr könnt endlich wieder Reisen, fremde Städte und Länder sehen, neue interessante Leute kennenlernen! Und denkt nur an die Genugtuung am Ende eurer Odyssee wenn ihr dann die einzige Hoffnung des Landes seid welches euch in jenen Tagen so sang und klanglos vertrieb.“ „Das klingt ja alles sehr
verlockend, aber könntet ihr wohl aufhören ein Erdbeben der Stufe fünf zu simulieren?“ „Oh!“ Kichernd ließ er von Vittoria ab. „Bitte verzeiht, Mylady, ich habe mich mitreisen lassen.“ „Mhm, wie dem auch sei.“ Raphael räusperte sich. „Gehe ich dann Recht in der Annahme dass die Reise nach Ovihr beschlossene Sache ist? Denn wenn dies der Fall ist würde ich unverzüglich mit den ersten Reisevorbereitungen beginnen wollen.“ Vittoria schwieg einen Moment lang. „Ja.“ sagte sie schließlich und wirkte dabei fast schon apatisch. „Ja, ich... nehme an ich habe keine andere Wahl.“ „Hervorragend!“ Mit einer schwungvollen Handbewegung zog
Consulente eine Karte aus einer seiner unzähligen Manteltaschen und breitete sie auf dem Tisch aus. „Also, wollen wir doch mal sehen. Wenn Si' Awy hier ist...“ er deutete auf die Stelle der Karte in welcher die Stadt verzeichnet war „...dann ist die Hauptstadt Ovihrs ungefähr...“ er wanderte mit seinem knochigen Zeigefinger über den rechten oberen Rand der Karte hinaus und ein Stück über die Tischplatte „...hier.“ und hielt an einem kleinen Kaffeefleck weit jenseits der Karte an. Vittoria schaute auf. „Das soll ja wohl ein schlechter Witz sein.“ „Seid versichert, meine Teure, ich habe schon schlechtere
gehört.“ „Nein, wirklich, ich meine bis wir in Ovihr angekommen sind dauert es eine halbe Ewigkeit und in der anderen Hälfte müssten wir wieder zurück.“ „Da werdet ihr wohl nicht drum herum kommen. Außerdem seid ihr wohl mehr als einmal gezwungen euren Weg zu Wasser zu bestreiten.“ „Aber sicher, ich hab ja auch sonst keine Beschäftigung.“ Sie stand auf und ging zum großen Fenster an der Südseite des Raumes. „Diese Reise wird Tage dauern, was wird in der Zwischenzeit mit dem Cafe? Was ist mit dem Haus? Was wird diese Reise abgesehen von einem Haufen Geld alles kosten?“ Raphael näherte sich ihr von hinten, hielt dabei jedoch respektvoll
Abstand. „Mit Verlaub, Herrin, aber die Art und Weise wie ihr plötzlich alles schwarz seht steht euch gar nicht gut zu Gesicht.“ „Pfft.“ antwortete sie nur. Raphael fuhr fort. „Es sieht euch gar nicht ähnlich einem potenziellen Abenteuer so verdrießlich gegenüber zu stehen. Ich kann nur wiederholen dass ich Consulentes Argumentation voll und ganz zustimme. Zeigt euren Eltern, eurem Volk aus welchem Holz ihr geschnitzt seid, schon immer geschnitzt ward.“ „Mein Volk...“ Vittoria wandte sich nun wieder den anderen beiden im Raum zu. „Herrin, wenn ihr je einen meiner
Vorschläge beherzigen wollt, so bitte ich euch, beherzigt diesen.“ Während er sprach legte Raphael die flache rechte Hand auf seine Brust um zu verdeutlichen, wie wichtig ihm die Sache war. Der Zwist zwischen Vittoria und ihren Eltern ging ihn nicht nur beruflich sondern auch höchst persönlich etwas an, in gewisser Weise fühlte er sich sogar dafür verantwortlich. Seit jeher war sein größtes Anliegen nebst dem allgemeinen Wohl seiner Herrin dass sie und ihre Eltern sich wieder vertrugen, und er hatte sich geschworen jede Chance zu ergreifen welche diese Aussicht
bot. Vittoria senkte den Kopf und legte eine Hand an ihr Kinn. Gedanklich wägte sie das Für und Wider einer solchen Unternehmung ab. „Hm.“ Sie verschränkte ihre Arme und legte den Kopf zu Seite. „Nun... wenn die Sache so ist...“ Raphael zuckte zusammen als Vittorias rechter, in einen eleganten braunen Stiefel gekleideter Fuß plötzlich auf dem reich verzierten Holztisch stand. Mit einem mal strotzten ihre Mine und ihre Stimme nur so vor Tatendrang und Entschlossenheit „...dann schlage ich vor dass wir alles nötige in die Wege leiten, in zwei Tagen ist Abreise, meine Herren.“ Zunächst noch etwas verwirrt
hellte Raphaels Mine sich schnell wieder auf. „Nun, das freut mich sehr zu hören. Allerdings stellt sich mir die Frage wie es zu dem plötzlichen Sinneswandel kommt?“ „Um ehrlich zu sein suche ich schon lange einen Vorwand um wieder nach Mjova zu kommen, wo unser weg uns zwangsläufig vorbeiführen wird.“ Sie legte ein fast schon schelmisches Grinsen auf und machte mit ihrer rechten Hand eine Geste, bei der sie nur Zeige- und Mittelfinger ausstreckte und beide etwas voneinander abspreizte. „Ich will doch die neueste Spielekonsole auf dem Markt nicht verpassen.“ Raphael entglitten für einen Moment
seine Gesichtszüge. „Ist das wirklich euer einziger Grund?“ fragte er mit einem leicht entnervten Unterton in der Stimme. Und so begab es sich also dass an jenem Nachmittag in Si' Awy eine Reise beschlossen wurde von deren Folgen keiner der hier Anwesenden auch nur zu träumen gewagt hätte.
-03- Unterstützung Am nächsten Morgen war Raphael wie fast immer vor nahezu jedem anderen Menschen in der Stadt auf den Beinen um alles für den bevorstehenden Tag vorzubereiten, was nicht zuletzt auch das Kredenzen eines nicht zu verachtenden Frühstücks beinhaltete, womit er soeben fertig geworden war und sich nun zum Zimmer seiner Herrin begab. Im Vergleich zu den meisten adeligen Haushalten in der Umgebung führten Vittoria und ihre Bediensteten ein recht lockeres Verhältnis und sie selbst hatte
Raphael schon des öfteren gesagt dass er sich nicht immer so tief bücken sollte, was in einigen Fällen sogar wörtlich zu nehmen war. Trotz der freundschaftlichen Bande zwischen ihnen sah Raphael sich in erster Linie stets als treu ergebenen Butler der seiner Herrin stets bedingungslos zur Seite stehen würde. Des weiteren hatte er es sich zu Aufgabe gemacht trotz des Lebens in inkognito stets die Gepflogenheiten zu wahren welche man in einem so hoch wohl geborenen Haushalt erwarten würde. Doch sehr zu seinem Leidwesen legte ihm seine Herrin immer wieder diverse Steine in den Weg. So hatte sie ihm zum Beispiel
verboten ihr privates Zimmer in Ordnung zu halten wodurch es im ganzen Haus nicht zu übersehen war. Raphael klopfte an ihre Tür und betrat dann langsam den Raum. Da die schweren, roten Vorhänge ebenso wie die Fensterläden geschlossen waren hielt sich die Beleuchtung in diesem Raum teils ungewisser Art doch sehr in Grenzen. Blind wagte Raphael bis zu der Stelle des Raumes an welcher sich das größte Fenster befand. Als er die Läden öffnete wurde der Raum von mildem Sonnenschein durchflutet. „Guten Morgen, Herrin.“ Als er sich Vittorias Bett zu wandte kam er nicht darum herum auch den Rest
ihres Zimmers zu sehen und ein stummer Aufschrei verendete noch in seiner Kehle. „Morgen, Raphael.“ Vittoria begann sich unter ihrer Decke zu bewegen, dann setzte sie sich auf und rieb sich den Schlaf aus den Augen. „Ist es denn schon so weit?“ „He...he....Herrin?“ „Ja, was ist denn?“ „Euer... euer Zimmer...“ „Was ist damit?“ Raphael atmete einmal tief durch bevor er fragte: „Darf ich offen sprechen?“ Wie bereits erwähnt pflegten die beiden ein relativ lockeres Verhältnis zueinander, und eben deshalb hatte Raphael ein Privileg von dem manch ein Butler in einem anderen Haus nur
träumen konnte. Er durfte seine Herrin jederzeit bitten, offen sprechen zu dürfen. Wenn sie ihn gewähren lies durfte er ihr in aller harten Ehrlichkeit sagen was ihm durch den Kopf ging. „Nur zu.“ sagte Vittoria und machte sich innerlich auf einen erregten Wortschwall seitens ihres sonst so zurückhaltenden Dieners gefasst. Er atmete ein mal tief durch bevor er begann. „Wie bitteschön ist es euch möglich in so einem Raum zu schlafen? Einige der Stühle haben ihre aufrechte Position verlassen, auf dem Fußboden liegen diverse Dinge verstreut, auf eurem Schreibtisch stapeln sich unsortierte
Unterlagen und Kisten sowie auch in jeder Ecke! Kleidungsstücke liegen wie fallengelassen herum, offen gestanden auch Dinge die meine Augen außerhalb des Waschtages überhaupt nichts angehen. Das einzige was mich davon abhält zu denken es sei eine Bombe eingeschlagen ist eure Sammlungsvitrine welche wie eine Oase der perfekten Ordnung am Rande dieses im Chaos versunkenen Hortes thront. Ich könnte in diesem Ort welcher sich unverfroren Raum schimpft kein Auge zu tun aus Angst unter den Bergen von Unrat würden sich Monstrositäten verstecken welche ich mir in Größe und Art vorzustellen nicht in der Lage
bin.“ „Bezeichne meine Sachen gefälligst nicht als Unrat.“ winkte Vittoria ab. „Um die ganze Wahrheit zu sagen, Herrin, plagt mich ein schlechtes Gewissen wenn ich euch in solch einer Abart des Chaos nächtigen lasse.“ „Nun krieg dich aber wieder ein.“ Sie erhob sich und der Saum ihres blütenweißen Nachtgewandes floss wie flüssige Seide zu Boden. Ihre elegante Erscheinung wollte einfach nicht zu dieser hoffnungslos unordentlichen Umgebung passen. „Bitte erlaubt mir während ihr euch ankleidet wenigstens ein wenig aufzuräumen. Das Frühstück steht
bereits im Speisesaal bereit und wenn ihr fertig seid können wir mit unseren Reisevorbereitungen beginnen. Was haltet ihr davon?“ „Meinetwegen.“ Als Vittoria an ihm vorbei aus dem Zimmer glitt hörte sie noch seinen erleichterten Seufzer bevor sie über den Flur ins Badezimmer verschwand. Gewaschen und angekleidet begab sich Vittoria nach einem ausgiebigen Frühstück in Consulentes Gesellschaft in Aufenthaltsraum im Erdgeschoss. Sie war nun allein, da Consulente sich mit „wichtigen Recherchen“ beschäftigen musste und auf die Frage hin ob sie ihm dabei Gesellschaft leisten wolle hatte sie
dankend abgelehnt. Wenn es auch zahlreiche Geheimnisse gab welche diesen dürren Riesen umgaben, so war sich Vittoria doch der einen oder anderen Abstrusität in seinem Leben bewusst und manches ging sowohl über ihr Verständnis als auch über das was sie ihrem Magen zumuten wollte weit hinaus und so hatte sie sich angewöhnt in seiner Freizeit so wenig wie möglich mit ihrem Berater zu verkehren. Doch nur weil sie sich von dem Menschen der ihr in zwanzig Jahren Lebzeit die bisher meisten Rätsel aufgegeben hatte fern blieb hieß das noch lange nicht dass sie von fragwürdigen Überraschungen verschont
blieb. Sie senkte die Türklinke herab, öffnete den Raum, dann schrie sie erschrocken auf und ihr rechter Zeigefinger schnellte reflexartig nach vorn, so als wolle sie einer drohenden Gefahr ein Schwert entgegenrecken. Von ihrem Ausruf alarmiert stürmte Raphael in erstaunlicher Geschwindigkeit durch das halbe Haus zu seiner Herrin, wobei er seinen Weg mehrfach durch waghalsige Sprünge von oberen Etagen nach unten abkürzte. In Sekundenschnelle war er bei ihr. „Was ist geschehen, Herrin?“ Ertaunt schaute er nun in die Richtung, in welche ihr Finger zeigte. „Meine
Tante!“ Von einem der Stühle welche um einen großen Tisch mitten im Raum postiert waren erhob sich eine junge Frau in einem schlichten schwarzen Kostüm und hob die Hand.“Was ist denn das für eine merkwürdige Begrüßung?“ fragte ich zugegebener Maßen belustigt. „Wie um alles in der Welt seid ihr hier rein gekommen?“ „Das Fenster stand offen.“ Mit einem verdutzten Gesichtsausdruck lies sie ihre Hand sinken und ich machte ein paar Schritte auf sie zu. „Ich biete mir einfach mal selbst das du an und sage dir somit dass kein Grund zur Beunruhigung besteht. Ich bin in friedlicher Absicht hier.“ Nach einer
angedeuteten Verbeugung gab ich ihr mit einer Geste meiner Hände zu verstehen dass sie näher kommen sollte. „Ein Vögelchen hat mir gezwitschert ihr wollt Si' Awy in Bälde verlassen?“ „Woher weißt du das?“ Ich warf ihr ein schelmisches Lächeln zu. „Um mögliche Missverständnisse von vorn herein auszuschließen...“ ich setzte mich wieder auf meinen Stuhl und schaute sie unverwandt an „...ich weiß alles.“ „Aha.“ machte Vittoria nur kleinlaut. Kurz darauf saßen sie und ich gemeinsam am Tisch während Raphael uns Tee servierte. Vittoria war nun wieder gefasst und saß mir mit eleganter
Haltung und einem vornehmen wie aufgeschlossenen Gesichtsausdruck gegenüber. „Nun, ihr sagtet ihr seid in friedlicher Absicht hier.“ „So ist es.“ „Und welche Absicht wäre das, wenn ihr die Frage gestattet?“ Ich schwenkte den Tee in meiner Tasse hin und her und war neidisch auf Vittoria, die sein zweifellos vorzüglisches Aroma in vollen Zügen genießen konnte. „Wie bereits erwähnt weiß ich von eurer bevorstehenden Reise. Ich will gar nicht lange stören, ich möchte euch nur bei den Vorbereitungen assistierend zur Hand gehen.“ „Ich bin euch sehr dankbar für euer Angebot aber ich denke das wird nicht nötig sein.“ „Es ist
mir durchaus bewusst, dass du das denkst, und grundsätzlich traue ich euch ja auch zu diese Aufgabe allein zu bewältigen. Aber wie ihr sicher wisst bietet sich auf diesem Kontinent ein kulturell sehr breit gefächertes Spektrum über welches es sich zu informieren gilt.“ „Wie meint ihr das?“ Ich lächelte sie an. „Wie ich das meine? Ich meine das so dass man Gefahr läuft mit einer neuen Stadt eine gänzlich neue Welt zu betreten. Einige Orte wie Si' Awy mögen ja relativ harmlos zwischen moderner Technik und altem Brauchtum angesiedelt sein, aber in Mijova zum Beispiel ist der technische Fortschritt so ausgeprägt dass man hier für einige
Dinge Dort nicht mal einen Namen kennt. Und dann gibt es noch Orte wie Ovihr wo fließendes Wasser aus Rohren mit die nennenswerteste Neuerung der Moderne ist welche der breiten Öffentlichkeit zur Verfügung steht. Hinzu kommen diverse Gesetze und Gebräuche die von Ort zu Ort wechseln und welche einem bei Missachtung in höchst unangenehme Situationen bringen können. Weißt du zum Beispiel wie man in Ahnee einen hochrangigen Beamten begrüßt?“ „Nein.“ antwortete Vittoria promt. „Wird das denn so anders als hier gehandhabt? Und wenn, was wäre das Schlimmste was passieren kann, wenn man es nicht richtig macht?“ „Das
kommt ganz auf die Laune und den Rang des Beamten an, das geht von Geldstrafen über öffentliche Demütigung bis hin zu einer Mischung aus beidem in Verbindung mit gesellschaftlicher Missachtung, und glaub mir, gesellschaftliche Missachtung kann man sich an einem Ort wie Ahnee nicht leisten. Ihr werdet auf eurer Reise zwangsläufig diesen Ort passieren müssen, vorausgesetzt ihr schippert nicht einmal um den Planeten um von der anderen Seite aus Ovihr zu erreichen.“ Vittoria legte eine Hand an ihr Kinn und warf Raphael einen fragenden Blick zu. Ich ergriff wieder das Wort. „Das ist nur
eine winzige Kostprobe dessen was euch auf eurer Reise an möglichen Widrigkeiten erwartet. Ich bin mit den diversen Kulturen bestens vertraut, ja, ich habe sogar eine kleine Abhandlung darüber geschrieben. Wenn ihr mal einen Blick werfen wollt.“ Ich winkte Raphael zu uns heran und holte dann ein braunes Buch aus einer meiner Manteltaschen und überreichte es Vittoria. „Die zweihundertundvierzehn Leben des Sufferpas'schen Kontinents.“ las sie laut den Titel auf dem mit Stoff bezogenen Einband vor. „Dieser Almanach über die verschiedenen Besonderheiten aller bekannten und offiziell unbekannten Orte auf dieser großen Landmasse dürfte
euch sicher eine nicht zu verachtende Hilfe sein.“ Vittoria hob eine Augenbraue. „Ich weiß eure Bemühungen sehr zu schätzen, aber erlaubt bitte die Frage was uns dieser Service kostet?“ „Pah!“ Ich winkte ab. „Warum muss in dieser Welt immer alles etwas kosten? Es kostet euch das Versprechen heil in Ovihr anzukommen und sicher wieder zurückzureisen, das dürfte doch wohl in eurem Interesse liegen, oder?“ Vittoria war sich sichtlich unsicher, und dennoch warf sie mir ein ehrliches Lächeln zu. „Das Versprechen habt ihr.“ „Ausgezeichnet. Ich meine, nicht dass ich nicht gewusst hätte dass ihr meine
Hilfe annehmen werdet, dennoch freue ich mich bereits auf gute Zusammenarbeit.“ Ich erhob mich und deutete eine leichte Verbeugung an. „Ich kann euch versichern dass wir uns noch des öfteren sehen werden, bis dahin möchte ich mich vorläufig empfehlen. Vittoria, die noch einmal auf den Einband des Buches gesehen hatte, schaute auf. „Ich bin euch sehr da-“ Mitten im Satz brach sie ab und schaute sich um. Ich war bereits verschwunden. „Wo ist sie hin?“ Sie schaute zu Raphael herüber, der jedoch nur ratlos zurück sah. Vittoria wunderte sich darüber wer die junge Frau gewesen war, doch sie hatte das Gefühl dass sie tatsächlich auf
ihrer Seite stand und dass man ihr vertrauen konnte.
-04- Aufbruch Die Zeit bis zum Tag der Abreise verging ohne dass neben den alltäglichen Absonderlichkeiten im Leben derer die mit Consulente in Verbindung standen etwas weiter Bemerkenswertes passiert wäre. An jenem vorerst letzten Tag in Si'Awy strahlte die Sonne von einem perfekt blauen Himmel auf das Leben der Vittoria Falcone herab, welches sich schon bald auf eine Art und Weise verändern sollte wie sie es noch vor kurzem nicht zu träumen gewagt hätte. Nach dem Frühstück war sie damit
beschäftigt noch einmal persönlich die von Raphael und ihr gepackten Koffer und Taschen auf ihren Inhalt zu überprüfen während er noch ein wenig Staub wischte. Vittoria schien es als wäre das seine Art Nervosität zu bekämpfen. Wenn irgendwelche größeren Ereignisse anstanden hatte er die Angewohnheit bereits tadellos reine Oberflächen mit einem Tuch oder einem Staubwedel auf fast schon fürsorgliche Art zu bearbeiten, und es schien ihn tatsächlich zu beruhigen. „Wenn ich nicht an plötzlicher Demenz leiden sollte“, begann Vittoria „bin ich davon überzeugt dass wir nichts vergessen haben. Alles was wir brauchen
oder brauchen könnten ist wie auf meiner Liste beschrieben verstaut.“ Ohne dabei mit dem Wischen aufzuhören warf Raphael einen Blick auf das fein säuberlich beschriftete Papier in den Händen seiner Herrin und musste unwillkürlich lächeln, wie ein ehrlich stolzer Vater der ein von seiner Tochter gemaltes Bild sah. „Ihr liebt es wirklich solche Listen zu erstellen, nicht wahr? Darum habt ihr mir damals auch verboten unsere Habseligkeiten zu katalogisieren.“ Er lachte kaum merklich auf. „Ihr wolltet das selbst tun.“ „Nun, weißt du...“ sie legte das Papier behutsam auf einem großen, schwarzen Koffer ab und strich sacht mit einer
Hand darüber, um es zu glätten. „Es gefällt mir schon allein damit herum zu experimentieren nach welchem System man die Dinge ordnet. Das fängt schon bei der Reihenfolge der Bücher in den Regalen an. Ordnet man sie nach Größe, wenn ja nach welcher? Nach der des Rückens, nach der Breite oder doch nach Länge? Ordnet man sie alphabetisch, nach Autor oder nach Titel oder vielleicht doch nach der Farbe des Einbandes? Auch wenn mein privates Zimmer manchmal im Chaos zu versinken scheint, auf solche Dinge achte ich genauestens, und wenn nicht so, dann verhält es sich mit meinen Listen doch zumindest so ähnlich, es
tauchen sogar noch ganz neue Aspekte der Anordnung auf.“ Sie erhob sich und warf Raphael ein bezauberndes Lächeln zu, welches ihren ohnehin schönen Gesichtszügen eine unvergleichliche Note verlieh. „Es mag seltsam sein, doch ich denke es gibt Menschen mit weit abstruseren Vorlieben, und mit dieser schade ich schließlich niemandem, also was ist schlimm dabei? Nicht wahr, Raphael?“ Der Ausdruck auf seinem Gesicht wurde noch weicher. „In der Tat.“ sagte er mit kräftiger und doch sanfter Stimme. „Es schadet niemandem.“ Wie sie sich anschauten hätte man in einem romantischen Film in den nächsten
Sekunden einen Kuss erwartet, doch der stille Zauber dieses Moments wurde durch ein gellendes „Aaaaaaahahahaha!“ und darauffolgendem Scheppern unterbrochen. Als es danach ein paar Sekunden lang still gewesen war öffnete sich langsam die Tür, erst erschienen nur knochige, bleiche Hände welche die Tür umklammerten, kurz darauf folgte das Gesicht eines breit grinsenden Consulente, dessen Hut gefährlich schräg auf seinem Kopf saß. Er kicherte verhalten. „Entschuldigt bitte den Tumult, ihr Lieben.“ Raphael unterbrach sein Wischen. „Herr Consulente, was war das eben für ein Radau? Ist etwas passiert?“
„Irgendetwas passiert immer, mein lieber Raphael. Wie dem auch sei, jedenfalls scheine ich in einem Anflug von spontaner Euphorie etwas zu schwungvoll eine Abkürzung nach unten benutzt und habe bei meiner Landung versehentlich die eine oder andere Kommode mitgerissen.“ „Die eine oder andere Kommode?“ fragte Raphael besorgt. „Bei ihrer Landung?“ fügte Vittoria hinzu. Nun betrat Consulente den Raum und es stellte sich heraus dass er ein kleines Paket bei sich trug. Noch bevor Vittoria sich fragen konnte wie er dieses auf einmal ohne sich zu bücken in Händen halten konnte wo doch noch vor einer Sekunde beide
seiner Hände an der Tür lagen begann er zu sprechen. „Nebst einer umgehenden Beseitigung des durch mich entstandenen Chaos möchte ich mir erlauben ihnen beiden als kleine Entschädigung dies hier zu überreichen.“ Er überreichte ihr das Paket welches sie behutsam schüttelte. „Das ist doch hoffentlich nicht wieder irgendein mysteriöses Tier aus ihrer Privatzüchtung, oder?“ Consulente kicherte. „Weit gefehlt. Nachdem mein letztes tierisches Geschenk zusammen mit dem außer Kontrolle geratenen Nachwuchs den Dachstuhl des Hauses demoliert hat zog ich die Konsequenz es fürs erste dabei zu belassen und euch in
Zukunft nur noch Geschenke zu unterbreiten welche... eine weniger destruktive Funktion erfüllen.“ „Ich begrüße das zutiefst.“ erwiderte sie erleichtert. Mit spitzen Fingern, da sie Consulentes Einschätzung von weniger destruktiven Funktionen nicht so ganz traute, öffnete sie das Paket. Darin befand sich zu ihrer Erleichterung keine absonderliche Mutation eines für gewöhnlich harmlosen Lebewesens, sondern... „Was ist das?“ „Eine Bestellung frisch aus Mijova, wohlgemerkt gerade rechtzeitig zum veranschlagten Liefertermin eingetroffen. Ich hoffe sie gefallen euch.“
Vittoria holte eines von zwei Geräten aus der Schachtel und winkte Raphael heran, um es sich anzusehen. Sie drehte das handflächengroße Ding in den Händen. „Ah! Ist das eines dieser mobilen Telefone die sie in den technisch versierten Gebieten haben? Wie heißt das doch gleich... ein Handy?“ „Etwas in der Art, absolut korrekt. Es handelt sich bei diesem Objekt um einen sogenannten Omuni-Com, oder kurz Omunic. Neben der Kommunikation mit anderen Geräten seiner Art hat er noch einige andere Funktionen, welche mir leider nicht alle geläufig sind. Allerdings liegt ihrem
Paket auch eine umfangreiche Bedienungsanleitung bei, falls es Unklarheiten geben sollte.“ Raphael hielt nun den zweiten Omuni-Com und die Bedienungsanleitung, welche das halbe Paket ausgefüllt hatte, in Händen. „Nachdem was ich gehört habe hätte ich mir diese Mobiltelefone etwas anders vorgestellt. Der Bildschirm wäre demnach dreimal so groß, es gäbe keine Tastatur und das Gerät selbst dürfte nicht halb so dick sein.“ „Nun, ich gebe zu dass ich als bescheidener Berater ein wenig auf meine privaten Finanzen achten muss, daher handelt es sich hierbei nicht gerade um das neueste Modell. Die neueste Technologie aus
Mijova, wie ich hörte, sind Geräte flach wie ein Blatt Papier.“ „Soetwas gibt es?“ „In der Tat. Aber da ich drei Geräte zu einem möglichst günstigen Preis brauchte habe ich mich für eines der Auslaufmodelle entschieden.“ Vittoria schaute auf. „Drei?“ Consulente zog nun sein eigenes Exeplar hervor, welches exakt genau so aussah wie die anderen beiden. „Was wäre ich für ein Berater wenn ich nicht alles daran setzen würde ihnen auch auf ihrer bevorstehenden Reise aus der Ferne nach Kräften mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Jedes Gerät verfügt bereits über die Kontaktdaten der anderen Beiden, so dass wir immer in Verbindung
bleiben können.“ Vittoria betätigte einen Knopf und der kleine Bildschirm des Omuni-Com leuchtete blau auf. „Das ist ja alles sehr fastzinierend, aber benötigt man für so etwas nicht immer noch eine gewisse Nähe zu Funkmasten oder etwas in der Art?“ „Eine gute Frage, Mylady, doch seid unbesorgt. Die technischen Feinheiten bin ich euch natürlich nicht in der Lage zu erläutern, doch sollte es genügen nur zu sagen dass die Technologie aus Mijova über nahezu jeden funktionellen Zweifel erhaben ist.“ Vittoria schaute auf den Bildschirm, welchen das Bild einer kleinen Katze zierte. In der oberen rechten Ecke wurden das Datum und die
aktuelle Uhrzeit angezeigt. „Wie es aussieht ist es bereits kurz vor zwei Uhr. Sollten wir nicht langsam aufbrechen wenn wir noch eines der Schnellbote am Hafen nehmen wollen?“ „Du hast Recht, Raphael. Es wird Zeit.“ Ein Leuten von der Haustür her lies die Anwesenden aufmerken. „Ah, wie auf Stichwort. Ich habe mir die Freiheit genommen ihnen beiden eine Kutsche kommen zu lassen. Ich dachte mir sie hätten vielleicht wenig Interesse daran den halben Hausrat zu Fuß bis zum Hafen zu bringen.“ Raphael, der seinen Omuni-Com und die Bedienungsanleitung bereits verstaut und einige Gepäckstücke in den Armen
hatte lächelte anerkennend. „Vielen Dank, das war wirklich sehr umsichtig von ihnen.“ „Nichts zu danken. Nun, darf ich ihnen auf dem Weg zur Kutsche noch mit dem Gepäck behilflich sein?“ Nachdem alles in und auf der Kutsche verstaut war dauerte es nicht lang bis nach einer Ermahnung an Consulente, das Haus nicht niederzubrennen oder anderweitig dem Erdboden gleichzumachen, Vittoria und ihr Diener auf dem Weg zum Hafen waren. Während der Fahrt sprachen sie nicht viel, Vittoria schaute die meiste Zeit über Gedankenverloren aus dem Fenster und sah die Stadt und ihre Einwohner an
sich vorüberziehen ohne sie tatsächlich zu sehen. Am Hafen angekommen übergab Raphael dem Kutscher ein großzügiges Trinkgeld mit dem Vorschlag, den zwei Pferden doch einmal etwas gutes zu gönnen. Nachdem die beiden der abfahrenden Kutsche eine Weile hinterher gesehen hatten wandten sie sich den umliegenden Gefährten zu Wasser zu. Unzählige kleine Ruderboote und auch zwei prächtige Handelsschiffe hatten hier angelegt. An den Docks herrschte überall dort wo Menschen waren geschäftiges Treiben, es wurde gefeilscht, getratscht und gestritten. Am
Hafen von Si'Awy gab es allerlei zu sehen, nur eins schien zu fehlen. „Warum sehe ich hier kein einziges Schnellboot?“ Vittoria ließ ihren Blick schweifen. „Mit so einem Ruderboot wären wir vermutlich noch nicht mal dann in Mijova wenn wir schon in Ovihr sein müssten.“ Raphael legte eine Hand an sein Kinn. Er war sich sicher dass sie für die Schnellboote noch nicht zu spät waren, doch warum konnten sie dann kein einziges ausfindig machen? Er wurde unruhig. „Vielleicht sind wir sogar ein wenig früh? Ich schlage vor dass wir eine Weile warten.“ „Wie du meinst.“ Und so warteten sie mit ihrem Gepäck
mitten im Getümmel. Sie warteten zehn Minuten. Sie warteten eine halbe Stunde. Sie warteten eine Stunde. Vittoria hatte bereits angefangen unruhig auf und ab zu laufen und dabei tonlos irgendwelche Lieder zu pfeifen die ihr gerade in den Sinn kamen. Sie warteten anderthalb Stunden. Raphael hatte eine Partie Karten vorgeschlagen und so spielten sie eine Weile wobei sie zwischenzeitlich immer wieder aufsahen um nach einem Schnellboot Ausschau zu halten. Als die dritte Stunde des Wartens anbrach warf Vittoria ihr Blatt auf den Koffer welchen sie als Spielunterlage benutzt hatten, was als aufgeben zählte und somit die erste
Runde beendete welche Raphael gewann. Doch Vittoria hatte gänzlich andere Sorgen als ein verlorenes Spiel. Sie stand auf und war auf einmal doppelt so groß wie der noch immer sitzende Raphael. „Also langsam werde ich wirklich nervös, dem hiesigen Aufkommen nach scheint es so etwas wie schnell Boote nie gegeben zu haben.“ Vittoria griff sich an die Stirn. Sie fühlte sich als bekäme sie bald Kopfschmerzen. „Eins kann ich dir sagen, Raphael. Wenn sich nicht innerhalb der nächsten zehn Sekunden ein Motorboot ankündigt werde ich verrückt und esse die Karten.“Einen Moment lang verharrten die beiden
regungslos ohne das etwas passierte. „Gyorai-Express nach Mijova für die Geschwister Hoorbo, Gyorai-Express nach Mijova.“ Vittoria schaute in die Richtung aus welcher die Ansage gekommen war. „Wie viele Sekunden hats gedauert?“ Raphael schaute auf die Uhr. „Acht.“ „Na, wenn das kein Zeichen von ganz oben ist! Los, beeil dich, Raphael!“ Mit ihrer gesamten Habe spurteten sie zu einem modern aussehenden Boot in der Nähe. Vor dem Boot stand eine junge Frau mit schulterlangem, dunkelgrünen Haar und einer dieser Mützen mit Schirm vorne dran. Wie hießen die doch gleich?
Basecaps? „Hier!“ rief Vittoria, die leicht aus der Puste geraten war. „Wir wollen nach Mijova!“ Die Frau wandte sich den beiden zu. „Ah, recht schönen guten Tag. Sind sie beide die Hoorbo-Geschwister?“ „Ganz Recht, gute Frau.“ sagte Raphael ohne mit der Wimper zu zucken und eine leichte Verbeugung andeutend. „Ausgezeichnet. Entschuldigen sie bitte die Verspätung, es hatte auf dem Weg hierher einen kleinen Zwischenfall gegeben. Bitte, bitte, kommen sie doch an Bord, wir können sofort ablegen. Oh, nein, nicht doch, wir kümmern uns um ihr Gepäck. Jack?“ Ein breitschultriger Mann mit
Sonnenbrille und grüner Weste verließ das Boot. „Guten Tag, die Herrschaften.“ sagte er nur und lud sich auch schon die Hälfte der Koffer auf einmal auf. „Er wird das Gepäck in ihre Kabine bringen. Oh, bevor ichs vergesse.“ Die Frau salutierte auf eine leicht legere Art und Weise. „Mein Name ist Jessica Cerrus, Verantwortlich für die Technik und ihr persönliches Wohl an Bord der Gyorai und hiermit heiße ich sie herzlich willkommen. Bitte, folgen sie mir.“ Nachdem Miss Cerrus einige Schritte entfernt war flüsterte Raphael „Wie gut dass sie unsere Ausweise nicht sehen wollte, nicht wahr?“ „Beschrei es nicht,
Raphael, das ist Glück, nichts weiter als pures Glück.“ Sie folgten der jungen Frau an Bord und beide hatten Herzklopfen. War es richtig gewesen sich als jemand anderes auszugeben um ein Schnellboot nach Mijova zu bekommen? Würde das Konsequenzen haben? Auch wenn sie ein schlechtes Gewissen hatte war es Vittoria für den Moment recht, schließlich unternahm sie diese Reise ja nicht zum Vergnügen. Sie schaute über die Reling und warf Si'Awy einen langen, letzten Blick zu bevor sich das Boot langsam in Bewegung setzte. Gischt schäumte um den Bug und eine angenehme Brise umwehte Vittorias Gesicht.