Kurzgeschichte
Ich muss Euch eine traurige Mitteilung machen

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"Ich muss Euch eine traurige Mitteilung machen"
Veröffentlicht am 11. Januar 2014, 12 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
© Umschlag Bildmaterial: Elena Okhremenko - Fotolia.com
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Ich muss Euch eine traurige Mitteilung machen

Ich muss Euch eine traurige Mitteilung machen

NACHRUF !!!

Der Hahn ist tot!!!

Ihr wisst schon: Alfreds Hahn! Der Stolz des ganzen Dorfes. Unser Hahn. Der Lieblingshahn seines Sohnes. Diego haben sie ihn genannt. Nach dem großen Maler Diego Rivera. Dem Lebensgefährten von Frida Kahlo.

Oder waren sie sogar verheiratet? Ich weiß es nicht so genau. Jedenfalls war er ein totaler Schwerenöter. Erst hat er die Frauen gemalt und dann mit ihnen rumgemacht. Und Frida musste das alles aushalten. Die Arme.

Er ist tot. Der Hahn Diego ist tot.

Heute Morgen fand Alfred ihn. Im Hühnerhaus lag er und rührte sich nicht mehr. Tot gepickt von seinen eigenen Kameraden. Glaubt man das? Ich kann es nur schwer glauben. Es fällt mir schwer, meine Fassung zu bewahren. Aber das muss ich vielleicht auch gar nicht.

Ja, ich heule jetzt einfach. Wird schon keiner sehen. Tränen lindern den Schmerz, hat meine Großmutter immer gesagt.

Aber ich sah sie nie weinen, fällt mir jetzt ein. Da muss sie wohl jede Menge Schmerz in sich gehabt haben. Ach Gott,

die Arme. Aber sie ist ja auch schon tot.

Unser Hahn Diego ist tot.

Er war etwas anders als die anderen. Das stimmt wohl. Er wurde immer als letzter an den Fresstrog gelassen. Musste das fressen, was die anderen übrig ließen. Und die Hühner durfte er auch nicht besteigen. Da hat der andere, ältere Hahn aber aufgepasst. Der arme Diego.

Alfreds Vater war da anders. Der hat sich jedes Huhn genommen, das er wollte. Meistens ganz junge. Er war so ein richtiger Gecko.

Da hat die Mutter natürlich sehr oft

geweint. Sie hat gesorgt für sich, würde meine Psychotante sagen.

Irgendwann hat sie ihn dann rausgeschmissen. Heute ist er schon ganz schön alt. Mit Hühnern geht da nicht mehr viel. Der Arme.

Nun ist Diego tot.

Einsam war er gewesen. Sein ganzes beschissenes, kurzes Leben lang. Ja, anders war er als der größere Bruder. Die typischen langen Schwanzfedern eines Hahnes, waren bei ihm untypisch kurz. Krähen konnte er auch nicht richtig. Der Arme. Es hörte sich so an, wie die  Quietscheautos von Alfreds

Sohn. Die nerven seinen Bruder auch immer total.

Aber den nervt ja alles. Der Arme. Er kann zwar ziemlich gut „krähen“, aber Hühner bekommt er trotzdem keine. Weder junge noch alte. Wie es um seinen Schwanz bestellt ist, weiß natürlich niemand. Den hat noch keiner gesehen. Da passt er gut drauf auf. Oder versteckt er ihn? Ich weiß nicht. Aber irgendwas ist nicht richtig. Und jeder bekommt dann seinen Frust ab. Der Arme.

Und tot gepickt hat er seinen Bruder deshalb auch nicht. Dafür hat er aber eines Tages jedes seiner Spielzeuge, das Krach machte weggeworfen. Das ist viel

schlimmer als tot picken.

Mein Gott, muss der gefrustet gewesen sein. Er rennt aber auch heute noch wie ein Krug Sauerbier durchs Leben. Der Arme. Aber wenigstens lebt er noch.

Verdammt! Jetzt ist Diego wirklich tot. Wo jetzt hin mit meiner verfluchten Trauer?

Er war so niedlich als Küken. Keiner ahnte damals, was später aus ihm wird. Als die Veränderung sichtbar wurde, begann das Dilemma. Er wurde ausgegrenzt, abgenabelt vom Rest der kleinen Hühnerwelt. Seine Mutter ist schwarz. Total schwarz. Ein wenig hat er davon abbekommen. Aber deshalb

gleich ausgrenzen? Es gibt doch auch einen schwarzen Präsidenten. Den pickt doch auch keiner tot. Oder doch?

Der arme Diego. Seine Mutter schert sich einen Dreck um ihren toten Sohn. Sucht hier diensteifrig nach Futter und ein paar Meter weiter reibt sich Gevatter Tod die Hände.

Alfreds Mutter war da anders.

Wenn die vom Fenster aus sah, das er sich prügelte, kam sie wie eine Löwin angebrüllt und meinte, ihm helfen zu müssen. Sein Gegner bekam eine gescheuert und er wurde mit nach oben gezerrt. Wisst ihr, wie peinlich das war? Muttersöhnchen und Hasenfuß waren noch die mildesten Spitznamen, die er

daraufhin bekam. Dabei wollte er sich doch prügeln.

Der Arme.

Einmal hat ihn aber doch mal einer erwischt und übel zugerichtet. Keine Ahnung, wo seine Mutter da war.

Das Blut lief vom Kopf über den Rücken, den Arsch lang runter. Er fand das irre toll. Sein Ruf war wieder hergestellt.

Aber seine Mutter hat so geheult, dass Alfred Angst hatte, sie würde in ihren Tränen ersaufen.

Die Arme. Aber sie ist ja auch schon tot.

Der Hahn ist tot. Unser Hahn. Der Lieblingshahn von Alfreds Sohn. Der

Stolz des Dorfes.

Er war anders als die anderen. Aber deshalb gleich tot picken. Ich weiß nicht.

Und so verflucht dünn ist er. Ich glaube, er reicht nicht einmal für eine Mahlzeit. Na, dann schlachten sie eben noch ein Huhn mit dazu, meint Alfred. Am Besten die Mutter. Ehe sie den Tod ihres Sohnes doch noch realisiert.

Die Arme!

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Lyrus

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Monczi die arme Frieda und der arme Diego,
der arme Hahn und das arme Huhn, seine Mutter
und der arme Alfred .....
und...und...und....
eine wunderbare Geschichte...so vielsagend und doch
mit einem Schmunzeln gelesen
lg Monczi
Vor langer Zeit - Antworten
Zentaur Mein herzlichstes Beileid.
Vielleicht geht es Diego im Hühnerhimmel besser.
lg Helga
Vor langer Zeit - Antworten
Lyrus ... vielen Dank, Helga - im Himmel geht es jedem besser ...
LG Ralf
Vor langer Zeit - Antworten
Sealord Eindeutig zweideutig! Gut!
LG Uwe
Vor langer Zeit - Antworten
Lyrus ... ein Eindeutiges Danke, Uwe ...
LG Ralf
Vor langer Zeit - Antworten
Darkjuls Der arme Hahn, anders, ausgegrenzt und tot gepickt. Das hört sich ganz nach Mobbing an. Hühner sind schon ein gemeines Volk.
Da kann man viel herauslesen. LG Marina
Vor langer Zeit - Antworten
Lyrus ... du hast bestimmt auch viel heraus gelesen, Marina ...
LG Ralf
Vor langer Zeit - Antworten
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