Betrachtungsweisen
Mit Vierzehn hörte ich Biermann. Mein Vater verbot es.
Irgendwann schrieb ich eigene Texte. Schickte sie an Zeitungen.
Alle kamen mit einem roten Balken quer über das Blatt zurück, in den das Wort Subversiv eingeprägt war. Das Wörterbuch zeigte mir, was es bedeutet. Ich hatte also eine politische Gesinnung. Toll!
Ich schrieb weiter, verschickte, bekam Ablehnungen.
Bis eines Tages zwei Herren vor der Tür standen. Mit ernster Miene und nadelstreifenbekleidet. Mutter warnte
immer vor fremden Onkels. Ich solle niemals mit ihnen gehen. Diese fragten aber nicht, zerrten mich in ihren Fiat und ab gings in die Stasi-Keller der Stadt. War das aufregend.
Alle meine Texte lagen da rum. Ich musste sie vorlesen. Angestrahlt von einer grellen Tischlampe, bis mir der Schweiß den Arsch lang runter lief. Fragen. Antworten. Fragen.
Wenn es zu lange dauerte, wurden die Onkels böse und schlugen mich, bis Blut aus der Nase lief.
Nach acht Stunden durfte Vater mich abholen. Von der Partei bekam er die Auflage, mich strengstens zu kontrollieren. Das tat er gewissenhaft.
Ich schrieb weiter, verschickte aber nichts mehr.
Als aus dem seltsamen Halbstaat ein ganzer gemacht wurde, der ebenso seltsam war, verschickte ich meine Texte wieder.
Die kamen zurück mit dem Hinweis, sie beschrieben zu allgemein.
Ich erinnerte mich ans Nasenbluten in der Magdeburger Straße, verstand die Welt nicht mehr und schrieb meiner Freundin ein Liebesgedicht.