Kurzgeschichte
Das Familienfoto

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"Ein modernes Wintermärchen"
Veröffentlicht am 06. Januar 2014, 24 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Über den Autor:

Ich bin nur ein Mensch wie jeder Andere auch. Macken und Fehler gehören ebenso zu mir wie meine Qualitäten, aber ich werde euch weder mit dem Einen noch mit dem Anderen in den Ohren liegen bzw. eure Augen dazu nötigen darüber etwas zu lesen. Man kann mich kennenlernen, aber auch hierzu werde ich euch nicht auffordern. Ihr sollt es schließlich nicht tun weil ich euch darum bitte, sondern weil ihr selbst empfindet dass ihr das tun ...
Ein modernes Wintermärchen

Das Familienfoto

Manchmal vergisst man was wirklich wichtig ist im Leben. Man hetzt Terminen hinterher, tut alles für den Job, aber man vergisst die Menschen die einem erst wirklich das Gefühl geben dass man lebt.


Gerade als Matthew den Highway entlang fuhr, dachte er genau darüber nach. Für seinen Job hatte er nämlich oftmals seine Liebsten hinten anstehen lassen. Nicht weil er es wirklich musste, sondern weil er seinem Pflichtbewusstsein nachkam. Schließlich wollte er, dass für seine Familie immer genug zu Essen auf dem Tisch stand und dass sie alle Rechnungen bezahlen können. So

arbeitete er oftmals auch an Feiertagen, so als wäre das eine Selbstverständlichkeit. Doch dieses Jahr ist alles anders. In diesem Jahr hat er sich frei genommen um Weihnachten mit seiner Familie zu verbringen.

Der Weg Heim war zwar ein langer Weg welcher einige Stunden dauerte, aber er war bereit dies in Kauf zu nehmen. Ein Drittel der Strecke hatte er bereits hinter sich, als er auf die Benzinanzeige sah und bemerkte dass er bald tanken müsste. Darum nahm er die nächste Abfahrt und steuerte eine kleine Tankstelle

an.

Draußen war es, für die Jahreszeit typisch, bitter kalt. Es lag Schnee und der Wind pfiff eisig durch die Straßen. Zügig befüllte er daher seinen Wagen und eilte ins Innere der Tankstelle. Beim Betreten bekam er gerade noch mit wie der Mann hinter der Kasse etwas wütend, doch in einer für ihn fremden Sprache, ins Hinterzimmer schrie. Langsam schritt er auf den Mann zu.

Entschuldigen Sie bitte den Lärm.“, entschuldigte sich der Mann sofort mit einem Lächeln. „Meine Frau und ich hatten eine kleine

Meinungsverschiedenheit.“ Matthew zog sein Portemonnaie hervor und sagte verständnisvoll: „Das kenne ich leider. Worum ging es denn, wenn ich fragen darf?“ Der Mann hinter der Kasse sah ihn für eine Sekunde an. „Nun ja, wissen Sie...!“, druckste er herum. Matthew merkte, dass es dem Mann etwas unangenehm war. Er zog den zu zahlenden Betrag aus seinem Portemonnaie wobei ihm plötzlich ein Foto mit hinausfiel. Beide sahen sofort auf das Bild.

“Nette Familie.“, sagte der Kassierer sofort und lächelte. Matt nahm das Foto und hielt es hoch. Er deutete mit dem

Finger auf die Frau die darauf an seiner Seite zu sehen war. „Das ist meine Frau.“, sagte er stolz und der Mann lächelte ihm zu. „Leider haben wir uns auch öfter mal gestritten.“, fuhr Matthew fort und sein Blick wurde ernster. „Wissen Sie, ich weiß zwar nicht warum sie sich mit ihrer Frau gestritten haben, aber bei meiner Frau und mir war es oftmals wegen Kleinigkeiten die wir dann zu einer großen Sache aufbauschten.“ Er steckte das Foto wieder in sein Portemonnaie und war im Begriff zu gehen als der Kassierer plötzlich sprach.

“Es geht um meine Schwiegereltern.

Meine Frau will sie zu Weihnachten einladen, doch ich komme einfach nicht mit ihnen klar.“ Matthew blieb stehen und sah den Mann an. „Meine Frau weiß nicht, dass mir das so zu schaffen macht. Ich weiß noch nicht einmal ob sie es wirklich merkt.“, fuhr der Mann weiter fort. Matt wandte sich ihm nun wieder komplett zu. „Lieben Sie ihre Frau?“, fragte Matt einfach unverblümt und überraschte den Verkäufer. „Selbstverständlich!“, antwortete dieser prompt. „Dann reden Sie mit ihr. Erklären Sie es ihr. Ich habe meine Probleme sehr oft auch verschweigen wollen. Doch als ich mich meiner Frau einmal geöffnet hatte, hat sie mich

sofort verstanden.“ Der Kassierer sagte keine Wort und lauschte Matts Worten. „Meine Frau sagte mir, dass es nichts gibt wovor ich Angst haben müsste es ihr zu sagen. Und ich denke ihre Frau wird es genauso sehen.“ Mit diesen Worten ging er Richtung Ausgang. Doch bevor er ihn erreichte um hinauszugehen, hörte er noch einmal den Kassierer. „Danke sehr! Sie haben vermutlich Recht. Ihnen und ihrer Familie frohe Weihnachten!“

Als Matt hinaustrat, atmete er kurz durch. Er sah sich um und bemerkte einen kleinen Blumenladen auf der anderen Straßenseite. Sofort lächelte er

und ging darauf zu. Beim Betreten läutete eine kleine Glocke die mit der Tür verbunden war. Prompt trat eine etwas ältere Dame an den Tresen. „Willkommen bei Daisys Blumenbüdchen! Was kann ich für Sie tun?“, fragte die Dame freundlich. Matt klopfte sich gerade ein wenig Schnee von den Sachen.

“Ich suche etwas bestimmtes.“, sagte er sofort. „Na, ich denke ich werde Ihnen da weiterhelfen können.“, entgegnete ihm die Floristin. „Gut. Denn ich suche die Lieblingsblume meiner Frau.“, lächelte Matt ihr zu. „Natürlich. Welche ist es denn?“ Kurz fasste er sich nachdenklich ans Kinn, doch dann

deutete er mit einem Fingerzeig auf die Dame. „Schneelilien sind es!“ Die Dame lächelte. „Das ist kein Problem. Solche haben wir natürlich.“ Sofort ging sie in ein Hinterzimmer und kam nach wenigen Sekunden wieder zurück an den Tresen. „Bitte sehr. Das sind sie. Wie viele hätten Sie denn gerne?“ Als Matt die Blumen sah lächelte er, doch bevor er antworten konnte klingelte das Telefon im Laden. „Ein Moment, bitte!“, sagte die Frau mit einem Lächeln und sie verschwand wieder im Hinterzimmer. Als sie nach ein paar Sekunden wieder zurückkam, wirkte sie ein wenig aufgewühlt. Matt bemerkte dies sofort.

„Alles in Ordnung?“, fragte er die Dame, doch diese rang schon mit den Tränen. „Das war gerade ein Anruf aus dem Krankenhaus. Der Zustand meiner Enkelin hat sich verschlechtert.“ Betroffen stutzte Matt für eine Sekunde. „Oh, das tut mir leid. Wie alt ist sie denn und was hat sie denn wenn ich fragen darf?“ Die Floristin setzte sich auf den Stuhl hinter der Theke und sprach weinend: „Sie ist erst 6 Jahre alt und sie hat Krebs.“ Betroffen von dieser Aussage lehnte sich Matthew zu ihr. „Das tut mir wirklich sehr leid!“, sprach er. „Aber ich weiß wie das ist!“, fuhr er fort.

Wieder kramte er das Foto aus dem

Portemonnaie hervor. Diesmal deutete er auf das kleine Mädchen, welches vor ihm und seiner Frau darauf zu sehen war. „Das ist Julie. Meine Tochter. Auf dem Foto war sie im Alter ihrer Enkelin und hatte ebenfalls Krebs.“ Traurig sah ihn die Floristin an und griff seine Hand. „Meine Enkelin braucht eine Knochenmarkspende und wenn möglich bald ein Spenderorgan. Wie war es bei ihrer Tochter?“, fragte sie ihn leise. Matt hielt ihre Hand fest. „Auch so. Wir hatten schon fast keine Hoffnung mehr. Doch dann fand sich endlich ein Spender.“, lächelte ihr Matt aufmunternd zu. „Geben Sie die Hoffnung nicht auf!“, fuhr er fort und die Dame beruhigte sich

ein wenig. Bevor sie noch etwas sagen konnte, legte er den Betrag für die Blumen auf den Tresen und nahm sie an sich. „Seien Sie einfach für ihre Enkelin da. Manchmal bewirkt die Liebe, die man einem kranken Menschen gibt, Wunder.“ Mit diesen Worten verließ er den Laden und stapfte zurück zu seinem Wagen.

Schnell fuhr er zurück auf den Highway und weiter seinem Ziel entgegen. Nachdem er zwei Drittel der Strecke hinter sich hatte, sah er jedoch ein älteres Pärchen am Straßenrand mit einer Autopanne. Ohne zu zögern hielt er an um zu

helfen.

“Wie ich sehe, haben Sie ein Problem! Kann ich Ihnen helfen?“, rief er dem Paar zu als er näher kam. Der Mann drehte sich zu ihm und bemerkte erst jetzt dass Jemand stehen blieb. „Oh danke. Das ist sehr freundlich. Sowas erlebt man nicht mehr so häufig.“, antwortete er Matt. „Ich helfe gerne, wenn ich es kann!“, fügte Matt schnell hinzu. „Heutzutage denken die Menschen eher nur an sich. Sehr löblich von Ihnen.“ Scheinbar hatte das Paar nur einen platten Reifen, sodass Matt sofort anpacken wollte. „Haben Sie einen Wagenheber?“, fragte er, doch der Mann

schüttelte nur den Kopf. „Setzen Sie sich einfach in den Wagen. Ich hole meinen und mache das schon!“, entgegnete ihnen Matt freundlich.

Während er dann am Reifen arbeitete, kurbelte der ältere Mann das Fenster herunter. „Danke nochmals, dass sie uns helfen!“, sprach er mit wirklich dankbarer Stimme. „Kein Problem. Ich war gerade auf dem Weg zu meiner Familie und stellte mir vor wie es wäre wenn ich in der Situation wäre.“, antwortete er dem alten Mann. „Wir sind ebenfalls auf dem Weg zu unserer Tochter und ihrem Mann. Aber glauben Sie mir, es wäre nicht so schlimm wenn

wir bei den beiden nicht ankommen würden. Ich glaube wir sind bei dem Mann meiner Tochter eh nicht willkommen.“ Überrascht sah Matt den Mann an. „Wie kommen Sie darauf?“, fragte er ihn neugierig.

“Nun ja, ich denke dass er uns missversteht. Ich glaube er denkt, dass wir dagegen wären dass er unsere Tochter geheiratet hat. Aber so ist es nicht.“ Fragend sieht er den älteren Mann an. „Und wieso denken Sie, dass er es dann glauben könnte?“ Der ältere Mann stutzte einen Augenblick und antwortete dann zögerlich. „Sie müssen wissen, dass unsere Tochter einem

anderen Mann versprochen war. Einem wohlhabenden, reichen Mann. Und er hätte ihr einfach mehr bieten können. Den Luxus den sie verdient.“ Überrascht hielt Matt inne. Dann griff er zu seinem Portemonnaie und reichte dem Mann das Foto daraus.

“Links neben mir stehen meine Schwiegereltern und rechts neben meiner Frau stehen meine Eltern neben ihr.“, sprach Matt während er sich weiter am Reifen zu schaffen machte. „Wie Sie sehen können, hat meine Frau eine andere Hautfarbe als ich.“, fuhr er fort. „Als mein Schwiegervater mich zum erstenmal sah, war er enttäuscht. Man

konnte es förmlich von seinen Augen ablesen, dass er sich einen gleichfarbigen Schwiegersohn gewünscht hatte.“, fuhr Matt vor. „Anfangs nutzte er jede Gelegenheit um es mich spüren zu lassen. Doch als er mit der Zeit feststellte, dass ich alles für meine Frau tun würde, erkannte er dass ich wohl doch der Richtige bin.“ Der ältere Mann nickte. „Aber ihre Frau war nicht einem anderen wohlhabenderen Mann versprochen, oder?“

Matt keuchte beim Montieren des neuen Reifens. „Nein Sir!“, sprach er. „Aber die Familie meiner Frau ist sehr wohlhabend. Und ich komme aus einer

recht ärmlichen Familie. Sie können sich also vorstellen wie es für meinen Schwiegervater anfänglich gewesen sein muss und welche Gedanken er wohl hatte.“ Schweigend aber scheinbar verstehend sah ihn der ältere Mann an. „Wissen Sie aber was das Schönste war was mir mein Schwiegervater sagte nachdem er erkannte dass ich scheinbar doch der Richtige für meine Frau bin?“ Es folgte nur ein schweigendes Kopfschütteln. „Er sagte mir, dass er erkannt hat, dass ich der einzige und wahre Luxus bin den meine Frau verdient habe.“, stieß er keuchend aus als er sich aufrappelte weil er mit dem Montieren fertig war. „Vielleicht ist ihr

Schwiegersohn ja genauso, ohne dass sie es bisher wirklich erkannt haben.“, sprach er als er das Foto wieder an sich nahm.

Zögerlich nickte der Mann. „Vielleicht haben Sie Recht. Schließlich wollen wir ja nur, dass unsere Tochter glücklich ist.“ Grinsend klopfte Matt aufs Dach. „Sehen Sie!“, sprach er. „Nun können Sie zu ihr und ihrem Mann fahren. Ich bin fertig und werde meinen Weg nun ebenfalls weiter fortsetzen.“ Langsam schritt er mit dem Wagenheber daraufhin auf seinen Wagen zu und stieg ein.

Das letzte Stück der Route hatte er

schnell hinter sich gebracht und bald schon erreichte er die ihm bekannte Einfahrt. Mit einem leichten Lächeln bog er ein und parkte seinen Wagen. „Endlich da.“, stieß er leise aus und stieg aus seinem Wagen. Der Wind peitschte ihm erneut entgegen, doch das hielt ihn jetzt nicht mehr auf. Einige wenige Meter noch und er würde bei seiner Familie sein.

Als er endlich ankam, hielt er einen Moment inne. Er zog noch einmal das Foto aus seinem Portemonnaie und sah es sich an. „Ich bin da, ihr Lieben!“, sprach er während ihm eine Träne über das Gesicht lief. „Ich habe heute

Menschen getroffen die fast vergessen haben für wen sie wirklich leben. Menschen, die Ihre Liebsten fast verdrängen oder im Begriff sind sie zu verlieren.“ Er schritt noch etwas näher mit dem Blick weiterhin auf dem Foto. „Dabei müssen sie einfach nur den Moment nutzen und für sie da sein.“ Dann legte er das Foto langsam ab. Mitten auf ein Familiengrab vor dem er nun niederkniete.

“Manchmal vergisst man was wirklich wichtig ist im Leben. Man hetzt Terminen hinterher, tut alles für den Job, aber man vergisst die Menschen die einem erst wirklich das Gefühl geben

dass man lebt. Ich werde euch nie vergessen!“, sprach er leise.

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punkpoet
Ich bin nur ein Mensch wie jeder Andere auch.

Macken und Fehler gehören ebenso zu mir wie meine Qualitäten, aber ich werde euch weder mit dem Einen noch mit dem Anderen in den Ohren liegen bzw. eure Augen dazu nötigen darüber etwas zu lesen. Man kann mich kennenlernen, aber auch hierzu werde ich euch nicht auffordern. Ihr sollt es schließlich nicht tun weil ich euch darum bitte, sondern weil ihr selbst empfindet dass ihr das tun wollt.

Mensch sein! Das ist es was wir alle tun. Doch dabei befassen wir uns nicht damit was es wirklich bedeutet. Wir verlieren den Fokus weil die Welt immer schnelllebiger wird und lassen viele Dinge ausser Acht. Sonnen- wie auch Schattenseiten durchleben wir gleichermaßen beiläufig. Und das lässt unsere wahre Menschlichkeit immer mehr in den Hintergrund rücken. Ich schreibe das hier nicht um zu belehren, sondern weil ich genauso wie ihr dieses Leben lebe.

Ich versuche daher das Leben einzufangen. Mit Worten. Verpackt in verschiedenste Emotionen. Nicht nur die schönen Seiten des Lebens, welche unsere Sinne sanft umspielen können und die Seele streicheln, sondern ebenso die bitteren Seiten, welche wie ein Schlag in die Magengrube wirken können.

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