Vorbemerkung
2013 war ein Jahr vieler wissenschaftlicher Durchbrüche. Eines aber machte richtig Schlagzeilen.
Hurra, das Higgs-Teilchen ist nun nachgewiesen worden. Das war eines der Ziele des Teilchenbeschleunigers LHC des europäischen Kernforchungszentrum CERN in der Nähe von Genf.
Alle klatschen, aber niemand weiß so recht warum das so toll ist.
Ich versuche buchstäblich ein wenig Licht in die Sache zu bringen, damit auch der absolute Laie etwas davon hat. Leider bin ich dabei zu einigen Ungenauigkeiten gezwungen. Sie ergeben sich deswegen, weil
ansonsten die Erklärung der genauen Formulierung ausufern würde und dadurch der Überblick verloren ginge.
Ich hoffe, dass mein Versuch nicht absolut verrissen wird und bitte daher um Nachsicht.
Copyright: G.v.Tetzeli
Cover: myStorys
Kurz zur Erklärung:
LHC = large hardron collider
= großer Hadronen-Speicherring
CERN = Conseil Européen pour la Recherche Nucléaire
HADRONEN = es gibt 2 Typen, je nach Spin.
Ganzzahliger Spin = Meson = Boson =1 Quark + Antiquark – z.B. P-Meson
Halbzahliger Spin = Baryon =Fermion = 3 Quark – z.B.Proton und Neutron
Also die größte Maschine der Menschheit, die sich um Grundlagenforschung bemüht, hat also das Higgs-Teilchen nachgewiesen.
Ich fange mal mit dem LHC selbst an.
Der Ringbeschleuniger hat einen Innenumfang von rund 27 Kilometer und ist unterirdisch angelegt, um störende Einflüsse zu vermeiden. In der Röhre werden Teilchen beschleunigt und durch den Ring gejagt. Dies immer wieder im Kreis, bis annähernd Lichtgeschwindigkeit erreicht wird. Gleichzeitig wird in gegenläufiger Richtung im zweiten Ringkanal ebenfalls die Teilchen entsprechend beschleunigt. Damit die Teilchen auch schön - ohne anzuecken - dem Ring folgen, werden sie in einem Magnetfeld
gehalten. Dies Magnetfeld beschleunigt sie auch. Im Gegensatz zum LEP braucht man dazu zwei verschiedene ringförmige Magnetfelder um das Stahlrohr herum Das eine dringt von oben nach unten und das andere Ringfeld entgegen gesetzt. Damit sie ihre Supraleitfähigkeit entwickeln müssen sie herunter gekühlt werden. Nach dem Stromverbrauch für dieser Supraleitenden Magneten dürfen sie nicht fragen.
(Stromverbrauch LHC ca. 1000 Gigawattstunden, was rund einem Zehntel des Energieverbrauchs des Kanton Genf mit 450000 Einwohnern entspricht)
Diese beiden Kanäle in der Ringröhre müssen zudem absolutes Vakuum enthalten, deshalb werden noch 178
Turbomolekularpumpen und 780 Ionengetterpumpen entlang des Rings eingesetzt.
Die Sache ist also aufwendig.
Ist die Höchstgeschwindigkeit der Teilchen erreicht, lenkt man sie auf einen Punkt, wo sie aufeinander prallen. Anhand der enormen Aufprallenergie entstehen neue Teilchen. Durch Einstein wissen wir, dass Energie und Masse praktisch Dasselbe in verschiedenen Aggregatzuständen ist.
Bei einem solchen Aufprall soll nun das Higgs-Teilchen, auch Higgs Boson genannt, nachweisbar erschienen sein.
Warum ist das so wichtig?
Es geht natürlich um die Anfänge des
Universums und warum unser Weltall so ist, wie es ist.
Dazu hat man das sogenannte Standardmodell entwickelt. Aus diesem ergeben sich die Quarks (Grundbausteine), die Leptonen (das bekannteste = das Elektron), die sogenannten Eichbosonen und eben das Higgs Feld.
Die Eichbosonen sind die Vermittler der Wechselwirkung der Teilchen zueinander.
Deshalb gibt es auch verschiedene Eichbosonen.
Die Gluonen bewirken das extreme aneinander Kleben der Quarks. Je mehr sich ein Quark vom anderen entfernt, desto stärker die Anziehungskraft. Man nennt diese
Beziehung deshalb die starke Wechselwirkung der Kernkraft. Und weil es verschiedene Quarks gibt, bzw. verschiedene Quarkskombinationen, gibt es auch verschiedene Gluonen (8).
Die Quarks pappen also durch die verschiedenen Gluonen, eben durch bestimmte Eichbosonen zusammen.
Man könnte sich das praktisch als Austausch zueinander verstehen. Besser aber ausgedrückt ist es eine Art Kraftfeld. Deshalb spricht man auch von Feldquanten.
Die Eichbosonen haben aber noch einen besonderen Vertreter, nämlich das Photon. Die Wechselwirkung des Photon deckt die Wirkung der elektromagnetischen Kraft ab.
Wenn es eine starke Kernkraft gibt, dann gibt es auch eine schwache. Die Eichbosonen, die für diese schwache Kernkraft zuständig sind, nennen sich W plus, W minus und
Z Null - Boson. Sie haben Einfluss auf die Quarks und die Leptonen.
Es wird nun etwas verwirrend. Die Leptonen sind nämlich das Elektron, das auch von der Gluonenfeldwirkung versorgt wird, das Myon und das Tauon. Dazu gehören auch die jeweiligen Neutrinoarten (Tauon-Neutrino, Elektron-Neutrino, Myon-Neutrino.
[Es stimmt nicht haargenau, weil die Eichbosonen praktisch übergreifend wirken.Zudem wirken Quarks und deren Gluonen sowieso praktisch überall]
Das ganze nennt sich dann Eichtheorie.
Kurz und gut, wenn dieses Modell bestand haben soll, es aber zum Beispiel kein W plus Boson gibt, dann bricht die ganze, schöne, komplizierte Rechnung und die schöne Aufteilung zusammen. Alles falsch!
Also war man auf der Suche nach diesen Bosonen.
Die W plus, W minus und z Null Bosonen haben aber leider zwei Eigenschaften, die ihre Entdeckung erschweren. Sie sind extrem kurzlebig und sie entstehen erst bei enormen Energiemengen, um sie überhaupt zu entdecken.
Erst spät konnte man diese drei
Bosonen-Teilchen nachweisen (1983), bis man eine derart extreme Energie – Aufprall – Leistung herstellen konnte.
Alles Paletti! Man musste nichts in die Tonne klopfen. Es gab diese Bosonen wirklich.
Schon 1960 nahm ein britischer Physiker die Kreide zur Hand und kritzelte die Tafeln voll. Seine Rechnung ergab folgendes. Dass diese Grundteilchen der Physik noch eine fehlende Masse von ca. 1% bekommen, das muss auch auf einem Energiefeld beruhen, einem Austauschteilchen. ein Teilchen, das auf die Masse wechselwirkt und damit einen Einfluss auf beide Kräfte haben muss, nämlich der elektromagnetischen und der schwachen Kernkraft. Der Physiker hieß Peter Higgs.
Leider rechneten alle Koryphäen der Welt ebenfalls hin und her, um dies zu widerlegen. Wieso denn noch ein weiteres Austauschteilchen?
Es gab nichts daran zu deuteln. Es musste das Higgs -Teilchen, das Higgs -Feld geben.
Eine nicht nur rechnerische Verbindung dieser beiden Urkräfte. Es würde außerdem endlich entgültig einen Zusammenhang der verschiedenen Kernkräfte beweisen.
Und weil alle so viel rechneten, kamen sie auf weitere Lösungen. Es entstanden die String –Theorien. Praktisch soll dieses materieerzeugende Wechselwirkungsfeld eigentlich aus mini-mini String bestehen, Schnürchen. Nach verschiedenen
Rechenergebnissen und theoretischen Feinheiten unterscheiden sich diese Strings. Sie wären ringförmig, praktisch aufgerollt, oder in sich verzwirbelt. Das führte zu den weiterreichenden String –Theorien.
Diese Strings würden vibrieren und so ein Energiefeld "mitteilen".
[ Rechnerisch hat dies zur Folge, dass man von weiteren Dimensionen spricht. Je nach Ansatz ergeben sich bis zu 32 weitere Dimensionen, nämlich dann, wemm man diese Strings aufzwirbeln könnte.]
Dass dieses Higg-Boson praktisch allein für das Erzeugen der Materie verantwortlich sei, das erwies sich als falsch. Das hat mit
Symetrie und Supersymetrie zu tun, auf die ich aber hier bewusst nicht weiter eingehe.Trotzdem wird vereinfacht vielerorts das Higg-Feld als Materieerzeuger dargestellt. Das Higgs-Feld selbst ist aber unveränderlich, lediglich der "Überträger", das Higgs-Boson teilt Massenverteilungen mit, so wie sie sind. Deshalb zerfällte es ja vom Energieüberträger zu sehr schweren Teilchen.
Nützt alles nichts, ohne das Higgs –Boson, wie es auch immer es geartet sein mag, da war alles für die Katz.Auch sämtliche weiteren String-Theorien würden kippen.
Mathematisch müsste das Higgs-Boson bei einer Energiemenge von ca. 125 GeV für
einen Bruchteil in Erscheinung treten.
Und zwar genau in diesem energetischen Bereich, ansonsten stimmen die Theorien irgendwo nicht.
Das Higg-Boson hat leider die Eigenschaft erst bei dieser ultrahohen Energiemenge aufzutreten, dafür aber noch viel schneller in ein Masseteilchen zu zerfallen. Das macht die Sache so schwierig.
Um was für winzige Zeiteinheiten es sich handelt, mag die Mathematiker unter den Lesern interessieren. Es bleiben nur ca. 10 hoch minus 22! Sekunden Lebenszeit für das Higgs-Boson, dann zerfällt es und wandelt sich in sehr massereiche Teilchen um.
Ausgeschrieben:
0,00000000000000000000001 Sekunden.
Und nun zur Energie, die man benötigt:
Ev, also Elektronenvolt ist die Energiemenge, welche ein Elektron an kinetischer Energie aufnimmt, wenn 1 Volt Spannung angelegt wird.
Ein typisches Molekül in der Atmosphäre hat eine Bewegungsenergie von 0,003 eV.
Die Photonen im sichtbaren Licht der Farbe rot haben 2eV.
Wohlgemerkt, zwei einzelne Teilchen müssen mit 125 GeV aufeinander prallen, also 1,25 Milliarden eV!
Im Ring des LHC befinden sich ca.1,15 × 1011 Protonen pro Puls, im gesamten Ring
des LHC befinden sich bis zu 2808 Pulse.
Im April 2012 lieferte das LHC einen neuen Weltrekord mit einer Teilchenstrahlenenergie von 8 TeV (8 Billionen eV),die aufeinander aufeinandergeprallten.
Aber bei nur einer von etwa hundert Milliarden Kollisionen, die innerhalb einer Minute stattfinden, entsteht bei viel Glück ein einziges Higgs-Teilchen.
Oder ein anderer Vergleich. Die Datenmenge des LHC in einem Jahr entspricht 600 Millionen Jahre Musik. Davon sind Daten, die Higgs Teilchen liefern könnten gerade mal 2 Minuten Musik.
2013 scheint es so zu sein:
Das Standardmodell und die darauf
aufbauenden Theorien sind so falsch nicht.
Wir sind auf dem richtigen Weg.
Auch das Higgs Teilchen gibt es!
Der Nachweis ist schwierig, vor allem, weil man ähnliche Zerfallsprozesse und Fehlerquoten herausrechnen muss. Zudem gibt es eine Vorgabe, mit welcher rechnerischen Sicherheit der Beweis erfolgen muss (1:1,7 Millionen). Das ist anscheinend der Fall. Man hat das Higgs-Teilchen nun endlich nachgewiesen.
Bei all diesen Erfolgen darf man nicht vergessen, was der Wissenschaft noch bevor steht.
Ausgerechnet die blöde Schwerkraft, die in
unserem sichtbaren Universum, also dem Makrokosmos, so stark in Erscheinung tritt, lässt sich so wenig im Mikrokosmos unterbringen. Da glüht die Kreide, aber die Rechnungen wollen einfach nicht aufgehen. Dabei müsste auch diese Kraft dazu gehören, weil alles aus einer einzigen Kraft entstanden sein müsste.
Dammich!
Und dann noch die völlig rätselhafte, sogenannte dunkle Materie, die wir nicht erklären können. Sie spielt ebenfalls in unserem Weltall eine tragende Rolle, wenn wir auch nicht wissen, aus was sie eigentlich bestehen soll.
Und schließlich, noch furchtbarer, muss es
eine dunkle Energie geben. Ein Kraftfeld, das es zusätzlich zur Schwerkraft gibt und welches der Schwerkraft entgegen wirkt?
Wie kann man dem auf die Schliche kommen? Vielleicht im Microkosmos?
Auch hier hilft der Teilchenbeschleuniger LHC.
Wenn nun extrem seltene Zerfallerscheinungen, wie die des Bs-Teilchens in zwei Myonen (Wahrscheinlichkeit: 1 Milliarde zu ca.12), seltener, oder öfters vorkommen, als vorhergesagt, würde das Ansätze für eine neue Physik eröffnen. Leider scheint sich auch dieser seltene Zerfall an die Regeln der Standardvoraussage zu halten.
Es liegt, wie schon die griffigen
Namensgebungen verraten, ziemlich viel noch im Dunkeln.