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Kohlsuppe und Wasser - Ein altes Märchen, neu aufbereitet

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"Kohlsuppe und Wasser - Ein altes Märchen, neu aufbereitet"
Veröffentlicht am 01. September 2008, 10 Seiten
Kategorie Sonstiges
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Kohlsuppe und Wasser - Ein altes Märchen, neu aufbereitet

Kohlsuppe und Wasser - Ein altes Märchen, neu aufbereitet

Beschreibung

Es ändern sich die Zeiten, die Menschen und auch unsere alten Märchenfiguren legen heute ein ganz anderes Verhalten an den Tag, als in der Vergangenheit...

 

Auf einem kleinen Hügel, dicht am Waldrand, steht ein nettes, kleines Gasthaus. Im Sommer kommen viele Gäste hierher, vor allem Wanderer, die im nahen Wald Erholung suchen., kehren gern zu einem Imbiss ein. Auch Jäger halten ab und zu beim Wirt eine kleine Feier ab, doch jetzt mitten im Winter, ist es meist ruhig in der gemütlich eingerichteten Gaststube. Niemand hat bei so einer grimmigen Kälte wirklich Lust auf einen Waldspaziergang, dabei würde der Wirt so gerne wieder Geld in der Kasse klingeln hören.

Eines Mittags steht doch ein Gast vor der Tür – ein hungriger alter Wolf. Er ist spindeldürr und hat ein völlig zerzaustes Fell. In der Hoffnung auf guten Verdienst bittet ihn der Wirt freundlich ins Haus und bringt sofort die Speisekarte. Der Wolf setzt sich in die hinterste Ecke der Gaststube und studiert lange und eingehend die leckeren Angebote. Ab und zu fährt er sich mit der Zunge über die Lippen und seine Augen beginnen zu leuchten, doch seine Bestellung fällt eher mager aus – einen Teller Kohlsuppe und ein Glas Wasser. Flink bringt der Wirt das Gewünschte, nicht ohne vorher auf seinen vorzüglichen Hasenbraten zu verweisen, doch der Gast winkt nur müde ab.

Am nächsten Tag das gleiche Bild. Der Wolf studiert die Speisekarte, bestellt wieder Kohlsuppe mit Wasser, isst hastig, bezahlt und geht wieder.

Wird sich wohl irgendwo den Magen verdorben haben, der arme Kerl, denkt sich der Wirt voll Mitleid. Man liest ja jetzt überall von verdorbenen Lebensmitteln.

Als der Wolf am dritten Tag wieder nur Kohlsuppe mit Wasser bestellt, beschließt der Wirt seinen sonderbaren Gast nach dem Grund seines ungewöhnlichen Verhaltens zu fragen:

„Meister Isegrim, darf ich fragen, ob die Kohlsuppe in Ordnung war?“ beginnt er vorsichtig das Gespräch.

„Natürlich, sonst würde ich ja nicht jeden Tag wiederkommen!“

„Ich bereite Ihnen aber gerne auch andere wohlschmeckende Gerichte zu. Schweinebraten zum Beispiel, auch mein vorzügliches Hirschragout ist weit und breit bekannt. Sollte es am Preis liegen, könnte ich ihnen als Stammgast vielleicht noch etwas entgegen kommen.“

„Ist schon in Ordnung, guter Mann. Ich merke, du machst dir Gedanken über meinen sonderbaren Geschmack. Kann ich ja verstehen – ein Wolf, der sich nur von Kohlsuppe ernährt, ist nicht alltäglich. Doch glaube mir, das war nicht immer so. Kannst du schweigen? Denn was ich dir jetzt erzählen will, ist nicht für jedermanns Ohren bestimmt. Allzu leicht ist man nämlich heutzutage dem Spott der Menschen ausgesetzt.“

„Bei mir ist dein Geheimnis gut aufgehoben. Ich kann schweigen wie ein Grab,“ beteuert der Wirt.

„Gut, dann hör mir zu,“ beginnt der Wolf seine Geschichte. „Bis vor ungefähr einem Jahr war auch ich ein blutrünstiger, böser Räuber. Nichts und niemand war vor mir sicher, kein Hase, kein Reh, ja nicht einmal vor Menschen schreckte ich zurück, denn ich hatte immer unbändigen Hunger. Ich war gefürchtet im ganzen Land und jede Mutter warnte ihre Kinder vor mir. Eines Tages kam ich zu einer Ziegenfamilie, einer Mutter mit sieben Kindern. Tagelang habe ich das Haus beobachtet und als die Ziegenmutter einmal in den Wald ging, um Essen zu besorgen, wollte ich ins Haus und mir ein kleines Zicklein holen. Zuerst hatte ich keine Chance, sie hörten meine raue Stimme und sahen meine schwarzen Tatzen, keines machte mir auf. Doch ich ließ mich nicht gleich entmutigen, sondern trank ein Glas mit Honigmilch und schon hatte ich eine sanfte, weiche Stimme. Meine schwarzen Tatzen steckte ich in einen Sack mit Mehl und sie wurden weiß wie Schnee. Ich kam mir richtig komisch vor, aber was tut man nicht alles für junges Ziegenfleisch. So verwandelt schlich ich mich wieder zu den Zicklein, und diesmal öffneten sie die Tür, weil sie glaubten ihre liebe Mutter wäre wieder zurück gekommen. Mit schrecklichem Gebrüll stürzte ich ins Haus, sodass allen Hören und Sehen verging. Sie stoben wild durcheinander und wollten sich im Kasten oder unter dem Tisch verstecken. Gott sei Dank waren sie viel zu langsam. Ich bekam immer mehr Appetit und verschlang eines nach dem anderen, waren wirklich wohlschmeckende, kleine Fratzen. Leider habe ich nicht genau mitgezählt und das war mein Fehler. Das siebente Zicklein nämlich, das jüngste hatte sich im Uhrkasten versteckt und gerade dort habe ich nicht nachgesehen. Als die Ziegenmutter nachhause kam,  hat mich das Kleine sofort vertratscht. Na, die alte Ziege war vielleicht wütend. Als sie mich unter einem Baum schlafend fand, schnitt sie mir mit ihrer Schneiderschere sofort den Bauch auf und holte ihre Kinder heraus. Damit ich beim Erwachen nichts merken sollte, füllte sie mir dann den Bauch mit großen Steinen. Durstig geworden, rannte ich zum Brunnen, um zu trinken. Da begannen die Steine in meinem Bauch zu rumpeln und ich fiel kopfüber in den Brunnen. Wahrscheinlich wäre ich jämmerlich ertrunken, wären da nicht die Leute vom Naturschutzverein gewesen, sie haben mich wieder herausgeholt. Ich stehe nämlich auf der Liste der schutzbedürftigen Tiere – unsere Art ist vom Aussterben bedroht.

Dann folgte eine schwere Zeit für mich. Monatelang lag ich im Krankenhaus, denn die tiefen Wunden verheilten recht langsam. Anschließend kam ich in eine Entwöhnungsanstalt, dort wurde ich behutsam auf fleischlose Kost umgestellt. Das war wirklich nicht einfach für mich, doch  jetzt bin ich über dem Berg. Aber ich muss zugeben, wenn ich deine Speisekarte studiere, bei Hasenbraten läuft mir noch immer das Wasser im Mund zusammen. Sollte ich aber rückfällig werden und Fleisch verzehren, wartet eine lebenslange Gefängnisstrafe auf mich, dafür hat die alte Ziege gesorgt.

Also, du siehst, ich habe keine andere Wahl – Kohlsuppe und wieder Kohlsuppe. Deine schmeckt übrigens vorzüglich.“

„Danke, dein Lob ehrt mich. Du hast wahrlich ein schweres Los zu tragen. Manchen trifft es wirklich hart. Das Leben kann oft recht grausam sein.“

Das Schicksal des armen Wolfes berührt den Wirt tief und er beschließt fortan seine Kohlsuppe noch mit einigen Möhren zu verfeinern.
 

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ulla

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ulla Re: Würde Dir gerne nochmals -
Zitat: (Original von baesta am 12.02.2013 - 22:09 Uhr) 5 Sterne geben und habe die nette Mär gerne nochmals gelesen.

Liebe Grüße
Bärbel


Danke Bärbel,
war nett, dass du wieder da warst
glg
ulla
Vor langer Zeit - Antworten
baesta Würde Dir gerne nochmals - 5 Sterne geben und habe die nette Mär gerne nochmals gelesen.

Liebe Grüße
Bärbel
Vor langer Zeit - Antworten
ulla Re: -
Zitat: (Original von mukk am 04.02.2013 - 11:49 Uhr) Freue mich, diese Supergeschichte wieder gelesen zu haben. hat mir damals schon riesig gefallen! Dabei wurden schöne Erinnerungen wach .... danke für beides.
liebe Grüße
Ingrid


Freue mich, liebe Ingrid, dass ich Erinnerungen wachrufen konnte, so etwas ist immer wieder schön
Danke für deinen Besuch und besonders liebe Grüße in die grüne Mark?
ulla
Vor langer Zeit - Antworten
ulla Re: Mir tut der Wolf eigentlich auch leid -
Zitat: (Original von FLEURdelaCOEUR am 03.02.2013 - 17:52 Uhr) Er kann doch nichts dafür, dass er
als Raubtier auf die Welt gekommen ist ....

Wie wär's übrigens mal zur Abwechslung mit Pilzsuppe,
Bratkartoffeln mit Zwiebeln oder Omelette mit Pilzen?
Eine begrenzte Zeit könnte ich schon mal vegetarisch essen, aber nicht vegan.

Jedenfalls sehr schön geschriebn, Ulla, wie immer.
GlG fleur


Pilze...oh doch, nein...
erstens mischt sich da allzu leicht ein giftiger unter und
zweitens gelten sie noch immer als verstrahlt (Tschernobyl...)
heutzutage kann man nie vorsichtig genug sein, überhaupt als Wolf
grinst
ulla
Vor langer Zeit - Antworten
mukk Freue mich, diese Supergeschichte wieder gelesen zu haben. hat mir damals schon riesig gefallen! Dabei wurden schöne Erinnerungen wach .... danke für beides.
liebe Grüße
Ingrid
Vor langer Zeit - Antworten
FLEURdelaCOEUR Mir tut der Wolf eigentlich auch leid - Er kann doch nichts dafür, dass er
als Raubtier auf die Welt gekommen ist ....

Wie wär's übrigens mal zur Abwechslung mit Pilzsuppe,
Bratkartoffeln mit Zwiebeln oder Omelette mit Pilzen?
Eine begrenzte Zeit könnte ich schon mal vegetarisch essen, aber nicht vegan.

Jedenfalls sehr schön geschriebn, Ulla, wie immer.
GlG fleur
Vor langer Zeit - Antworten
UteSchuster Re: Re: Also wenn jeder Wirt so gefühlvoll auf seine Gäste -
Zitat: (Original von ulla am 24.05.2010 - 08:23 Uhr)
Zitat: (Original von timeless am 23.05.2010 - 16:58 Uhr) eingehen würde und auch so einfühlsam beobachten würde, wir wären im Paradies.
Mir tut der liebe Wolf aber doch ein bisschen leid, denn er ist ja nunmal kein Vegetarier.
Bewundern tue ich ihn aber schon sehr, denn wie oft nehme ich mir vor, vegetarisch zu leben und pack es nicht.
Ich werde mir das Wölfchen zum Vorbild nehmen.

Liebe Grüße und einen schönen Pfingssonntag

deine Ute


Danke Ute,
du hast Recht, solche Wirte gibt es eben nur im Märchen, ich kenne auch andere, lach...
Vegetarier, nee das wäre auch nichts für mich, eher mache ich eine Schlagsahnediät...
noch einen schönen Pfingstmontag
lg
ulla



Gerade mit der Schlagsahne Diät, selbstgemachtes Eis, Sahne, Bananen, Honig, habe ich gestern begonnen ;-) musste leider wieder abbrechen, weil ich vor Magenschmerzen nicht mehr gehen konnte. Naja so schlau sollte Frau sein, wenn sie Milchprodukte meiden soll.
War jetzt nicht wirklich meine Diät :-)

LG Ute
Vor langer Zeit - Antworten
baesta Re: Re: Wow, wieder eine Fortsetzung Grimmscher Märchen -
Zitat: (Original von ulla am 24.05.2010 - 08:20 Uhr)
Zitat: (Original von baesta am 23.05.2010 - 12:50 Uhr) und lustig erzählt. Da hat der Wolf ja wenigstens kein tragisches Ende gefunden.
5 Sterne von mir
LG Bärbel


Ja Wölfe stehen doch unter Artenschutz, auch Jäger brauchen schließlich Konkurrenz,sie knallen uns ja sonst alles ab
danke fürs Kommentieren
liebe Feiertagsgrüße
ulla
ulla


Ja leider Artenschutz steht halt nur auf dem Papier und ist wohl so viel wert, wie dieses Papier, auf dem das geschrieben steht. Der Mensch ist doch das grausamste Raubtier.
LG Bärbel
Vor langer Zeit - Antworten
Windflieger Re: Re: Klasse! -
Zitat: (Original von ulla am 24.05.2010 - 08:17 Uhr)
Zitat: (Original von Windflieger am 23.05.2010 - 11:14 Uhr) Das ist ein richtig tolles Märchen, obschon der Wolf mir schon auch leid tut.
LG Ivonne


Der Wolf tut wohl jedem leid, doch Strafe muss sein, auch im Märchen
danke fürs Vorbeischauen
noch einen schönen Pfingstmontag
ulla

Ja, da hast Du recht, Dir auch noch einen schönen Pfingstmontag, mit viel Sonnenschein.
Ivonne
Vor langer Zeit - Antworten
ulla Re: Also wenn jeder Wirt so gefühlvoll auf seine Gäste -
Zitat: (Original von timeless am 23.05.2010 - 16:58 Uhr) eingehen würde und auch so einfühlsam beobachten würde, wir wären im Paradies.
Mir tut der liebe Wolf aber doch ein bisschen leid, denn er ist ja nunmal kein Vegetarier.
Bewundern tue ich ihn aber schon sehr, denn wie oft nehme ich mir vor, vegetarisch zu leben und pack es nicht.
Ich werde mir das Wölfchen zum Vorbild nehmen.

Liebe Grüße und einen schönen Pfingssonntag

deine Ute


Danke Ute,
du hast Recht, solche Wirte gibt es eben nur im Märchen, ich kenne auch andere, lach...
Vegetarier, nee das wäre auch nichts für mich, eher mache ich eine Schlagsahnediät...
noch einen schönen Pfingstmontag
lg
ulla
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