Kurzgeschichte
Winter in Afrika

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"Winter in Afrika"
Veröffentlicht am 01. Januar 2014, 10 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
© Umschlag Bildmaterial: peshkova - Fotolia.com
http://www.mystorys.de

Über den Autor:

Ich wohne in der Oberlausitz und schreibe gern über meine schöne Heimat, schon seit der ersten Klasse. Ich liebe meine vier Kinder und bin sehr stolz auf sie. Nun sind sie in die Welt gezogen von Berlin bis Tokio, also besorgten wir, mein Mann und ich uns zwei neue Babies: Katze Nala und Hund Willy. Jeder von uns hält einen im Arm.
Winter in Afrika

Winter in Afrika

Winter in Afrika

Ich gestehe zu einer etwas ausgefallenen Spezies, abseits der Norm zu gehören.

Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte der Schubs, den unsere schöne blaue Erdekugel einst von einem Meteoriten bekam, einen Deut sanfter ausfallen können. Vielleicht wechselten dann nur Frühling und Sommer in schöner Regelmäßigkeit.

Für mich ist die vierte Jahreszeit mit Eis, Schnee, kurzen Tagen und langen Nächten, mit entlaubten Bäumen und roter Bibbernase trotz mittlerweile 30erlei Glühweinsorten jedes Jahr eine physische und psychische

Herausforderung, auf die ich glatt verzichten könnte.

Auch meinen geliebten Dresdener Stollen würde ich wie unsere brasilianischen Freunde bei 33 Grad im Schatten mit Schlagsahne und mit demselben Genuss verzehren.

Todesmutig sich per Ski von hohen weiß bepulverten Hängen zu stürzen oder im Tiefschnee abseits erlaubter Pisten zu surfen, um sich dann im Halbstundentakt wieder nach ganz oben befördern zu lassen für diese Kamikazemission hege ich nicht unbedingt Sympathien.

Wie gesagt, mein Traum ist und bleibt der Winter unter Palmen.

Die „weiße Lady“ legt im Hafen von Dakar an. Es ist Dezember, tiefster Winter bei uns und Senegals Hauptstadt empfängt den Gast mit einem azurblauen Himmel, den nur das leise um das Kreuzfahrtschiff plätschernde Meer noch um eine Farbnuance nach oben überbietet.

Palmen momentan Fehlanzeige, dafür eine warme Sonne, die den von Herbststürmen gebeutelten Urlaubern die Blässe fortstreichelt.

Unsere Kleinste, gerade 4 Jahre alt, blond mit blauen Augen, wird augenblicklich zum Star bei den am Kreuzfahrtschiff wartenden Afrikanern. Sie wandert von Arm zu Arm, kaum kann

 ich ihr folgen.

Ein alter Herr lädt uns zur Stadtrundfahrt ein. Er spricht ein fehlerfreies Deutsch mit dem Akzent der Küste. Jahrelang schuftete er im Hamburger Hafen als Schauer, krumm sein Rücken, sehnig die Arme, die Augen strahlend beim Erzählen seiner Erlebnisse.

Einladend liebenswürdig lässt er uns teilhaben am Leben seiner Stadt. Die Kinder bekommen täglich einen halben Liter Milch kostenfrei, es besteht Schulpflicht für Mädchen und Jungen gleichermaßen bis zum 16 Lebensjahr, kostenlos, in einem land, in dem die Analphabetenrate gerade der Frauen

derzeit 75 % beträgt. Er ist stolz auf diese Investition in die Zukunft Errungenschaften, die an der Jahrtausendwende in Afrika immer noch eher Ausnahme denn Regel sind.

Am Präsidentenpalast finde ich endlich die Palmen, die Wachen dort finden wiederum unser blondes Kind bestaunenswert und wünschen unbedingt Fotos mit ihm.

Dakar ist eine lebendige Stadt mit Hochhäusern, weißen Bauten aus der Kolonialzeit, viel Verkehr, dann aber auch armseligen Holz- und Papphütten, schmutzig. Das Wasser fehlt, obwohl die Stadt am Meer liegt. Wir wissen,

sauberes Trinkwasser ist vielerorts in Afrika Mangelware.

Hinter uns im Bus sitzen vier Berliner. Als wir durch die Hüttensiedlung fahren, ruft einer: “Da ham se wohl och paar vagessen zu vagasen.“  

Mein Herzschlag setzt für einen Moment aus, ich werde schamrot. Hoffentlich bleiben die Worte im hinteren Teil des Busses verborgen und drangen nicht bis ans Ohr unseres aufmerksamen Reiseführers. „Warum sind Sie mitgefahren?“ frage ich den Rufer. Er versteht meine Frage nicht. Mich fröstelt trotz der wärmenden Sonne Winter in Afrika.

Meine Tochter möchte einem Kind ihre kleine Puppe schenken, einem Mädchen. Wir sehen nur afrikanische Jungen. Ratlos blickt sie zu mir. Wo sind die Mädchen?

Dann, am Eingang einer Kunsthalle, treffen wir ein etwa 10 jähriges Mädchen mit ihrer kleinen Schwester. Das Mädchen ist hübsch. Große dunkle Augen, Rasterzöpfe überall auf dem Kopf geflochten. Unsere Tochter strahlt und das afrikanische Kind lächelt zurück.

Maria reicht ihr die Puppe, die Kinder geben sich die Hand. Plötzlich schauen sich beide zeitgleich die eigenen Hände an. Nanu, da hat ja gar nichts abgefärbt! Wir amüsieren uns köstlich, Kinder sind

überall auf der Welt gleich und einfach das größte Glück. Da hat der Winter keine Chance.

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Hörbuch

Über den Autor

Albatros99
Ich wohne in der Oberlausitz und schreibe gern über meine schöne Heimat, schon seit der ersten Klasse.
Ich liebe meine vier Kinder und bin sehr stolz auf sie.
Nun sind sie in die Welt gezogen von Berlin bis Tokio, also besorgten wir, mein Mann und ich uns zwei neue Babies: Katze Nala und Hund Willy. Jeder von uns hält einen im Arm.

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Moscito Eine schöne Urlaubsfahrt. Solche Zwischenrufer kann sind bei mir auch immer sehr beliebt. Und auch die, die ständig über "Kanacken" reden und abends nichts besseres zu tun haben, als Döner zu essen und den Urlaub in die Türkei buchen ... ohne Worte das Ganze. Schön, dass die Kinder da keine Berührungsängste haben, aber diese werden eh meinst von den Eltern erzeugt, weil ein Kind an sich einfach nur Neugierig auf alles Neue und andere ist.
Danke für diese Geschichte.
LG Silke
PS: Ich mag Winter unter Palmen auch, nur Weihnachten muss ich Schnee und Frost haben und einen richtigen Tannenbaum und keine Weihnachtspalme :D
Vor langer Zeit - Antworten
Albatros99 Schön, dass du da warst. Ja so ist es. es wäre gut, wenn man stets die Welt mit Kinderaugen sehen könnte. Leider geht das nicht immer und Fehler auf beiden Seiten sind vorprogrammiert. Aber das Staunen und die Neugier könnte man sich wirklich bewahren.
Vor langer Zeit - Antworten
Dakota 
jetzt hast du mich wieder mitgenommen,
ganz still hab ich neben dir im Bus gesessen,
deinen Worten gelauscht
und auch mir ist die Schamröte in die Wangen gekrochen ...
wie gut, dass die Worte nicht von anderen gehört wurden
und die Fahrt in Ruhe fortgesetzt werden konnte.
Das Strahlen der drei kleinen Mädchen lassen mich diese grausame Bemerkung vergessen....

DANKE, liebe Christine, für dieses wunderschöne Buch!
Vor langer Zeit - Antworten
Caliope Dank für deine interessanten Reiseeindrücke!
lG
Cali
Vor langer Zeit - Antworten
Albatros99 Oh, du bist schon fleißig am Lesen? ich hole auch gerade die letzten Tage nach. Danke für deinen Kommentar und schöne Grüße nach Hamburg zu dir und meiner Tochter (die meldet sich gar nicht mehr, ist zuuu beschäftigt)
Christine
Vor langer Zeit - Antworten
Caliope Naja,ich lese ja, liebe Christine, gerade im Moment sehr unregelmäßig. Ja, es ist doof wenn sich Kinder nichtmelden, aber ich denke- weiß es aus Erfahrung- dann geht es ihnen meistens gut!!!
lG
Leonie
Vor langer Zeit - Antworten
Tintoletto Eine tolle Geschichte, die ich sehr gerne gelesen habe!
LG Tinto
Vor langer Zeit - Antworten
Albatros99 Daaanke, schön, dass du hier warst. Und dir ganz viel Glück beim Battle.
Liebe Grüße
Christine
Vor langer Zeit - Antworten
KaraList In Deiner warmherzig erzählten Geschichte spürt man nicht nur die Sehnsucht nach der Glut der Tropen, in ihr ist auch das Herz, das für den schwarzen Kontinent schlägt, zu erkennen.
Die Unbefangenheit der Kinder kann viele Brücken bauen ...

Ich mag den Sommer auch, liebe Christine, sehr sogar. Doch glaub´ mir, man kann den Wechsel der Jahreszeiten auch vermissen. :-)

LG
Kara
Vor langer Zeit - Antworten
Albatros99 Ja, du hast Recht, wenn es nach mir ginge, würde ich gern eine Zeit lang in Afrika leben und da etwas Nützliches tun. Leider möchten die anderen (meine Anhänge nicht mit oder jetzt nicht mehr). Das ich den Winter vermissen würde, glaub ich nicht, und den Spätherbst mit seinen Stürmen auch nicht. Das macht mich jedes Jahr so traurig.
Hab ganz herzlichen Dank für deine warmherzigen Worte, Kara.
LG Christine
Vor langer Zeit - Antworten
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