Romane & Erzählungen
Gute Nacht-Geschichten

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"Gute Nacht-Geschichten"
Veröffentlicht am 30. Dezember 2013, 46 Seiten
Kategorie Romane & Erzählungen
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Über den Autor:

Ich schreibe seit meinem 12. Lebensjahr, hauptsächlich Geschichten, Gedichte/Texte und gerne auch Parodien. Da ich selten hier bin und nicht jeden Kommentar beabtworten kann: Vielen Dank an alle Leser und Unterstützer meiner Seite in diesem sehr speziellen Jahr 2020 :) AKTUELLES: Der ZWEITE Teil von meiner Geschichte "Der Sturm" ist erschienen, es ist eine Geschichte über die jetzige Zeit. Neu veröffentlicht habe ich die Geschichte "Der Hund ...
Gute Nacht-Geschichten

Gute Nacht-Geschichten

Ein Angebot mit Folgen

Es war einmal ein König, der lebte in seinem Schloss, welches dringend eine Renovierung nötig hatte, da er nichts unternahm und sein Geld nur für Alkohol und Frauen ausgab. Sein ganzes Personal und die Familie schafften es nicht, ihn zu überzeugen, dass das Schloss renovierungsbedürftig sei. Selbst der Knecht des Königs hatte, wenn auch vergeblich, oft versucht, ihm dies klar zu machen. Und eines Tages beschloss er, noch ein letztes Mal zu probieren, dem König die Augen zu

öffnen. „Herr König, ich muss mit ihnen reden", sagte der einzige Knecht des Königs, welcher nebenbei auch noch die Aufgabe des Hofnarren hatte. „Ach so, du willst mir mal wieder einen Witz erzählen?" „Nein, Herr König, ich wollte sie darauf hinweisen, dass sämtliche Türen und Fenster in ihrem Schloss kaputt sind, und die Wände könnten auch besser aussehen." Der König sagte für einen Moment lang nichts, dann fing er an zu lachen. „Du bist wirklich immer für eine Überraschung gut, kein Wunder, dass ich dich als Hofnarr eingestellt habe, für einen Moment hätte ich wirklich

geglaubt, du meinst es ernst!" Sonst lachte niemand, da jeder wusste, dass das Schloss in einem elendigen Zustand war, nur der König begriff es mal wieder nicht. Solche Augenblicke wie diese waren keine Seltenheit, da der König schlicht und einfach dumm geworden war. Niemand wagte, dies vor ihm zu sagen, aber insgeheim wussten alle, dass ihn seine Verwöhntheit sowie die Lebensweise von ihm ihn immer mehr zu einem verwahrlosten und egoistischen Menschen verkommen ließ. Er dachte immer nur an sich, doch sobald jemand versuchte, ernst mit ihm zu reden, fing er plötzlich an, zu lachen, oder wechselte das Thema. Doch es musste etwas getan

werden, da im obersten Stockwerk sogar Einsturzgefahr bestand, weil die alten Treppen dank dem König seit Jahren nicht repariert worden waren. Eines Tages kam ein alter Herr vorbei, welcher sein Gesicht unter einer dunklen Kapuze verbarg. Er hatte schon sämtliche Schlösser renoviert, selbst die im schrecklichsten Zustand, weshalb er sehr bekannt war. Der Knecht hatte ihm von dem Problem erzählt, und nun wollte er sich selbst ein Bild von der Lage machen. „Wer ist denn das, wenn ich fragen darf?", rief der König mit einem blöden Grinsen, als der Knecht den Gast zu ihm brachte. „Das ist ein Mann, der

ihnen gerne bei der Renovierung ihres Schlosses helfen würde." „Wieso Renovierung?", fragte der König, und der Wichtel verkroch sich in einem anderen Raum des Schlosses, da er nicht miterleben wollte, wie der nächste Versuch, endlich das Schloss zu reparieren, fehlschlug. „Ich brauche mein Geld selbst, das gebe ich nicht für so ein bescheuertes Schloss aus!" „Ich mache ihnen ein Angebot", sagte der alte Mann. „Das wäre?", fragte der König. „Ich renoviere ihr Schloss, damit es wieder sicher ist, als Bezahlung geben sie mir ihren Knecht." Der König überlegte, ob er wirklich seinen wichtigsten Diener hergeben sollte. „Warum nicht?", dachte

er sich dann. Der Knecht war eh nur nervig gewesen, und hatte ständig nur davon geredet, dass er etwas reparieren solle. „Ich nehme ihr Angebot an", sagte der König und der alte Mann war erfreut. Nach Drei Tagen war das Schloss in einem tadellosen Zustand. Sowohl der alte Mann, als auch der König waren erfreut über das Geschäft und tranken zusammen ein Glas Wein im Speisesaal. Doch wenn zwei sich freuen, so ärgert sich der dritte, nämlich der Knecht, aber dieser hatte einen Plan gefasst. Der König war ein undankbarer Mensch, welcher ihm nie zugehört hatte, und nun sollte er einem fremden Mann dienen?

Nein, das wollte er nicht. Es ärgerte ihn, dass der König seine Worte als nervig bezeichnet oder sie ignoriert hatte, obwohl er das selbe gesagt hatte, wie der alte Mann. Somit stand eines fest: Er würde heute nicht gehen. Leise schlich sich der Knecht zu dem Zimmer, wo der König mit dem alten Mann ein Glas Wein nach dem anderen trank. „Wissen sie..", sagte der König. „Ich bin froh, dass sie hier hergekommen sind, dieser Knecht hatte zwar dasselbe gemeint, wie sie, aber er ist nunmal mein Hofnarr, deshalb konnte ihn nicht ernst nehmen. Ich meine, wer glaubt schon einem Hofnarr?!" Der König lachte und

fügte hinzu: „Zum Glück habe ich einen erfahrenen Mann wie sie getroffen, der mich im Gegensatz zu diesem Knecht nicht zum Narren hält!" Sie redeten weiter und der Knecht holte einen Schlüssel hervor, zog die Tür zu und schloss ab. „Hey, was soll das?", rief der alte Mann. „Mach sofort die Tür auf, du dummer Knecht!", schrie der König. Doch es kam keine Antwort. Ein paar Sekunden später trat Rauch unter der Tür hervor. Verzweifelt versuchten die beiden, zu entkommen, doch die Fenster gingen nicht auf, da auch diese seit der Renovierung nur noch mit Schlüsseln vollständig geöffnet werden konnten.

Und so verbrannten der König und der alte Mann, während der Knecht mit dem Geld und den Reichtümern aus der Schatzkammer das Schloss verließ und sich auf den Weg in ein besseres Leben machte.

Das tödliche Fest


Als Johannes, der König aus voriger Erzählung, noch jung war, wuchs er bereits auf jenem Schloss auf, dass irgendwann ihm gehören sollte. Sein Vater Heinrich war zu jenem Zeitpunkt schwer krank, und man dachte über einen Thronfolger nach, wobei neben ihm, dem damals noch nicht zum König ernannten jungen Mann auch noch dessen Bruder Christoff als würdig für diese Position galt, oder besser gesagt: Es stand schon so gut wie fest, dass Christoff der nächste König werden würde. In dieser Zeit, wo sich so vieles entscheiden

sollte, kam es oft zu Streitigkeiten in der Familie. Was am Anfang noch eine kleine Meinungsverschiedenheit war, konnte schnell zu einem heftigeren Konflikt ausarten, da sich die beiden Brüder als Konkurrenten sahen. Eines Tages gab Heinrich ein Festmahl, zum Anlass von Christoff's zwanzigstem Geburtstag. Das Aufgebot an Mühen seitens der Dienerschaft war groß, da diese schon viele Jahre im Dienste der Familie stand, weshalb der Saal auch diesmal wieder prächtig geschmückt worden war und nur die besten Speisen und Getränke auf den Tischen standen. Und obwohl dieses Fest auch dazu dienen

sollte, dass die Familie ihre Streitigkeiten für ein paar Stunden beiseite legte, schien es dennoch so, als würde jeder von ihnen an diesem Abend seine eigenen Pläne verfolgen. Nachdem Heinrich ein paar feierliche Worte gesprochen hatte, wurde das Büffet eröffnet. Die Harmonie schien perfekt, und man konnte sogar schon die ersten Gäste sehen, die scheinbar mehr Wein getrunken hatten, als es ihnen guttat. Auch Christoff war mit dem Abend zufrieden, doch als die anderen für eine Weile wegschauten, schlich er sich aus dem Saal. Leise stieg er die glänzenden Treppen hoch in den ersten Stock und betrat sein Zimmer, welches so edel

wirkte, dass der Ausdruck Zimmer ordinär erschien, da die Einrichtung mehr als nur teuer war. Christoff öffnete die zweite Schublade eines kleinen Schrankes und holte eine ziemlich alt aussehende Flasche hervor, auf dessen Etikett in der fast unlesbaren Schrift des Schlossarztes das Wort „Hustensaft" stand. Dann legte er es zurück und kramte weiter in einer der untersten Schubladen und stieß auf eine kleine Flasche Gift. Er wusste nicht, was es bewirkte, aber der alte Mann, welcher es ihm damals gegeben hatte, meinte, ein Tropfen wäre schon tödlich. Mit der Hoffnung, nie davon Gebrauch machen zu müssen, hatte er sich damals von ihm

verabschiedet, doch der Mann, welcher hier stand, war nicht mehr derselbe Mensch, wie vor ein paar Jahren. Christoff hatte sich verändert und gleichzeitig plante er, alles zu versuchen, um schnellstens Heinrich's Nachfolger zu werden. Um jeden Preis. Gegen Abend schlich sich Christoff wieder in den Speisesaal. Er war noch leer, da die Dienerschaft gerade das Abendessen für die Familie zubereitete, doch die Gläser auf den Tischen waren schon gefüllt worden. Ein paar Mal schaute er sich noch um, ob er wirklich der Einzige im Raum war, dann schlich Christoff an Heinrich's Platz, holte das

Giftfläschen heraus und schüttete einige Tropfen in das Glas seines Vaters. Dann packte er es schnell wieder ein und setzte sich an seinen eigenen Platz, sodass man den Eindruck bekam, er wäre nur früher als die anderen im Speisesaal, weil er nicht abwarten konnte, bis das Essen fertig war. Nach einiger Zeit kam auch der Rest der Familie hinzu und die Speisen wurden aufgetischt. Während alle aßen, dachte Christoff nach. Sein Vater hatte schon öfter erwähnt, dass er in dessen Testament als Thronfolger angegeben war. Und nun war er diesem Ziel endlich so nah wie nie zuvor, er musste nur noch warten, bis sein Vater seinen Wein austrank. Es vergingen

einige Minuten, und nach und nach wurden die Teller leer. Als auch die letzten aufgehört hatten, zu essen, ergriff Heinrich das Wort. „Auf Christoff", sagte er, hob sein Glas Wein und trank es in schnellem Zug leer. Dann ließ er sich noch etwas nachschenken, doch das zweite Glas erreichte seine Lippen nicht mehr, denn plötzlich wirkte Heinrich wie erstarrt. Dann kippte er vom Stuhl und rührte sich nicht mehr. „Vater, was ist mit dir?", rief Johannes und kniete sich neben Heinrich. Ein Arzt kam herbei, und versuchte alles, um ihn wieder zu beleben, doch es war zu spät. Jeder in der Familie wusste, dass er ein schwaches Herz gehabt hatte. Und nun

schien es an der Zeit, dass sich Elisabeth allein um ihre beiden Söhne kümmern musste, da nun kein Vater mehr da war, der für Johannes und Christoff sorgte. Traurig und verwirrt verließen alle den Speisesaal und gingen auf ihre Zimmer, den jetzt wollte jeder alleine sein. Nur der Arzt blieb bei dem leblosen Heinrich, da er ihn noch einmal genauestens untersuchen wollte. Er sah sich mehrmals in dem Raum um, dann entdeckte er unter Christoff's Stuhl eine kleine Flasche. „So ist das also", murmelte er und betrachtete das Gift. Dann spürte er einen schweren Schlag auf dem Kopf und sank zu

Boden. Als der Arzt aufwachte, bemerkte er, dass er nicht mehr im Schloss war. Man hatte ihn gefesselt und zu einem Brunnen in einem abgelegenen Teil der Ländereien geschleppt. Christoff zog eine Pistole hervor und richtete sie gegen den Kopf des Arztes. „Sie machen meinen Plan kaputt, deshalb müssen sie jetzt sterben", sagte er voller Wut. Doch bevor er schießen konnte, stieß ihn jemand mit voller Wucht in den Brunnen. Johannes hatte ihn die ganze Zeit verfolgt, um dem Arzt zu helfen.. „Hol mich hier gefälligst raus!", rief Christoff wütend. „Bleib geduldig, du Verräter",

sagte Johannes. Er warf ihm ein Seil zu, und er versuchte, hochzuklettern. Doch bevor er oben ankam, zog Johannes ein Gewehr hervor und feuerte die gesamte Munition in den Brunnen. Als das scheußliche Werk nach ein paar Sekunden vollendet war, blickte er auf den fürchterlich entstellten Körper von Christoff, der inmitten des rotverfärbten Wassers lag. „Da unten kannst du bleiben, du Verräter", sagte Johannes und schmiss das Gewehr ebenfalls in den Brunnen. Die Wahrscheinlichkeit, dass man den Leichnam fand, war gering, zumal dieser Brunnen schon seit Jahren nicht mehr genutzt wurde, da er viel zu alt war und längst neue Brunnen gebaut

worden waren. Zusammen mit dem Arzt, der ihm versprach, von den Vorfällen am Brunnen zu schweigen, verließ Johannes den abgenutzten Bereich der Ländereien und sie machten sich wieder auf den Weg ins Schloss. „Was ist passiert, Johannes?", fragte Elisabeth besorgt. Die Zeichen der Trauer waren ihr deutlich anzusehen. „Nichts", sagte er. Ich war mit dem Arzt draußen und habe Christoff gesucht, da er ihn zuletzt gesehen hat, aber wir haben nichts gefunden." Elisabeth bemerkte die Wunde am Kopf des Arztes. Bevor sie fragen konnte, sagte Johannes: „Christoff hat ihn

zusammengeschlagen, weil er nicht wollte, dass ihm jemand folgt. Weißt du, wo er hingegangen sein könnte?" Elisabeth schüttelte traurig den Kopf und ging dann wieder nach oben, in ihr Zimmer. Niemand würde je erfahren, wie Heinrich wirklich gestorben war, da alle außer Johannes und der Arzt glaubten, dass er einem Herzstillstand erlegen war. Von der Vergiftung wusste niemand etwas. Und von Christoff's wirklichem Verbleib auch nicht. Die Frage war, wie lange würde das noch so bleiben?

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Veränderungen


Ein Jahr verging nach den tragischen Ereignissen, und Johannes wurde Thronfolger von Heinrich. Die Suche nach seinem Bruder Christoff hatte man abgebrochen, da sämtliche Fahndungen erfolglos verlaufen waren und es keinen Hinweise gab, wo er noch sein könnte. Elisabeth, die sehr traurig über das rätselhafte Verschwinden ihres ältesten Sohnes war, hatte in dieser Zeit Wolfgang, ihren neuen Mann, gefunden, und ihr drittes Kind zur Welt gebracht, ein Mädchen namens Mary. Viele sahen die Geburt als ein Wunder an, da ein

paar Wochen zuvor bekannt geworden war, dass auch sie ein schwaches Herz hatte, wie ihr verstorbener Ehemann. Dieser war in Wirklichkeit allerdings unter anderen Umständen aus dem Leben geschieden, als die Familie dachte, wovon allerdings nur Johannes und ein Arzt wussten. Nach wie vor waren die wahren Ereignisse jenen Tages, an dem Heinrich gestorben war, in einen Mantel der Verschwiegenheit gehüllt. Und es schien so, als würde niemals ans Licht kommen, was geschehen war. Doch wie lange konnte Johannes noch damit leben, zu

schweigen? „Ich habe eine Bitte", sagte Elisabeth eines Abends zu ihm. Sie konnte schon seit mehreren Tagen das Bett nicht mehr verlassen, da sie nicht mehr laufen konnte und starke Schmerzen hatte. „Welche denn?", fragte er und betrachtete seine Mutter. Sie sah sehr schwach und müde aus, und es war offensichtlich, dass sie bald sterben würde. „Ich will, dass du alles versuchst, um Christoff zu finden", sagte sie mit flüsternder Stimme und hielt seine Hand. „Ich verspreche es dir, Mutter", sagte er nach kurzem Zögern und schaute zum

Fenster, wo die letzten Strahlen des Sonnenuntergangs zu sehen waren. Als er sich wieder umdrehte, waren ihre Augen geschlossen und sie atmete nicht mehr. Noch lange saß er an ihrem Bett und bald kam auch der Rest der Familie und sie setzten sich zu ihm. Alle waren in tiefster Trauer, nur die kleine Mary, welche friedlich in den Armen ihres Vaters schlief, wusste nichts von alldem. Noch lange saßen sie da, und wollten, selbst als sie weggetragen wurde, nicht glauben, dass Elisabeth tot war. Erst als einer der Ärzte in das Zimmer kam, die Todesursache (Herzversagen) verkündete und sein Beileid aussprach, konnten sie den Gedanken, dass sie den jahrelangen

Kampf gegen ihre Krankheit nun verloren hatte, endgültig zulassen. Am nächsten Morgen herrschte immer noch tiefe Trauer. Der Himmel war von zartem Blau wie an kaum einem der letzten Tage, und doch konnte ihn niemand mit denselben Augen wie früher betrachten, da sie sich fragten, ob sie dort oben einen Blick auf das Ganze hatte. Vor allem Johannes machte sich Gedanken, da er ihr versprochen hatte, Christoff zu finden, wobei dieser doch schon lange tot war. Und er war Schuld daran. Selbst am Sterbebett hatte er es nicht über's Herz bringen können, seiner Mutter endlich die Wahrheit zu sagen. Es

stimmte zwar, dass sein Bruder etwas schlimmes getan hatte, doch in all seiner Wut war Johannes selbst zu einem Mörder geworden. Vielleicht wäre Christoff eingesperrt oder hingerichtet worden, doch stattdessen hatte Johannes ihn bestraft, und nun trug auch er eine Schuld mit sich. Er war ein König, der Nachfolger seines Vaters, das stimmte, aber war er auch ein guter Mensch? Daran zweifelte er. Aber er musste weiterleben, als wäre nichts, das wusste er. Ein Skandal würde seiner Familie schaden und alles andere wäre feige. Im Laufe der letzten Jahre hatte sich viel auf dem Schloss verändert. Heinrich

hatte der Familie zwar eine beträchtliche Menge Geld hinterlassen, aber vieles war teurer geworden. Die meisten Diener der Familie waren gestorben oder hatten ihren Posten niedergelegt, da sie nicht mehr die jüngsten gewesen waren, und man hatte mit mühevollem Aufwand die Lücken in der Dienerschaft gefüllt. Doch sie verlangten eine höhere Bezahlung, die sie nach einigen Streitereien auch bekamen, weil die Familie keine andere Wahl hatte und sich sonst niemand fand, der für einen niedrigeren Lohn arbeiten wollte. Fern von dem Schloss in einer kleinen Stadt in dem Land, das Johannes

regierte, herrschte momentan viel Armut, da vor einigen Wochen ein reicher Waffenschmied gestorben war. Viele junge und alte Männer hatten für ihn gearbeitet, da ihm auch die Familien seiner Arbeiter sehr am Herzen gelegen hatten, doch da sich sein Sohn Josef, der Erbe des Ladens, scheinbar ewig Zeit ließ, bis er den Betrieb weiterführen wollte, konnten sie nicht mehr ihrer Arbeit nachgehen und Geld verdienen. Voller Empörung darüber standen sie oft vor seiner Tür, schrieen ihn an oder bewarfen sein Haus mit Steinen und redeten schlecht über ihn, da er im Gegensatz zu seinem Vater ein Egoist war, und sich nie um andere kümmerte.

Lieber gab er das ihm vermachte Geld seines Vaters dafür aus, lange und aufwendige Reisen zu machen, oder mit seinen Bekanntschaften in teuren Gaststätten essen zu gehen, wenn auch die wenigsten davon ihm etwas bedeuteten, aber die Armut der Arbeiter seines Vaters interessierte ihn nicht. Tatsächlich kam es so, dass, nachdem er seinen Gegnern drohte, jemanden dafür zu bezahlen, sie unter die Erde zu bringen, eine lange Zeit Ruhe einkehrte. Die Leute hielten sich mit kleinen Tätigkeiten über Wasser, doch dies brachte auf Dauer keinen Frieden, weshalb eines Tages erneut wieder ein Streit ausbrach, diesmal allerdings mit

schlimmeren Folgen. Josef ging an jenem Mittag in Begleitung einer jungen Dame, die ein auffälliges, rotes Kleid trug, in die Stadt. Die Leute munkelten, er habe vor, sie zu heiraten, da er sie angeblich über alles liebte, doch einen anderen Beweis als die Spekulationen und Vermutungen der Leute gab es dafür nicht, weshalb es nach wie vor als ein bloßes Gerücht galt, zumal er auch oft mit anderen Frauen gesehen worden war. Mittlerweile standen beide in der Stadtmitte an einem Brunnen, um den herum die besten Lokale der Stadt lagen. Sie konnten sich nicht entscheiden, wo sie essen gehen wollten. Doch Josef merkte, dass etwas nicht stimmte.

Ein Mann, der seinen Hut ins Gesicht gezogen hatte, so, dass man seine Augen nicht sehen konnte, kam auf ihn zu. „Guten Tag", sagte er und fing sofort an, zu reden. „Werter Herr, wie sie wissen, wollen die Leute, dass sie den Betrieb ihres Vaters endlich weiterführen, warum eröffnen sie ihn dann nicht einfach wieder? Die Männer sind am Ende, weil sie ihre Frauen und Kinder kaum noch ernähren können! Und mein Sohn ist schwer krank und ich habe kein Geld für seine Heilung!" Josef wirkte gelangweilt, als der Fremde dies zu ihm sagte, da er dies schon so oft gehört hatte, aber genau das sollte ihm

zum Verhängnis werden. Denn plötzlich zog der Mann eine Waffe hervor. Mit wütenden Augen schaute er ihn an, dann schoss er auf Josef. Für einen Augenblick dachten ein paar Schaulustige, er wäre getroffen worden. Doch wie ein Schrei verriet, hatte die Kugel nicht ihr eigentliches Ziel erwischt . Die Dame in dem roten Kleid hatte sich vor Josef geworfen, um ihn zu retten. Sie war aber noch nicht tot und stieß einen Schmerzensschrei aus, wie nicht von dieser Welt, während sich auf ihrer Brust ein roter Fleck ausbreitete, der immer größer würde. „Josef", flüsterte sie. „Töte sie." Ihre Lippen trafen sich noch einmal zu einem letzen

Kuss, während er sie in seinen Armen hielt, dann starb sie. Er brachte kein Wort hervor, keine Träne, doch während er vor ihrem toten Körper kniete und es noch nicht realisierte, dass sie nie mehr aufstehen würde , betraten fünf Männer in schwarzen Anzügen den Platz. Sie gehörten zu Josef. Der Mörder war zwar längst geflohen, als er gemerkt hatte, dass man ihm Wachen auf den Hals hetzen wollte, aber bald würde man ihn finden. Josef schaute einen von ihnen kurz an und sagte leise: „Nehmt jeden mit, der für meinen Vater gearbeitet hat, einschließlich den Mann, der..." Er brachte es nicht über die Lippen, zu sagen, was passiert war, doch sein

Komplize wusste, wie es gemeint war und gab die Anweisung weiter. Es gab Aufruhr in der Stadt. Frauen wurden geschlagen oder sogar zu Mitgefangenen gemacht, weil sie ihre Männer beschützen wollten oder die Komplizen Josef's attackierten. Und selbst vor Kindern machten die Männer halt. Sie traten sie aus dem Weg oder schlugen sie, wenn sie nicht zur Seite gingen, was noch mehr Tumult auslöste. Auf beiden Seiten wurden Menschen erschossen, die Leute wehrten sich, aber schließlich gewannen Josef's Leute die Oberhand. Sie verschleppten oder erschossen jeden, der sich der Verhaftung widersetze. Kinder, deren Eltern sie verschleppt

oder umgebracht hatten, wurden ebenfalls erschossen oder in den brennenden Häusern zurückgelassen. Am Abend dieses Tages erkannte man ebenjene Stadt nicht mehr wieder, und es gab nur wenige, die vor den Angriffen verschont geblieben waren. Was aus den Gefangenen von Josef's Männern geworden war, wusste keiner und ebenso wenig wusste man über deren Verbleib. Aber das ihnen etwas grausames bevorstand, war mehr als sicher. Während in der Stadt langsam Ruhe einkehrte und sämtliche Häuser wieder aufgebaut wurden, erfuhr Johannes von einem seiner Wachmänner von den

Geschehnissen. „Josef ist doch selbst Schuld, dass das passiert ist", sagte er wütend. „Er hatte kein Recht, all diese Leute zu töten und trotzdem hat er es getan. Und er hat die Armut der Menschen einfach ignoriert." „Was sollen wir tun?", fragte der Wachmann. „Fangt Josef und seine Männer, sowie den Mörder seiner Geliebten ein und bringt sie in den Kerker. „Ich kümmere mich morgen um sie." Der Wachmann nickte zustimmend und verabschiedete sich , um dem Rest der Wache den Auftrag mitzuteilen. Johannes stand jetzt am Fenster mit einem Glas Wein in der Hand und dachte nach. Seine Mutter war tot. Sein Vater war tot. Und auch sein

Bruder, der noch leben würde, wäre Johannes nicht gewesen. Nur er lebte noch. Wolfgang, der Mann von Elisabeth, hatte sich nach deren Tod das Leben genommen, indem er ein Gift aus dem Ärzteschrank entwendet und es ohne weiteres getrunken hatte. Die Einzige, die noch lebte, war die kleine Mary, für die Johannes ein Kindermädchen eingestellt hatte. Aber er wollte sich, sobald er eine Frau gefunden hatte, mit ihr zusammen um das Kind kümmern. Bis dahin galt es, das Land so zu regieren, dass eines Tages Frieden herrschen würde.

Der Hinterhalt

Schon seit einigen Tagen versuchten Johannes´ Wachen, Josef und seine Männer zu fangen. Die meisten von ihnen waren gefasst, aber Josef selbst und ein Komplize namens Leopold waren immer noch auf der Flucht. Johannes ging auf und ab und dachte nach. Er wusste, dass er nicht mehr lange König bleiben wollte, und schmiedete schon seit mehreren Wochen Pläne, abzuhauen. Das Geld seines Vaters hatte er aufgeteilt, sodass er einen Teil davon an sich nahm und der andere seiner Familie gehörte, die er zurücklassen musst. Er glaubte nicht, dass jemand merken

würde, dass er etwas beiseite geschafft hatte, da schon die Hälfte seines Vermögens so viel Geld war, das keiner auf die Idee käme, sich die Mühe zu machen, es zu zählen. Er wollte sich gerade umdrehen, doch er spürte etwas an seinem Kopf. "Deine Wachen sind tot", sagte Josef lachend, eine Waffe auf Johannes Kopf gerichtet. "Und deine Familie ist es bald auch." "Ich habe noch mehr Wachen", sagte Johannes, aber Josef zog die Waffe nicht weg. "Jetzt war´s das mit dem König!", schrie er und drückte ab. Johannes erwartete einen Knall, doch nichts passierte. Diesen Moment nutzte er aus und holte seine eigene Waffe hervor. Josef hob die

Hände und wich immer weiter zurück Richtung Fenster. "Mach es auf", sagte Johannes drohend und er öffnete es. "Was hast du vor...?" "Das kann dir egal sein", sagte Johannes. "Entweder du springst jetzt da runter oder ich erschieße dich." "Ich springe aber nicht!", schrie Josef. "Dann stirb!" Johannes feuerte auf ihn, doch er verfehlte ihn knapp und bevor er ein weiteres Mals schießen konnte, war Josef aus dem Fenster verschwunden. "Den Sturz überlebt er nicht", dachte sich Johannes zufrieden und schloss sich in dem Zimmer ein. Das Fenster verschloss er auch und ging dann zu einer Wand, an der ein Bild seiner Mutter hing. Er nahm

es ab und es öffnete sich ein Geheimgang, der in einen zweiten Schlossgarten führte, den nur er kannte. Als er dort ankam, wartete schon sein Kutscher. "Wo soll es hingehen?", fragte er. "In das alte Schloss von meiner Mutter, das sie mir vererbt hat", sagte Johannes."Ich habe es schon vor Monaten neu herrichten lassen." "Und sie sind sicher, dass sie für immer wegwollen?" "Ja", sagte Johannes. "Für immer."

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Hörbuch

Über den Autor

Julian23
Ich schreibe seit meinem 12. Lebensjahr, hauptsächlich Geschichten, Gedichte/Texte und gerne auch Parodien. Da ich selten hier bin und nicht jeden Kommentar beabtworten kann: Vielen Dank an alle Leser und Unterstützer meiner Seite in diesem sehr speziellen Jahr 2020 :)

AKTUELLES: Der ZWEITE Teil von meiner Geschichte "Der Sturm" ist erschienen, es ist eine Geschichte über die jetzige Zeit. Neu veröffentlicht habe ich die Geschichte "Der Hund der im Gestern bellte", ein Randbeitrag der SP 87 (Schreibparty).

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matgy die weiteren Geschichten in diesem Buch lese ich später....
Vor langer Zeit - Antworten
matgy Ein sehr schön geschriebenes Märchen mit einer klaren Botschaft. Ja, und im Märchen dürfen die Bösen halt sterben.
Lieber Gruss, Matthias
Vor langer Zeit - Antworten
Julian23 Freut mich, dass es dir gefällt. :)
Ich arbeite momentan an der dritten Geschichte dieser Sammlung :)

LG Julian23
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petjula007 
Nette Geschichte, aber ich finde, als Gute Nacht - Geschichte nicht so toll. Wenn ich die meinem Enkel vorlesen würde, oh weih........

LG Petra
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Julian23 Dann sind es halt Gute Nacht-Geschichten für Erwachsene ;)
Aber vlt sollte ich auch mal was für die kleineren schreiben :)

LG Julian23
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petjula007 
Dank auch für die Coins.

LG Petra
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Pria schöne Geschichte liest man gern
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Julian23 Danke :) Es werden übrigens noch einige Geschichten Folgen :)
Aber die Arbeit ist hart und es wird dauern bis es eine Sammlung geworden ist

LG Julian23 :)
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Vitti finde ich auch, eine kleine nette Geschichte Julian :-)
sehr gern gelesen

lg
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Gaenseblume Ein nette Geschichte nur das die Beiden umgekommen sind,das ist schon
traurig .naja,einer war wenigstens glücklich. LG Marina Gaenseblume
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