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Jedes Mal wenn ich ihn sah stieg eine unbändige, alles verzehrende Wut in mir auf, ein unbeschreiblicher Zorn der mich aufzufressen drohte, gemischt mit purer Verzweiflung.
Sein stets selbstgefälliges Grinsen weckte in mir den Wunsch auszuholen und ihn mit aller Kraft zu schlagen, ihn anzubrüllen, ihm genauso weh zu tun wie er sie verletzte.
Das was ich für ihn empfand war purer Hass, eine so tiefgehend Abneigung wie ich sie noch nie jemanden entgegengebracht hatte.
Doch sein Anblick sorgte auch für ein
Gefühl der Hilflosigkeit, ein Gefühl der Ohnmacht und hatte mir deutlich gezeigt wie wenig die Stimme eines minderjährigen in einem entscheidenden Moment zählen konnte.
Als sie mir das erste Mal erzählt hatte was sie für ihn empfand, hatte ich dem keine große Beachtung geschenkt, im Grunde ist eine Schwärmerei für einen Lehrer nichts so außergewöhnliches. Solch eine Phase ging sowieso vorbei und irgendwann lacht man darüber. Das es in diesem fall anders sein könnte hätte ich nie gedacht, es wäre mir nie im Traum eingefallen. Vielleicht war ich zu naiv , vielleicht hatte ich ihr einfach nicht richtig zugehört und ihre starke
Hingabe für ihn auf die leichte Schulter genommen. So oder so hatte ich die Situation hoffnungslos unterschätzt und vor allem hatte ich ihn unterschätzt. Seine Reaktion auf ihr Geständnis, wie er die Umstände schamlos ausgenutzt hatte, wie er sie behandelt hatte, als wäre sie Nichts, einfach nur Dreck, ein lustiges kleines Spielzeug das man wegwirft sobald es einem nicht mehr gefällt.
Sie war in einer für sie scheinbar hoffnungslosen Lage gewesen als sie mit ihrem Kummer und ihren Gefühlen zu ihm gegangen ist. Er hat sie aufgefangen, sie getröstet, war für sie da, hat die Worte gefunden, die ihre
Freunde nicht gefunden haben, konnte ihr genau das geben was sie in dem Moment gebraucht hatte.
Er hat angefangen auch außerhalb der Schule mehr Zeit mit ihr zu verbringen, sodass ich sie kaum noch zu Gesicht bekommen habe. Jedes Mal wenn ich sie darauf angesprochen habe, haben wir gestritten, uns angeschrieen und sie hat sich noch mehr distanziert.
Nach einiger Zeit hat sie mir dann erzählt, dass er ihr seine Liebe gestanden hat und für sie seine Frau und seine Kinder verlässt.
So glücklich hatte ich sie lange nicht mehr gesehen, ihre Augen leuchteten und dieses lächeln das ich schon lange
vermisst hatte umspielte ihre Mundwinkel. Ich war unfähig auch nur irgendetwas darauf zu erwidern. Schließlich meinte ich nur das sie vorsichtig sein soll. Das war Alles …. „sei bitte vorsichtig“. Ich hätte so gerne mehr gesagt, hätte sie gerne einfach beschützt aber ich hatte Angst das sie dann völlig den Kontakt abbrechen würde.
Die nächsten Wochen erschien sie kaum zum Unterricht, jedes Mal wenn ich sie sah war sie wieder ein Stück dünner geworden, bis sie nur noch ein Schatten ihrer Selbst war. Ihre Augenringe schienen sich in ihre Haut eingebrannt zu haben und die Erschöpfung auf ihrem
Gesicht versetzte meinem Herzen jedes mal auf s neue einen schmerzhaften Stich.
Bei einem ihrer seltenen Besuche des Sportunterrichts fielen sie mir das erste Mal auf. Narben. Auf ihrem Unterarmen und ihren Beinen. Unzählige Narben und frische Schnitte die aussahen als wären sie nicht älter als einen Tag.
Ich sprach sie darauf an, doch sie blockte komplett ab und rannte schließlich unter Tränen aus dem Raum.
Ich blieb allein in der Umkleidekabine zurück. Mir war schlecht und ich zitterte. Ich war am Boden zerstört und fühlte mich schuldig. Ich hätte ihr helfen müssen und hatte es nicht
gekonnt, Ich hätte mehr für sie da sein müssen, doch ich war es nicht gewesen. Ich hatte Alles falsch gemacht und nun ging es ihr schlecht, sie war am Ende und ich hatte nichts unternommen.
In diesem Moment beschloss ich mit irgendjemanden darüber zu sprechen und die erste die mir in den Sinn kam war unsere Schulpsychologin. Ich machte ich auf den Weg ins Lehrerzimmer um nachzusehen ob sie noch da war. ich wusste nicht ob sie die richtige Ansprechpartnerin war aber ich wollte einfach bei ihr anfangen.
An der Tür zum Lehrerzimmer zögerte ich kurz. Ich atmete tief ein und aus, wollte unbedingt diese unkontrollierte zittern
loswerden. Als ich von einem Bein aufs Andere trat hörte ich aus dem Zimmer plötzlich Stimmen.
Ein Kreischen, dann eine laute Männerstimme. Ohne überhaupt richtig nachzudenken drückte ich die Türklinke hinunter und stellte schockiert fest das abgeschlossen war. Panik schnürte mir die Kehle zu und ich konnte mir zunächst nicht erklären weshalb, bis die Gewissheit wer sich hinter der Tür befand langsam in meinen Verstand sickerte.
Ich fing an wie besinnungslos an die Tür zu hämmern und zu schreien.
Ich hatte Angst, war verwirrt, wütend, verzweifelt.
Ich hörte wie sich ein Schlüssel drehte und er öffnete die Tür mit solch einem Ruck das ich fast gegen ihn stolperte.
Mir stockte der Atem als ich in das Zimmer sah.
Sie lag halb nackt da, Tränen liefen ihre Wangen hinunter und sie schluchzte unkontrolliert.
Sie blickte mit leeren, ausdruckslosen Augen in meine Richtung.
Sie hatte die Arme um sich geschlungen und wiegte sich auf dem Tisch vor und zurück. Ihre Hände krallten sich in ihren Körper, die Knöchel weiß. Ich registrierte schockiert wie dürr sie war. Kaum mehr als Haut und Knochen.
Ich wollte zu ihr. Wollte einfach nur zu ihr. Sie in den Arm nehmen, sie halten, sie beschützen. Doch als ich einen Schritt nach vorne machte versperrte er mir den Weg. Die Hände an die Türrahmen gestützt sah er zu mir herab.
Überheblichkeit und Grausamkeit sprachen aus seinem Blick und eine Gänsehaut überzog meinen gesamten Körper.
" Du hast nichts gesehen! Verstehst du mich !!"
Sein Ton war bestimmend und schneidend.
Wie betäubt nickte ich.
"Und jetzt verschwinde! "
Ich rührte mich nicht, war wie erstarrt,
konnte einfach nicht klar denken.
"Hab ich mich nicht deutlich genug ausgedrückt!? Verzieh dich!"
Plötzlich hörte ich Schritte im Treppenhaus und ich hätte vor Erleichterung beinahe angefangen zu weinen.
Er hatte es auch bemerkt, trat blitzschnell einen Schritt zurück und schloss die Tür vor meinen entsetzten Augen.
Ohne zu zögern, rannte ich den Gang entlang Richtung Treppe.
Ich stolperte fast über meine eigenen Füße fing mich jedoch rechtzeitig.
"Ich brauche hier Hilfe!! " schrie ich noch bevor ich mein Ziel errreicht hatte.
Ich konnte die bodenlose Verzweiflung in meiner Stimme hören.
Ich stieß fast mit einer Lehrkraft zusammen die gerade um die Ecke bog. Sie gab einen misbilligenden Laut von sich und wollte gerade etwas sagen als sie meinen Gesichtsausdruck sah.
Ohne nachzudenken packte ich sie am Arm und zerrte sie hinter mir her während ich versuchte ihr knapp zu erzählen was vorgefallen war. Meine Stimme überschlug sich immer mehr.
Vor dem Lehrerzimmer angekommen zog sie entschlossen einen Schlüssel aus ihrer Tasche und sperrte die Türe auf.
Auf das schlimmste gefasst spähte ich in den Raum.
Doch anstatt des bestürzenden Anblicks der sich mir beim ersten Mal geboten hatte, war nun Alles sehr unspektakulär.
Sie saß ihm gegenüber auf einem Stuhl, beide hatten Skripte in der Hand und blickten überrascht auf, wir den Raum betraten.
Meine Freundin warf mir einen langen gequälten, entschuldigenden Blick zu.
"Was geht hier vor sich ?" Wollte die Lehrkraft zu meiner Linken wissen.
Er sah sie freundlich lächelnd an.
"Wir üben hier nur etwas für das Schüler -Lehrer Theaterstück. Sie wollte bei einer bestimmten Passage meine Hilfe und ich dachte da spricht nichts dagegen. Wieso ? Gibt es etwas
ein Problem?"
Die Lehrerin ignorierte ihn und wandte sich meiner Freundin zu.
"Stimmt das was er sagt ", fragte sie mit sanfter Stimmer "Du brauchst keine Angst zu haben, sag mir einfach die Wahrheit !"
Meine Freundin schenkte ihr ein strahlendes Lächeln " Natürlich stimmt das !"
Ich starrte sie fassungslos an. Was redete sie da bloß.
Mir fielen die Worte die sie einst zu mir gesagt hatte wieder ein. Die Worte die sie herausgeschrieen hatte als ich ihr eröffnet hatte das ich mit einer Lehrkraft darüber sprechen würde.
"Das darfst du nicht ", hatte sie außer sich gebrüllt.
"Ach ja und wieso nicht !?"
" Weil er dann Ärger bekommt und das will ich nicht. Ich liebe ihn verstehst du das nicht !!"