Viskose Menschen mit Zimtgeschmack
-Weihnachten in Stille
Da war es wieder. Weihnachten. Wie jedes Jahr gegen Ende Dezember. Ein Fest zur Geburtsstunde eines Religionsstifters, welches wie kaum ein anderes klerikales Event zur Polarisierung neigt und sogar anstiftet. Weihnachten zwingt den normalen Menschen beinahe schon, sich für eine der zwei Fronten in diesem winterlichen Kreuzzug zu entscheiden. (Man verzeihe den schlechten Wortwitz mit „Kreuz“-zug in diesem Zusammenhang).
Schlage ich mich nun auf die Seite derer, die idealerweise schon im Januar
das Flugticket für mehrere Wochen Malediven gebucht haben, um sowohl Schnee, Kälte als auch eben jener anderen Fraktion von Menschen zu entkommen, die sich schon im September vor lauter Vorfreude an Schokonikoläusen und Spekulatius vergehen. Oder aber gehöre ich zu den Menschen, die wie Millionen gleichgesinnter ab November in geschlossener Formation - Cesar wäre stolz gewesen - über die Weihnachtsmärkte dieser Republik herfallen und eine Spur aus verschüttetem Glühwein und gebrannten Mandeln in den Fußgängerzonen jeder größeren Stadt hinterlassen?
Versteht mich nicht falsch, ich mag Weihnachten. Also systematisch und theoretisch zumindest. Das Jahr geht zu Ende, das arbeitende Volk nimmt in der Regel flächendeckend Urlaub, und die physische wie auch psychische Hetzjagd der letzten 350 Tage wird auf ein Minimum heruntergedreht. So sollte man glauben.
Persönlich meide ich Innenstädte und Fußgängerzonen ab Dezember ja schon aus Prinzip, doch wer noch so „old school“ ist, und seine Hemden in einem dafür vorgesehenen Etablissement zu ordern, anstatt sich per Internet das favorisierte Kleidungsstück, welches
dann entweder zu groß, zu klein oder aber nur mit einem Ärmel versehen ist, direkt an die Haustüre liefern zu lassen, der muss dann auch zur Weihnachtszeit das Kaufhaus seiner Wahl aufsuchen.
Was für ein fataler Fehler!
Nicht nur, dass pünktlich zum 1. Advent das Passantenvolumen deutscher Innenstädte explosionsartig zunimmt, sodass sich einem der Verdacht aufdrängt, es wäre bis Ostern nicht mehr möglich Geld im Einzelhandel gegen Waren jeglicher Art eintauschen zu können oder gar zu dürfen. Nein! Zusätzlich zu der beinahe schon
penetranten Dichte an konsumorientierten Mitmenschen, fühle ich mich einer Verschwörung anheimgefallen zu sein, in der sich Menschen in weihnachtlich verhängten Fußgängerzonen mit ebenso gearteten Märkten zu einer so zähflüssigen Masse fusionieren, in der ein Durchkommen für einen unbeteiligten, zielgerichteten Menschen unmöglich erscheint.
Von allen Seiten wird man in den siechenden Schlurfgang von verträumten, glühweintrinkenden und Zimtsterne bröselnden Menschen gezwängt, der einem die unfreiwillige Betrachtung von 100 Meter Holzbaracken
von A, wie kandierter Apfel bis Z, wie zwei Wochen alte Christstollen nicht vorenthält, und dies mit einer guten Stunde verschenkte Lebenszeit quittiert.
Ich mag Weihnachten! Ehrlich! Nur gerne mit etwas weniger Menschen, Glühwein, Zimtsterne und Schafsfellverkaufshäusschen.
Eine stille Nacht, dass wäre etwas!
Darüber sollte man einmal ein Lied schreiben.