Beschreibung
Lothiel verlässt die Abgeschiedenheit des elterlichen Hofes, um ihrem Vater zu beweisen, dass sie ihm in schwierigen Zeiten ebenso beistehen kann, wie ein Sohn es könnte. Und doch verstößt sie gegen seinen Willen, als sie einen Weg einschlägt, der sie schließlich zur Kriegerin macht. Sie beschreitet ihn tapfer, wenn auch voller Zweifel. Sie findet Gefährten und Berater, geht dennoch immer ihren eigenen Weg. Sie lacht, sie weint. Sie liebt, sie hasst. Nicht selten stößt sie die vor den Kopf, die ihr nahe stehen.
?Es ist nicht gut, einen Menschen zu töten?, hat ihr Vater zu ihr gesagt. Lothiel aber lernt, mit dem Schwert zu kämpfen. Sie tauscht ihren kleinen Jagdbogen gegen einen Bogen der Macht. Und bald erzählt man sich an den Heerfeuern von einem Mädchen, das auszog, die Nachricht von Naurhir in die Königsstadt zu bringen, von dem Mädchen, das auszog, Rache zu üben, dem Mädchen, das auszog, das Königreich vor dem schrecklichen Feuermeister zu retten.
In diesem spannend erzählten Fantasy-Roman wird eine fremde, magische Welt lebendig, die uns ganz in ihren Bann zieht, da sie in all ihrer Andersartigkeit auch von uns handelt.
Copyright:
Hinstorff 2008
Im Buchhandel und Internetbuchhandel erhältlich.
Inhalt
Die Botschaft
1. Grenzfeste
2. Weidenbach
3. Waldruh
4. Iden
5. Oststraße
6. Königsstadt
Der Bote
1. Heimkehr
2. Spuren
3. Reiter
4. Heere
5. Glut
6. Kämpfe(Kapitel 1): Grenzfeste
Lothiel nickte Vater Adar fröhlich zu. Für sie waren die seltenen Besuche in der Grenzfeste immer ein großes Ereignis. Es gab so viel zu bestaunen und zu entdecken. Allein dieses Menschengetümmel konnte sie, die sie das ganze Jahr auf einem einsamen Hof lebte, kaum begreifen. Dazu die ungewohnten Eindrücke: Die Rufe der Händler auf dem Markt, die ihre Waren anpriesen, darunter Dinge, die Lothiel nie zuvor gesehen hatte und deren Verwendungszweck ihr nicht selten ein Geheimnis blieb. Gerüche von Kräutern und Gewürzen, die weder im heimischen Wald noch in Mutter Naneth’ Kräutergarten zu finden waren, der Lärm, der aus Werkstätten und Gaststuben drang, um gemeinsam mit Staub und Schmutz die Straßen zu durchdringen. Wachen, die Lothiel immer sehr beeindruckten, standen auf ihren Posten, patrouillierten durch die Straßen oder saßen lachend bei einem Würfelspiel.
Doch vor allem die Spiele der Kinder faszinierten Lothiel stets aufs Neue. Auf dem Hof spielte sie mit Hu, dem alten Jagdhund, oder ritt ein wenig auf Tass, wenn er nicht auf dem Feld oder vor dem Wagen gebraucht wurde. Sie besaß einige bunte, rund geschliffene Steine. Die zerschlissene Puppe, die Vater ihr vor einigen Jahren aus der Grenzfeste mitgebracht hatte, beachtete sie kaum noch. Meist nutzte sie die wenige Zeit, die ihr neben der Arbeit auf dem Hof blieb, um mit der Steinschleuder oder dem Bogen zu üben und oft brachte sie dann ein leckeres Abendbrot nach Hause.
Aber die Kinder in der Grenzfeste erfanden wunderliche Spiele, bei denen sie sich gemeinsam vergnügten. Sie spielten mit ledernen Bällen, fochten mit hölzernen Schwertern, versteckten sich voreinander, jagten durch die Straßen, trugen die spannendsten und lustigsten Wettkämpfe aus, die Lothiel sich vorstellen konnte. Sie blieb immer wieder stehen und staunte. Gern hätte sie sich dazugesellt und sich mit den anderen Kindern gemessen. Doch sie traute sich nicht, sie anzusprechen. Sicher würde sie alles falsch machen und den anderen zum Gespött werden. Außerdem durfte sie nicht trödeln. Vater hatte sie geschickt, mit dem ersten Geld, das er für ein Ferkel bekommen hatte, zu Meister Cennan, dem Kesselflicker, zu gehen, der die Löcher in dem kleineren ihrer beiden Kessel beseitigen sollte. Einen neuen konnten sie sich nicht leisten.
Lothiel war froh, vom engen Treiben auf dem weiten Platz wegzukommen und durch die Feste zu streifen. Zwar gab es auch Kesselflicker auf dem Markt, doch Vater Adar war mit Cennan bekannt und bekam von ihm einen besonders günstigen Preis.
Um zu ihm zu gelangen, musste sie in den zweiten Ring der Feste, die vor vielen Jahren zum Schutz der östlichen Grenzen Laindors erbaut worden war. Von Vater wusste Lothiel, dass die Anlage ursprünglich nur als Stützpunkt für die Kriegsheere der Königin gedient hatte. Doch seit der Sieg errungen war, hatte sie sich zu einer Stadt entwickelt, die bereits über die später errichtete äußere Mauer hinauswuchs. Cennan war hier schon zu Kriegszeiten seinem Handwerk nachgegangen, weshalb sich seine Werkstatt noch immer im alten Teil der Feste befand.
Lothiel erreichte das große Tor zum zweiten Ring. Die dort postierten Wachen in ihren schwarz-weißen Waffenröcken mit dem Abzeichen des weißen Horns musterten sie nur kurz und ließen sie passieren. Hier war es ruhiger als im Rest der Stadt. Der zweite Ring, der die Burg des Grafen umschloss, wurde vor allem von den Männern der Wache bewohnt. Außerdem befanden sich hier die Werkstätten der Waffen- und Rüstungsschmiede, Bogner, Zeltmacher, Steinmetzen und der anderen Handwerker, die vorwiegend für die Burg und den Grafen arbeiteten, sowie die Ställe, die Wachgebäude und das Haus der Bräuche.
Cennans Werkstatt lag nicht weit vom Tor entfernt. Lothiel hielt sich rechts und bog nach wenigen Metern in eine kleine Gasse ein. Das Haus des Kesselflickers war an deren Ende direkt an die Mauer gebaut.
„Hallo, mein Kind. Wir haben uns ja lange nicht gesehen. Bringst du mir einen Kessel?“
„Ja, Meister Cennan. Mein Vater schickt mich, den kleinen zu flicken.“
„Na, dann zeig ihn mal her.“
Lothiel reichte dem alten Mann den Topf. Cennans Kopf zierte nur noch ein schmaler, silbriger Haarkranz. Dafür spross sein Bart umso gewaltiger. Wären da nicht die dicke, rote Knollennase und die kleinen freundlichen Augen, hätte man sich fast vor dem immer noch kräftigen Mann fürchten können. Die Werkstatt wirkte aufgeräumter, als Lothiel sie in Erinnerung hatte.
„Kennst du Gilborn schon?“, fragte Cennan, während er seinen neuen Auftrag betrachtete.
„Nein. Wer ist das?“
„Er ist seit einigen Wochen mein Lehrbub, der Sohn meines Brudersohns in der Unterstadt. Und er soll mein Handwerk erlernen.“
Lothiel hörte den Stolz in der Stimme Cennans. Adar hatte ihr einmal erzählt, dass der Kesselflicker als ältester Sohn die Werkstatt seines Vaters übernommen hatte, während seine beiden Brüder sich für die Wache der Grenzfeste anwerben ließen. Einer war in den Grenzkriegen gefallen, der andere lebte mit seiner Familie in der Unterstadt, wie die Leute in der auf einem Ausläufer des Gebirges gelegenen Feste die Teile der Stadt nannten, die außerhalb der äußeren Mauer lagen. Cennan selbst hatte keine Kinder. Seine Frau war während der Schwangerschaft erkrankt und gestorben, bevor sie dem Kind das Leben schenken konnte. Dem Kesselflicker tat es auf seine alten Tage bestimmt gut, einen jungen Burschen im Haus zu haben.
„Er ist ein braver Junge. Und sehr ehrgeizig. Du wirst ihn mögen. Er sollte gleich vom Wasserholen zurück sein. Dann kannst du dir mit ihm die Zeit vertreiben, bis der Kessel fertig ist. Ich brauche ihn vorerst nicht.“
Lothiel wurde ein wenig flau im Magen. Sie würde einen Jungen treffen, der vielleicht in ihrem Alter war. Möglicherweise würde er sogar mit ihr spielen. Und doch spürte sie schon jetzt die Verlegenheit in sich aufsteigen. Wie müsste sie sich verhalten? Vater Adar nahm sie erst seit zwei Jahren mit zur Grenzfeste, wenn er einmal im Frühjahr und einmal im Herbst zum Markt fuhr. Sie half ihm beim Verkauf und manchmal durfte sie kleine Aufträge ausführen, so wie heute. Doch es blieb keine Zeit, andere Kinder kennenzulernen oder gar mit ihnen zu spielen. Lothiel wusste auch nicht, wie sie sie hätte ansprechen sollen.
„Ich glaube, ich muss Vater noch helfen“, sagte sie.
„Na, das kannst du doch. Gilborn wird gleich hier sein. Dann kann er dich zum Markt begleiten und mir auf dem Rückweg ein Brot mitbringen.“
„Ich weiß nicht, ob ich so lange warten kann.“
„Aber da kommt er doch schon.“
Tatsächlich betrat nun, einen gefüllten Eimer in der Hand, ein Junge mit feuerroten Haaren und einem Gesicht voller Sommersprossen die Werkstatt. Lothiel kannte sich mit Kindern nicht gut aus, doch er war bestimmt ein paar Jahre jünger als sie. Gilborn stellte den Eimer ab und betrachtete sie neugierig.
„Das ist Lothiel“, sagte Cennan. „Sie ist die Tochter von Adar, von dem ich dir ja schon erzählt habe. Sie muss zurück zum Markt. Ich gebe dir frei, sie zu begleiten. Bring mir auf dem Rückweg ein Brot von Basthir mit.“
„Was ist denn mit ihr los?“, fragte der Junge. „Sie starrt ja nur auf den Boden.“
„Sie hat wenig Umgang mit fremden Menschen. Sei nett zu ihr, dann wird sie schon auftauen.“
Gilborn musterte Lothiel noch einen Moment, dann trat er entschlossen auf sie zu und griff ihre Hand. „Komm“, sagte er nur und zog sie aus der Werkstatt …(Kapitel 4): Iden
Lothiel ritt bis zum Abend mit wenigen Pausen und begegnete niemandem mehr. Das ebene Land wurde zunehmend hügeliger. Die letzten Tage waren anstrengend gewesen und ihr unendlich lang vorgekommen. Mit jeder Stunde wuchs ihre Sorge, sie könne Iden nicht rechtzeitig erreichen.
Am anderen Morgen aß Lothiel wieder nur wenig. Noch bevor die Sonne sich zeigte, saß sie wieder auf und trieb Carroch ihrem Ziel entgegen. Bald schon erreichte sie die Straße, die sich mit einem leichten Anstieg entlang des Bhal nach Iden schlängelte. Vater hatte ihr erzählt, dass der Fluss bis Iden schiffbar sei und auf ihm Waren aus dem Süden heraufgebracht, während andere aus dem Norden in Iden verladen und in südliche Landesteile oder darüber hinaus verschifft würden. Lothiel hatte noch nie ein Schiff gesehen. In dieser Frühe lag der Fluss still und breit vor ihr. Auch auf der Bhalstraße konnte sie noch keine Reisenden entdecken. Der Weg, auf dem sie gekommen war, überquerte die Straße und führte zu einer Brücke, die sich, gerade breit genug für ein Fuhrwerk, über den Bhal erstreckte. Von Adar wusste sie, dass es bei Iden eine breitere Brücke gab. Oft hatte sie sich vorgestellt, einmal auf ihr über das Wasser zu laufen, doch ihre Aufgabe lag diesseits des Flusses.
Lothiel schaute sich um. Unweit der Wegkreuzung standen einige Bauernkaten und dahinter, auf einem kleinen Hügel, thronte ein Gutshaus. Es war nicht viel größer als manches Haus in der Grenzfeste, lange nicht so riesig wie die Bauten, die dem Grafen dort zu eigen waren, doch mit seinem Graben und der kleinen Zugbrücke, die darüber führte, erschien ihr das teilweise aus Stein erbaute Haus sehr beeindruckend. Sie beschloss, sich direkt an den Freiherrn zu wenden.
Vor der Zugbrücke stand ein Bewaffneter. Er schaute ihr amüsiert entgegen, doch bald ruhte sein Blick auf Carroch und sein Gesicht nahm einen verwunderten Ausdruck an.
„Wohin des Wegs?“, fragte er, als Lothiel vor ihm stehen blieb.
„Ich muss dringend zu Eurem Herrn.“
„Da musst du dich noch gedulden. Zur Audienz ist Herr Ellian erst nach dem Frühstück bereit. Jetzt schläft er noch.“
„Dann weckt ihn!“
„Wer bist du denn, dass ich meinen Herrn für deine Wenigkeit wecken soll?“, fragte der Mann und musste über seine eigenen Worte lachen.
„Mein Name ist Lothiel. Doch geht es nicht darum, wer ich bin, sondern welche Botschaft ich bringe.“
„Dann wird deine Botschaft warten müssen, bis der Herr erwacht ist.“
Lothiel sprang von Carrochs Rücken und stapfte erzürnten Schrittes auf den Wachmann zu. „Ich bringe dringende Botschaft von der Grenzfeste. Ihr müsst mich sofort zu Eurem Herrn lassen!“
„So, so“, antwortete der Bewaffnete wenig beeindruckt. „Von Rimgarth kommst du. Ein weiter Weg für ein kleines Mädchen.“
Lothiel trat noch einen Schritt auf den Mann zu. „Rimgarth wurde überfallen. Seht dieses Pferd! Glaubt ihr wirklich, ich könnte mir ein solches Tier leisten? Es stammt von einem Boten der Grenzfeste, der vom Feind schwer verwundet wurde. Daher bat er mich, sein Pferd zu nehmen und seinen Auftrag zu erfüllen. Und wenn ihr mich länger daran hindert, besteht auch für Iden keine Hoffnung mehr.“
Das Lächeln des Wachmanns schwand dahin. Er befahl ihr zu warten, und ließ nach dem Herrn rufen. Nach einer Weile wurde sie vorgelassen.
Beim Anblick des Ritters keimte in Lothiel neue Hoffnung. Er war groß – sicher einen Kopf größer als Adar – und kräftig. Nicht gerade schön zu nennen, anders als Rochon, eher grobschlächtig. Doch seine Gesichtszüge unter dem braunen Schopf zeigten eine Entschlossenheit, die Lothiel verwunderte. Wie hatte sich jemand in den vielen Jahren des Friedens eine Ausstrahlung von solcher Kampfkraft bewahren können? Ellian hörte sich ihren Bericht mit zunehmender Aufmerksamkeit an. Lothiel spürte, dass er mit jedem Wort ungeduldiger wurde.
„Das sind schlimme Nachrichten“, sagte er, als sie geendet hatte. „Ich muss sofort handeln.“
Er gab einem Diener einige eilige Anweisungen, worauf dieser den kleinen Saal verließ. Dann wendete er sich wieder an Lothiel: „Ich danke dir. Möchtest du dich für deinen weiteren Ritt stärken?“
Lothiel fühlte sich befreit. Und jetzt spürte sie auch, dass ihr Magen knurrte. „Dafür wäre ich Euch sehr dankbar.“
„Kamarling wird dich in die Küche führen. Warte hier nur einen Moment auf ihn. Auch dein Pferd wird versorgt. Doch halte dich nicht zu lange auf, denn bis Arminas ist es noch weit.“ Er klopfte Lothiel auf die Schulter und wandte sich zum Gehen.
Sie hielt ihn zurück. „Aber Herr, ich dachte, ich könne nun nach Hause reiten. Wollt Ihr nicht jemanden zur Königin schicken, dem ich die Botschaften des Hofmarschalls mitgeben kann?“
„Ich brauche jeden Mann, um die Verteidigung Idens zu sichern. Du wirst deinen Auftrag zu Ende führen müssen.“
Lothiel wollte es nicht wahrhaben. „Ich bin nur ein kleines Mädchen, Herr …“
„Hör zu! Es ist Krieg. Da kann ich darauf keine Rücksicht nehmen. Also verschwende nicht meine Zeit und tu, was ich dir befohlen habe.“
Damit ließ er Lothiel endgültig stehen.
Lothiel trottete hinter dem Diener her. Die Küche befand sich in einem gesonderten Gebäude hinter dem Haus. Ein Koch und drei Gehilfen waren hektisch damit beschäftigt, dem Herrn vor seinem überraschenden Aufbruch noch eine Mahlzeit zusammenzustellen. Man gab ihr eine dicke Scheibe Brot und eine Schüssel aufgewärmter Suppe vom Vorabend. Doch in ihrer Enttäuschung aß sie, ohne sich bewusst zu werden, ob ihr das Essen schmeckte. Sie machte sich Vorwürfe. Sie war jetzt sechs Tage von zu Hause fort und Adar und Naneth mussten vor Sorge fast umkommen. Sie konnte doch jetzt nicht noch weiter nach Arminas reiten. Sie musste zurück, was auch immer Ellian befohlen hatte. Schließlich war sie ihm nicht zu Diensten. Sie war die Tochter eines freien Mannes, selbst wenn er nicht von Adel war. Entweder verzichtete Ellian auf einen Mann, der die Botschaft weitertragen könnte, oder es würde sich in Iden jemand finden. Lothiel beschloss, noch einmal mit dem Freiherrn zu sprechen.
Auf dem kleinen Platz vor der Zugbrücke sammelte sich eine Gruppe Bauern und Handwerker. Offenbar hatte Ellian einigen seiner Hörigen befohlen, ihm nach Iden zu folgen. Unter den Männern entdeckte Lothiel auch ein paar junge Burschen. Einen sah sie, der kaum älter sein konnte als Gilborn. Keiner der Männer war ein Krieger. Sicher brauchte Ellian sie für andere Aufgaben als den Kampf in der Schlacht.
Wie ihr der Bewaffnete von der Zugbrücke sagte, war der Freiherr bereits nach Iden aufgebrochen. Also ließ sie sich zu Carroch führen und ritt ihm nach.
Sie musste sich beeilen, wollte sie ihn noch einholen. Zwar konnte sie ihn und zwei weitere Reiter weit vor sich auf der ansteigenden Bhalstraße sehen, doch Ellian ritt schnell und sie musste Carroch zu einem scharfen Galopp antreiben. Den wenigen Menschen, die ihr entgegenkamen, konnte sie ansehen, dass Ellian sie bereits gewarnt hatte. Furcht spiegelte sich in ihren Gesichtern und trieb sie zur Hast. Nach Iden war kaum noch jemand unterwegs. Der Freiherr hatte die Kuppe des Hügels fast erreicht, als Lothiel endlich nah genug war, ihn anzurufen. Die Gruppe hielt und wendete die Pferde. Neben dem Ritter bestand sie aus einem Bewaffneten und einem jungen Knappen, der Ellians Streitross, einen kräftigen Braunen, am Zügel führte.
„Solltest du nicht auf dem Weg nach Arminas sein?“, rief ihr der Ritter entgegen. „Die Brücke bei meinem Dorf wäre der schnellere Weg gewesen.“
„Ich wollte Euch bitten, ob Ihr nicht doch einen anderen schicken könnt.“ Lothiel ritt Ellian weiter entgegen. Sie konnte sehen, wie dem Freiherrn die Zornesröte ins Gesicht stieg.
„Glaubst du wirklich, ich kann mich jetzt noch länger mit deinen Albernheiten befassen? Es gibt Wichtigeres zu tun!“
Lothiel zügelte Carroch. „Ich kann meine Eltern nicht länger …“
Sie wurde durch ein lautes Wiehern unterbrochen. Der Schimmel des Ritters stieg, sodass sein Herr den Halt verlor und zu Boden fiel. Das reiterlose Tier stürmte auf Lothiel zu. Als es an ihr vorbeipreschte, sah sie den Pfeil, der aus seiner Flanke ragte. Der Bewaffnete riss sein Pferd herum. Der Knappe schrie auf und sank kraftlos auf den Nacken seines Tieres. Dabei befreite sich das Streitross und galoppierte dem Reitpferd des Freiherrn nach. Ellian hatte sich inzwischen aufgerichtet und brüllte den Bewaffneten an, er möge ihm seinen Rappen überlassen. Der Mann hob sich bereits aus dem Sattel, blickte dann aber wieder in die Richtung, aus der die Pfeile gekommen sein mussten. Ohne weiter auf seinen fluchenden Herrn zu achten, wendete er sein Pferd zur Flucht.
„Es ist zu spät!“, schrie er Lothiel entgegen. „Bring dich in …“ Sein Kopf schnellte nach vorn. Blut strömte aus seinem Mund, sein Körper erschlaffte und als der Rappe auf Lothiels Höhe war, sah sie den Pfeil in des Mannes Hinterkopf.
Lothiel starrte zu Ellian. Der sah sie an, Wut in seinem fordernden Blick, schien zu überlegen, dann schrie er: „Mach schon! Verschwinde!“
Er drehte sich um und zog sein Schwert. Schon hörte Lothiel das Donnern vieler Hufe. Es kam von Iden den Hügel herauf. Sie erwachte aus ihrer Starre …