Verschmolzen
Sie sitzt angespannt. Ihre Pupillen fliegen ruhelos am Bildschirm, der sich vor ihr auf dem alten Holztisch aufbäumt, auf und ab und die Finger der rechten Hand verkrampfen sich über der Tastatur. Ihr Gesicht starrt emotionslos. Hochkonzentriert. Dann plötzlich schnaubt sie. Sie lässt sich nach hinten gegen die Stuhllehne fallen und fährt sich durch das Haar. Kringelt eine einzelne Strähne um den Zeigefinger. Die Muse will sie heute nicht küssen. Draußen hört sie den Wind gegen die Hauswand schlagen. Ein Vöglein piept. Irgendwo quietschen Autoreifen. Endlich blinzelt sie. Einmal. Zweimal. Sie rafft sich wieder auf,
setzte sich kerzengerade und lässt die Finger über die Tasten tanzen. Ein Tanz, damit lässt sich das hektische Hämmern auf die Buchstaben wohl am ehesten vergleichen. Und sie schreibt. Sie sitzt angespannt. Das sind die ersten drei Worte. Ihre Pupillen fliegen rastlos am Bildschirm, der sich vor ihr auf dem alten Holztisch mit den Kratzern und der kleinen Macke am vorderen Holzbein aufbäumt, auf und ab. Die Finger der rechten Hand liegen krampfhaft auf der Tastatur. Ihr Gesicht starrt emotionslos. Hochkonzentriert. Dann plötzlich schnaubt sie und lässt sich erschöpft nach hinten gegen die Stuhllehne fallen. Nur erstickend langsam will die Muse heute ihr Herz küssen. Kein Gedanke formt sich in ihrem Kopf. Keine Idee will sich ins
Rampenlicht rücken und aufgeschrieben werden. Als klaffte in ihrer Fantasie ein schwarzes Loch. Sie blickt auf. Löst sich von dem Bildschirm und nippt an dem Tee, der schon seit einer halben Stunde zieht. Er ist fast kalt. Kopfschüttelnd widmet sie sich wieder ihrer Geschichte. Liest noch einmal prüfend die letzten paar Sätze. Lächelt und schreibt weiter. Ihr Blick wandert suchend durch den Raum. Suchend nach einem Funken Inspiration. Sie weiß nur selbst noch nicht was es sein man. Ihre Augen streifen bald den Fernseher, bald die Balkontür, bald das Fenster, wo sie die Äste der Bäume bedrohlich wanken sieht. Draußen hört sie den Wind gegen die Hauswand schlagen. Immer noch schnaubend löst sie sich von dem
Anblick und nippt an dem Tee, der schon seit über einer halben Stunde zieht. Er ist kalt. Kopfschüttelnd stellt sie die Tasse wieder zurück und wippt stattdessen ein Wenig auf dem Stuhle hin und her. Ihre Arme hat sie vor der Brust verschränkt, als endlich ein Blinzeln über ihre Mimik huscht. Sie schnippt mit den Fingern, rafft sich endlich auf und schreibt. Sie schreibt von einem Mädchen. Wie es da sitzt, angespannt, fest auf de Bildschirm starrend, der sich vor ihr auf dem alten Holztisch aufbäumt. Schreibt ihrem Kampf mit der Leere in ihrem Kopf. Die Muse will sie heute nicht küssen. Ihr Kampf mit der Ideenlosigkeit, die daherkommt, als klaffte in ihrer Fantasie ein schwarzes Loch. Sie schaut aus dem Fenster, nippt versunken an
ihrem kalten Tee, bis endlich ein Gedanke sie einnimmt. Bis endlich ein Gedanke sich einnistet, sich ausbreitet und Wort wird. Dann endlich rafft sie sich auf und schreibt. Sie lässt ihre Finger tanzen. Zufrieden nickt sie. Sie erhebt sich vom Bildschirm und wartet. Tief durchatmend. In ihrem Kopf puzzeln sich Worte zusammen. Dutzende Worte, wie in einem reißenden Strom. Schluckend schließt sie die Lider. Sie kneift sie einen Moment fest zusammen, als könnte sie dadurch die richtigen Buchstaben aus dem Wortchaos herausfiltern. Dann setzt sie erneut an, das letzte Mal an diesem Abend, dass sie die Tasten zum Klappern bringt. Flink huschen ihre Fingerkuppen wieder über die Tastatur und schreiben die letzten paar Sätze auf.
Zufrieden nickt sie. So fängt der letzte Absatz an. Ein guter Anfang für das Ende. Sie löst sich von dem flimmernden Bildschirm und liest sich prüfend nochmal die letzten paar Worte durch, die sie geschrieben hat. Dann lächelt sie, schließt die Augen und wartet. Tief durchatmend. Puzzelt in ihrem Kopf die letzten Buchstaben zusammen, filtert sie aus dem Wortechaos heraus. Bald setzt sie an den Schlusssatz zu tippen. Überglücklich. Befriedigt. So endet ihre Geschichte also. Das Mädchen lächelt. Sie steht auf von dem alten Holzstuhl an dem alten Holztisch und streckt sich glücklich nach getaner Arbeit. Und sie weiß, dieses ist etwas ganz Besonderes. Denn sie weiß, sie ist mit ihrer Geschichte verschmolzen.
Ich klappe den Laptop zusammen und grinse. Strecke mich glücklich. Mein Blick streift das Fenster, wo die Äste der Bäume bedrohlich wanken. Dann stehe ich auf und gehe in die Küche, um mir einen neuen Tee zu kochen. Der hier ist längst kalt.
* * *
© Fiona Wicka, 2013