Ällabätsch
Ällabätsch! Eigentlich hätte ich erwartet, dass meine Alma das jetzt sagt. Immer wenn sie wieder mal recht hat, was erstaunlicherweise oft vorkommt, sagt sie „Ällabätsch!“. Wo sie das her hat ist mir ein Rätsel. Ich kann mir nur vorstellen, dass das Wort aus ihren frühen Sandkastentagen kommt. Einer dieser blöden Nachbarsbuben wird ihr den kunstvoll mit Kieselsteinen dekorierten Kuchen zertreten haben, den sie gerade frisch aus dem Metallförmchen entlassen hatte. Wie ich sie kenne, hat sie wahrscheinlich dem
Bösewicht den Arm auf den Rücken gerissen, ihn zu Boden geschleudert, sein Gesicht in die Mulde gedrückt, in der sie gerade Wasser und den weißen Spielsand zu einer formbaren Pampe angerührt hatte, ihm ihr Knie in den Rücken gebohrt und „Ällabätsch!“ gesagt. Resolut sein und Kuchenbacken, das konnte meine Alma schon immer, deshalb wollte ich sie unbedingt.
Gut, wir kennen uns schon eine Weile, aber dass sie jetzt etwas ganz anderes sagt, hätte ich nicht erwartet.
In der Grundschule waren wir dick befreundet und ich mochte meine Alma so richtig gern, seit sie den ekligen Günther, der in meinem Federmäppchen
eine Stinkbombe versteckt hatte, nach Strich und Faden verdrosch. Danach gab ich ihr immer die Hälfte meiner frischen Butterbretzel ab, die ich morgens von meinem Großvater, dem Bäcker, bekam, wenn ich auf dem Schulweg in seinem kleinen Laden vorbeischaute.
Wir haben früh geheiratet. Ich habe Konditor gelernt und sie Einzelhandelskauffrau, eine gute Verbindung, um den kleinen Laden meines Opas zu übernehmen. Später kam dann das Tagescafe dazu. Als unser erster Sohn geboren wurde, nahmen wir eine Aushilfe. Es kamen noch fünf andere Kinder, drei Mädchen und noch
zwei Jungs und meine Alma hatte genug zu tun. Sie sind schon lange aus dem Haus und der Älteste hat selber vier Schratzen. Den Laden haben wir auch schon lang verkauft und unseren Schrebergarten schaffen wir gerade noch so, wir sind ja nicht mehr die Jüngsten. Für unsere 3-jährige Enkeltochter Rebecca haben wir erst vor dem Sommer einen Sandkasten an der Stelle des Rosenbeets aufstellen lassen. Das ist viel weniger Arbeit. Jetzt, wo wir es gemütlich hätten, muss sie mir das antun. Das blöde Mehl, obwohl meine Alma doch nur noch für die Familie gebacken hat. Sie liegt in ihrem Bett und hustet sich die Seele aus dem Leib.
Selten hat sie ruhige Phasen, dann sagt sie was Kurzes; sie braucht nie viele Worte.
Ich hätte ihr verziehen, wenn sie gesagt hätte: „Ällabätsch, ich gehe früher als du.“ Die Ärzte sagen, es komme vom Mehlstaub, sie hatte schon immer eine Allergie dagegen, und sie geben ihr noch wenige Wochen. Aber nein, sie sagt: „Ich liebe dich.“