Der erste Schnee
Hallo ich bin Wugi, die kleine Waldfee. Und heute möchte ich euch von einem Abenteuer berichten, als es zum ersten mal in diesem Jahr so richtig geschneit hatte.
Eines Morgens wachte ich auf, weil mich das Lachen von Kindern, das aus der Ferne zu vernehmen war geweckt hatte. Ich schaute aus dem Fenster und sah voller Freude, dass es geschneit hatte. Nun wollte ich
aber auch wissen, wo das Kinderlachen herkam. Meine Mutti schlief noch, weil sie am Abend zuvor Vitamine an die Rehe und Hirsche verteilt hatte, damit diese den nahenden Wintereinbruch gut überstehen würden.
Ich schlich mich also aus dem Haus und folgte den Geräuschen. Nicht weit von unserem Haus entfernt sah ich dann auf dem kleinen Hügel, wie Menschenkinder mit Schlitten den Hang hinab sausten. Ich beobachtete sie eine Weile und es schien ihnen eine Menge Spaß zu machen. Ich wollte unbedingt auch so einen Schlitten.
Ich flatterte also wieder nach Hause. Meine Mutti war inzwischen auch schon wach und bereitete das Frühstück vor, als ich ins Haus stürmte. „Ich will einen Schlitten!“, rief ich ihr entgegen.
Meine Mutter sah mich verdutzt an.
„Auch dir einen guten Morgen, kleine Wugi“, sagte sie. Meine Mutti bestand darauf, dass wir uns als erstes jeden Tag einen guten Morgen wünschten.
„Ja, guten Morgen“, fuhr ich fort. „Die Kinder haben am Hang eine Menge Spaß mit ihren Schlitten und ich will auch einen.“
„Einen Hang?“, fragte meine Mutter
erstaunt. „Nein,“ erwiderte ich. „Einen Schlitten.“
Meine Mutter lachte. „Ja Wugi, das hab ich ja verstanden. Doch wo soll ich denn einen Schlitten her bekommen?“
„Du könntest mir doch einen her zaubern“, schlug ich vor. Meine Mutter sah mich ernst an. „Wugi. Ich hab dir doch schon oft gesagt, dass Waldfeen nur zaubern, wenn...“ „Ja, ja“, unterbrach ich sie. „Waldfeen zaubern nur im absoluten Notfall. Aber ich will doch Spaß haben, so wie die Kinder beim Schlittenfahren.“
„Spaß haben zu wollen ist nun mal kein Notfall“, entgegnete sie. „Aber
nach dem Frühstück kannst du ja mal bei Gunnar dem Gnom vorbei schauen, Vielleicht bastelt er dir einen.
Gunnar der Gnom wohnte in einem hohlem Baumstamm, nicht weit von uns. Er sammelte allerlei skurriles Zeug und bastelte daraus die tollsten Sachen.
Nach dem Frühstück machte ich mich also auf den Weg zu ihm und klopfte schließlich an seine Tür. „Wer ist da?“, krächzte er von innen. „Wugi“, antwortet ich. „Wugi? Welche Wugi?“, fragte er. „Wugi, die keine Waldfee“, sagte ich.
„Wugi“, rief er erfreut, während er
mir die Tür öffnete. „Was verschafft mir denn die Ehre?“ „Äh... Ehre?“, antwortete ich. „Eigentlich wollte ich nur fragen, ob du einen Schlitten für mich hast.“
„Einen Schlitten?“, wollte er wissen. „Wozu denn einen Schlitten?“. „Naja“, erklärte ich. „Es hat geschneit und da dachte ich...“ Weiter kam ich nicht, denn er schob mich zur Seite, sah nach draußen und rieb sich das Kinn. „Hm“, sagte er. „In der Tat. Es hat geschneit. Wo du Recht hast, hast du Recht. Und wenn es geschneit hat, ist ein Schlitten nur die logische Konsequenz. Da hast du gut gedacht, kleine Wugi. Ich glaub, ich hab sogar
was für dich.“
Er kletterte über die Leiter in den ersten Stock und kramte da in irgendwelchen Sachen herum. Ich blieb vorsichtshalber lieber unten. Auf einmal schepperte es gewaltig und er fing an zu fluchen.
„Hast du das gehört?“, wollte er wissen. „Das Scheppern?“, fragte ich. „Nein, das Fluchen“, antwortete er. „Ich hab´s gehört, aber nicht verstanden“, rief ich nach oben.
„Gut, gut. Sehr gut“, sagte er. „Deine Mutter liest mir die Leviten, wenn sie erfährt, dass ich dir das Fluchen beibringe.“ Dann schepperte und polterte er weiter da oben rum.
„Pass jetzt mal auf!“, rief er, als auch schon ein großer Karton die Leiter hinab sauste. Als dieser unten ankam, war ein beängstigendes Klirren aus dem Karton zu hören.
„Lies mal, was drauf steht!“, rief Gunnar von oben. „Weihnachtsschmuck“, las ich vor.
„Oje, oje“, jammerte er oben. „Na, da muss ich wohl neuen besorgen. Wer sagt`s denn , da ist er ja. Geh mal von der Leiter weg!“ Und schon sauste ein Schlitten die Leiter hinunter und landete auf dem sowieso schon zerdepperten Karton. Dann stieg auch Gunnar wieder herunter und
begutachtete den Karton. „Oje, oje“, jammerte er wieder, als er den klirrenden Karton schüttelte. „Na, da muss ich wohl neuen besorgen.“
„Und“, wollte er wissen. „Wie gefällt er dir?“ „Es ist ein sehr schöner Schlitten“, bestätigte ich. „Na, wenn er dir gefällt, ist es jetzt deiner“, sagte er . Ich bedankte mich artig und zog dann mit meinem neuen Schlitten ab. Als ich Gunnars Baum verließ, hörte ich noch, wie er nochmal den Karton schüttelte, jammerte und zu sich selber sagte, dass er dann wohl neuen besorgen müsse.
Als ich so durch den Schnee stiefelte
und den Schlitten hinter mir herzog, auf dem Weg zum Hügel, dachte ich mir, dass alleine schlittenfahren eigentlich gar nicht so viel Spaß machen würde.
Für Hansi Hase und mich wäre der Schlitten zu klein, aber die Haselmaus wäre der ideale Rodelpartner. Außerdem lag ihr Bau genau auf dem Weg zum Schlittenhang.
An ihrem Bau angekommen sah ich, dass sie den Eingang mit Ästen und Laub verschlossen hatte, das ich alles erstmal wegräumen musste. Dann betrat ich ihren Bau und sah sie friedlich schlummernd in ihrem
Nestchen liegen. Ich rüttelte an ihr, damit sie aufwachte.
„Was...wer?“, stammelte sie, rieb ihre Äuglien und sah mich dann an. „Wugi, was ist denn los? Ist es etwa´schon Frühjahr?“, wollte sie wissen. „Im Gegenteil, du Schlafmütze. Es hat geschneit“, rief ich freudig.
Sie blinzelte in Richtung Eingang. „Und deswegen lässt du meine Tür offen?“, schimpfte sie. „Welche Tür“, fragte ich. „Da waren nur ein paar olle Zweige und Blätter.“ „Das ist meine Tür!“, rief sie jetz schon ziemlich zornig. „Ja, ja, schon gut“, beruhigte ich sie, ging zum Eingang und räumte die Blätter und Zweige
wieder davor.
„Also, was willst du Wugi?“, fragte sie jetzt etwas ruhiger. „ich brauche meine Ruhe.“
„Ach was, Ruhe“, sagte ich. „Es hat geschneit, ich habe einen Schlitten und wir fahren jetzt den Hang runter. Das wird ein riesiger Spaß.“
„Ein Spaß“, wiederholte sie. Ich nickte. „Mit dem Schlitten“, fuhr sie fort. Ich nickte wieder. „den Hang runter und das mitten im Winter“, sagte sie schließlich. Ich nickte noch eifriger.
„Und du gibst keine Ruhe, bevor ich nicht mitkomme,“ bemerkte sie ganz richtig. „Nein, tu ich nicht“,
bestätigte ich.
Sie seufzte. „Also gut, ich komm mit“.
Wir machten uns also auf den Weg zum Hang, der inzwischen menschenleer war. Dort angekommen, setzte ich die Haselmaus vorne auf den Schlitten und mich dahinter. Dann schubste ich uns mit den Füßen an und schon begann die wilde Fahrt.
„Nicht so schnell“, rief die Haselmaus. Mir gefiel es zwar, wie schnell wir den Hang hinab sausten, aber ich versuchte trotzdem zu bremsen. Irgendwie gelang es mir aber nicht beim Bremsen den Schlitten gerade zu halten. „Halt doch
an“, bettelte die Haselmaus jetzt verzweifelt. „Ich kann nicht“, rief ich ihr zu.
Als ich die Schneewehe auf uns zu rasen sah, setzten sich meine Flügel wie von selbst in Bewegung und ich flatterte hoch in die Luft.
Haselmäuse können nicht fliegen und so sauste sie mit dem Schlitten in den Schneehaufen.
Ich landete wieder und zog sie heraus. „Alles in Ordnung?“, fragte ich. Sie schüttelte sich etwas und musste dann niesen, dass der Schnee nur so zur Seite stob.
Das sah lustig aus, weswegen ich auch lachen musste. „Na toll“, sagte
sie „Jetzt hab ich mich erkältet und du lachst mich auch noch aus.“ Sofort tat mir die Haselmaus Leid. „Ich wollte dich nicht auslachen“, sagte ich. „Komm mit zu meiner Mama. Die hat bestimmt was für dich“, schlug ich vor.
Mein Mutti war ganz erstaunt, als ich mit der Haselmaus bei uns zu hause ankam. „Haselmaus, was machst du denn hier? Müsstest du nicht in deinem Bau sein?“, wollte sie wissen. „Das müsste ich wohl“, antwortete sie, während sie mich vorwurfsvoll ansah.
„Wugi. Was hast du wieder angestellt?“, fragte meine Mutti mich.
„Ich?“, antwortete ich. „Gar nichts. Gunnar hat mir den Schlitten geschenkt und da dachte ich, allein fahren macht keinen Spaß und da fiel mir die Haselmaus ein und jetzt hat sie Schnupfen.“ Wie zur Bestätigung musste die Haselmaus niesen.
„Ach Wugi, was du immer für Sachen machst““, sagte meine Mutter. „Die Haselmaus braucht doch ihre Winterruhe. Sie kann nur eine begrenzte Menge Futter sammeln und muss deswegen die meiste Zeit im Winter schlafen, damit ihr am Ende nicht das Futter ausgeht.“ ;Aber sie kann doch bei uns essen, wenn sie nichts mehr hat“, entgegnete ich.
Meine Mutter lachte. „Ja, das könnte sie,aber die Natur hat es nun mal nicht so vorgesehen.“
Nachdem die Haselmaus ihre Medizin bekommen und eine Tasse heißen Tee getrunken hatte, brachte sie meine Mutter wieder in ihren Bau.
Ich versprach, dass ich die Haselmaus nicht mehr wecken würde, wenn sie schlief und nur mit ihr spielte, wenn sie sowieso wach war.
Also Kinder. Das war mein Abenteuer im Schnee. Und wenn ihr mal im Winter im Wald unterwegs seid, verhaltet euch leise. Es gibt sehr
viele Tiere, die ihre Winterruhe brauchen.
Bis bald, servus, eure Wugi.