lampenfieber
Natürlich könnte man sich allmählich lieber einen auf die Lampe gießen, aber das würde das Problem kaum klären, mal abgesehen davon, dass ihn inzwischen das Lampenfieber derart erfasst hat, dass es kaum zu beschreiben war.
Ich muss, ehe ich auf die Details komme, etwas zurückgehen. Meine Mutter ist betagt, sehr betagt, was sie allerdings nicht hindert, noch diverse Ideen zu gebären. Gerne würde sie in ihrem Wohnzimmer etwas verändern. Mal den Fernseher nebst Schränkchen
auf die eine Seite, mal das Sofa auf die andere. Diesmal hatte sie die unglaubliche Idee, den Tisch und das kleine Sofa an das Fenster zu holen, was zur Folge hatte, dass die gerade von meinem Mann mühsam über dem Tisch angebrachte, neue Hängelampe irgendwie überflüssig über dem Teppich schwebte. Am Fenster war es heller am Tage, abends leider nicht, denn die Lampe strahlte nunmehr nur den Fußboden an, auf dem Tisch war es schummrig.
Meine Mutter half sich, indem sie eine Stehlampe heranrückte. So ging es. Eines Tages bot die Putzfrau an, die
nutzlose Deckenlampe, an der man sich schnell den Kopf stoßen konnte, wieder ab zu montieren und sie in den Keller zu bringen. Nun war das Zimmer ohne großes Licht. Wenn man rein ging, war es zunächst dunkel, und es musste mit dem Rollator der Weg zur Stehlampe zurückgelegt werden.
Mein Mann hatte nach einem Jahr die großherzige Idee, sich freiwillig noch einmal mit der Lampe beschäftigen zu wollen. Damit endlich wieder Licht über dem Tisch wäre, so wie es sich eben gehört. Er dachte sich, dass die Lampe sicher problemlos schnell anzubringen wäre, er hatte es ja schon einmal super geschafft und die Schwiegermutter
würde sich freuen. Ja natürlich freute sie sich, denn sie wagte nicht selber diesen Wunsch zu äußern, hatte sie doch noch in sehr guter Erinnerung wie mühsam es ist, alles auf die richtige Höhe zu bringen und vor allen Dingen zum Leuchten.
Ich bin also in den Keller getrabt, um die Lampe hoch zu holen. Sie war mustergültig verpackt und verklebt. Dagegen gibt es nichts einzuwenden, nur waren die langen Aufhängungen total in sich verschlungen. Ein Wirrwarr! Diesem war im Guten nicht bei zu kommen. Mein Mann musste also notgedrungen ziemlich viel auseinander schrauben, um das Chaos wieder zu
richten. Er investierte eine Stunde Arbeit, mit inwendigem Fluchen. Ich prüfte die großen Energiesparbirnen. Sie waren heil. Immerhin.
Mein Mann stand inzwischen auf der Leiter, um über dem Tisch die notwendigen Löcher zu bohren, doch die einfachen Dübel würden die Lampe nicht halten. „Wir müssen Spreizdübel besorgen und natürlich zwei Meter Kabel für das Verlegen der Lampe,“ sprach er und bemühte sich locker zu klingen. Ich hielt das Staubsaugerrohr hoch, um das ganze Gebrösel gleich weg zu saugen. Die Oma saß mit großen Augen etwas abseits in ihrem Sessel. Zum Baumarkt war man schnell
hingefahren und nach einigem Suchen fanden wir das Richtige. Der Nachmittag war nun vergangen, aber die Dübel passten. Es war dunkel geworden. So beschlossen wir die weiteren Arbeiten zu verschieben, denn wir hätten ja beim Anbringen hin und wieder die Sicherungen raus schrauben müssen.
Bei unserem nächsten Besuch, die Lampe lag auf dem Sofa, wollte mein Mann prüfen, ob alles in Ordnung wäre, also die Lampe auch im Ernstfall leuchten würde. Er testete es auf kluge Art, indem er nämlich von einer Schnur einen Stecker abschraubte (dauerte ein bisschen bis ich eine abschraubbaren
fand), auch das Abschrauben und Anschrauben an das Lampenkabel brauchte seine Zeit, aber schließlich flammte eine der Lampen auf - die andere nicht. Sollte sie aber, denn schließlich ist es eine zweiflammige Hängelampe, eine wunderschöne. Mein Mann untersuchte nun die Fassung und stellte, nun schon hörbar fluchend, dass die Fassung defekt wäre. Meine Mutter verlor keinesfalls ihre Fassung. Dann müsse sie eben eine neue Lampe kaufen, meinte sie.
Mein Mann ist keine Mensch, der gleich aufgibt und schnell alles wegwirft und neu kauft, obgleich es in dem Fall meine Mutter bezahlen würde. Nein, das
Lampenfieber hatte ihn ergriffen. Er würde das verdammte Lampentier schon zu bändigen wissen. „Der Mistbock wird leuchten, verlasst euch drauf,“ knurrte er.
Wir fuhren mit der wahrlich mühevoll ausgebauten Lampenfassung in den Baumarkt und fanden nach langem Suchen eine ähnliche. Vorher musste noch der Prüfstecker wieder ab- und anmontiert werden. Für den Nachmittag hatten wir genug. Die Lampe lag auf dem Sofa.
Beim nächsten Besuch brachte mein Mann die neue Lampenfassung an. Nein, das ging wirklich nicht sehr schnell, denn nichts durfte abbrechen. Ich habe mit der Taschenlampe die Löcher angeleuchtet. Schließlich war alles dran und der Test mit dem Stecker, Ab- und Anbau inklusive, konnte gewagt werden.
Bingo! Alle beiden Birnen leuchteten. Mein Mann, der Lampenoperateur! Ich bin stolz auf ihn. Wir bringen die Lampe über den Tisch an bis sie richtig toll in richtiger Höhe hängt.
Jetzt begann das Eigentliche: das Anschließen der Lampe an die Strömlinge. Das sollte schneller gehen. Die richtigen Kabel an die richtigen Kabel und schon ist Licht in der Bude! Ich bin immer nur zum Sicherungskasten, um zu verhindern, dass mein Mann verschmort von der Leiter fällt. Wer will den so etwas? Die Lampe leuchtete nach verschiedenen Versuchen nicht. Lichtschalter an, Lichtschalter aus. Sicherung raus – ein
neuer Versuch. „Das kann hier nicht gut gehen,“ meint mein Mann und es knallte. Er hatte einen schwarzen Daumen und fluchte nun hemmungsloser, denn er hatte alle Möglichkeiten der Verkabelung ausgelotet.
Die Schwiegermutter hätte da eine Idee,
war zu vernehmen. Vielleicht wäre ja beim Anbringen oben ein Kabel wieder raus gerutscht? Ich ziehe eine Flunsch. Alles wieder abschrauben? Ja, das müsse man abklären, meinte mein Mann und ist schon am Schrauben. Ich musste die Lampe halten. Immer schön die Arme hoch. Meine Mutter beobachtete interessiert das Treiben. Nein, das war es nicht. Wir waren sehr ratlos und mein Mann war innerlich und äußerlich ziemlich am Ende. Am liebsten würde er jetzt Säure auf die Lampe schütten oder Ähnliches, damit sie verrecke. Er verstand die Welt nicht mehr, hatte er doch in seinem Leben schon unglaublich viele Lampen zum
Glühen gebracht. Er warf noch einen Blick auf den Schalter, wollte aber lieber erst einmal nachdenken und schlug zu meiner Erleichterung vor, dass meine Mutter doch einmal den Hausmeister bemühen sollte, oder den Hausverwalter bitten könnte, einen Fachmann zu schicken.
Ja und so geschah es. Ein Elektriker kam am Wochenende um Brandmelder anzubringen, dabei schaute er sich alles an, auch den Schalter. „Den tauschen wir aus“, meinte er, dann war es nur noch ein Klacks und die Lampe leuchtete. Man konnte sie auch an und ausschalten. Ist das nicht schön.
Meine Mutter rief uns an und meldete
das Ereignis. Mein Mann meinte, er hätte als nächstes den Schalter repariert. Der liebe Gott hatte uns davor bewahrt. Nein, der Meister der Strömlinge war es. Ich bin trotzdem stolz auf meinen Mann, denn er hatte meine Mutter auch davor geschützt, eine neue Lampe zu kaufen und die alte wegzuschmeißen. Sein Daumen ist auch nicht mehr schwarz. Kann eigentlich so ein Stromschlag etwas anrichten, also etwas bewirken? Vielleicht nie mehr freiwillig der Schwiegermutter eine Gefälligkeit anzubieten? Ich glaube eher nicht.