Scheiße, jetzt ist es so weit: Ich bin im Raster! Ich bin so was von gerastert, ich könnte ausrastern! Nichtsahnend stehe ich heute Morgen am Flughafen Tegel, ausgestattet mit verklebten Augen und schaue aufgrund Kaffeemangels aus der Wäsche wie ein frisch aus der Hölle entschlüpfter Landurlauber, da zieht mich einer der gefühlt fünfzig Kontrolleure, die sich am Winz-Gate Nummer 11 zusammendrängen wie eine uniformierte Schafherde, zur Seite und bittet mich höflich, ihm zu folgen. Klar geht mir erst mal die Pumpe, als der aufgeweckte Herr sich mein Notebook krallt und in Richtung einer dubiosen Tür marschiert. Mit Knien aus Butter
marschiere ich hinterher. Immerhin bin ich jetzt so was von wach und kann schon mal drüber nachgrübeln, was ich wohl ausgefressen haben mag: Illegale Pornos dürften keine auf der Platte liegen, also werde ich wohl beim Twittern die Klappe zu weit aufgerissen haben. Schon sehe ich Bekannte und Familie die Köpfe schütteln und einvernehmlich sagen, sie hätten ja schon immer gewusst, dass einer, der mit knapp 160 Zentimeter Körpergröße unter jedem Radar durchschlüpft, irgendwas ausgefressen haben muss.
»Keine Sorge, wenn Sie nichts zu verbergen haben, müssen Sie auch nichts
befürchten«, flötet derweil der unverschämt gut gelaunte Kerl frisch aus dem Legokasten für Satzbausteine, während er noch immer mein Notebook vor sich her trägt wie einen fauligen Karpfen. Alter, weißt du, was ich alles zu verbergen habe? Zwei, drei Schokoriegel vom Arbeitgeber nicht bei der Steuer angegeben, die Tür nie geöffnet, wenn der Rundfunkspitzel auf der Matte stand, vorm Schloss Bellevue ins Gebüsch gepinkelt, und und und! Wenn sie mir jetzt nur die Finger brechen und die Nase abschneiden, kann ich wohl von Glück reden! Und dann … »Sprengstoffkontrolle« steht da auf einem kleinen Schildchen. Eine reichlich
erkältete Dame schlurft röchelnd und hustend herbei, fährt mit einem Wattestäbchen über mein Notebook und gibt nach kurzer Analyse Entwarnung. Aha, kein Plutonium an Bord. Durch die Kontrolle muss ich trotzdem noch einmal, wer weiß schließlich, was ich unterwegs geklaut habe? Ist schon klar, mein klobiges Dienst-Notebook, ist natürlich eine verkappte Bombe. Einmal Strg, Alt und F6 gedrückt, schon kracht’s gewaltig im Karton. Big Bang! Und mittels weiterer Tastenkombinationen verwandelt sich das Ding wahlweise in ein Surfbrett oder ein Kilo Lembasbrot, das mich über Wochen bei Futter
hält.
Wie aber auch könnte ich‘s den paranoiden Sicherheitsfanatikern hierzulande verdenken? Seit eine bärtige Bergziege namens Osama Bin Laden unbedingt New Yorks Skyline aufs Wesentliche reduzieren musste, wird aus Übersee vorgegeben, dass Terror und Verrat nicht nur vom sprengstoffgürtelbewehrten Turbanmullah ausgehen, der in krümeligen Internetvideos drohend den Wackelfinger hebt, sondern schon im heimischen Notebook anfangen.
Genau deswegen hat’s jetzt auch das
Paralleluniversum World Of Warcraft erwischt. Wer die letzten zehn Jahre unter einem Stein verbracht hat, dem sei in Kürze gesagt, das ist ein Online-Computerspiel, in dem sich Nerds aus aller Welt Tag für Tag die Rübe einknüppeln, während sie vergessen, welche Jahreszeit draußen herrscht. Wie in solchen Metiers üblich, erfinden die Teilnehmer recht schnell eine, nun, etwas eigentümliche Sprache, die sich zumeist aus Abkürzungen, die niemand sonst versteht, und entsetzlichen Sprachverstümmelungen wie der hier zusammensetzt: »OMG!!!!! da war grad son mongo der hat mich gekillt als ich grad mit 5 mobs am popo grinden war!!!«
Alles verstanden? Gut, ich auch nicht. Solchen Käse habe ich schon werktags von neun bis fünf um die Ohren, da brauch ich das nicht auch noch nach Feierabend. Ähnlich muss es wohl auch jedermanns Lieblingsorganisationen gleich nach dem Weihnachtsmann und seinen Wichteln, der NSA, sowie seinem kleinen britischen Wadenbeißer, dem GCHQ, gehen. Denn wie inzwischen bekannt ist, werden nicht nur Hinz und Kunz bis auf die getragenen Unterbuchsen ausgespäht, sondern auch vermeintliche Realitätsverweigerer mit defizitärem Sozialleben und minus zwanzig
Dipotrien.
Man stelle sich diesen Irrsinn jetzt einfach mal vor: In der virtuellen Bar »Horki Ochsenstämmers Kartoffelküche« mitten im Zwergenstädtchen Ironforge sitzen der grimmige Blutelf Loki Latrine, der bis an die Zähne bewaffnete Zwergenpaladin Wonki Wurstgulasch sowie ein penetrant popelnder Level-70-Orc beisammen und palavern über den anstehenden 19-Uhr-Raid, die neue PlayStation, die Rolle der Frauen in Gildenführungspositionen und über dieses ominöse Real Life, von dem immer alle reden. Plötzlich ist da dieser zwielichtige Gnom am Nachbartisch, der
ganz allein vor seinem Humpen hockt und versucht, nicht aufzufallen. Nicht zum ersten Mal, obwohl dem »Noob« doch erst kürzlich von dem genervten Dreier nebenan ordentlich der Arsch versohlt wurde. Der olle Gnom aber ist nicht etwa ein Loser aus der dritten Klasse, der keine Freunde hat und verzweifelt Anschluss sucht, nein, das ist James Bond. Richtig gelesen, James Bond! Der jettet nämlich gar nicht im Maßanzug um die Welt, schüttelt die Martinis und rührt die Frauen, nein, der hockt in Wahrheit als übergewichtiger Zwangsneurotiker in einem miefigen Kellerbüro ohne Fenster, quarzt den eigenen Blutdruck durch die Decke und
hat nichts anderes zu tun, als jugendliche Spieler wie ehrbare Steuerzahler gleichermaßen im Feierabend zu belauschen – alles im Auftrag Ihrer königlichen Majonäse natürlich. Recht so, schließlich weiß man nie, wann aus so einer virtuellen Kriegsaxt eine ziemlich reale Kofferbombe wird. Die Übergänge sind ja durchaus fließend, wie allgemein bekannt ist. So könnte aus zünftigem Speed-Leveln in Azeroth schnell spaßiges Waterboarding auf Guantanamo werden.
So, und nun stelle man sich einfach mal den Barack Obama daneben vor, wie er da steht und nicht so recht über die
ganze Sache lachen kann, weil er den Witz immer noch nicht verstanden hat. Wie war das noch? »Free at last!« … ach nee, das war ja ein anderer. Vielleicht sollte sich der erfolgreichste Afroamerikaner seit Bill Cosby und Tiger Woods von Obama in O’Brien umbenennen. Phonetisch ähnlich klingend würde Amerikas Strahlemann in korrekteres Orwellsches Licht gerückt. So betrachtet wirkt sein Amtsvorgänger, der nun in Holzfällerhemden durch Talkshows tingelt und den Portraitmaler mimt, wie der kauzige Opa, den ich nie hatte, und Nordkoreas Kim Jong-un wie ein romantisch kommunistisch verklärter Vernunftmensch mit Disney-Fimmel.
Spinne ich die Chose weiter, sehe ich schon vor mir, wie demnächst Otto Normalbürgers Webcamlämpchen aufflackert, während er gerade YouPorn schaut und die Piccoloflöte poliert, weil Übervater Uncle Sam nie weiß, wann der Rubbelmann das Zewas aus der Hand legt und stattdessen ein Dynamitstängchen dreht. Oder wie wäre es mit Spionagedrohnen im Klo, nur um sicherzustellen, dass der Eierleger vom Dienst während seines Geschäfts keine Uranzentrifugenpläne aus dem Spülkasten zerrt? Schwachsinn? Gut, das mit den Drohnen schon, aber dasselbe
hätte vor ein paar Monaten für World Of Warcraft und Konsorten auch gegolten.
So geht es fröhlich weiter, während unsere geliebte Bundesregierung tut, was sie am besten kann: nämlich nichts. Bei diesem gewaltigen Ausmaß an Nichts fragt man sich unweigerlich, ob an solcherlei Kriecherattitüde eigentlich immer noch Adolf Hitler, der schnarchige Politikstil der Angela M. oder doch einfach nur der Dollar schuld ist. Das Resultat ist jedenfalls überflüssig wie ein Kropf. Könnte man auch auflösen, den desolaten Haufen. Am besten in Salzsäure.
Womit ich auch am Ende angekommen wäre, vielleicht ja ganz und gar, denn dieser Text strotzt derart vor Signalwörtern, dass ich gespannt bin, ob ich die Rückreise auch noch antreten darf oder vorsorglich lieber gleich an Ort und Stelle bei der Flughafenkontrolle gesprengt werde. Besser wäre es wahrscheinlich. Wer weiß, was ich sonst noch anstelle?