Der Nikolausabend
-Kindheitserinnerungen-
Der Abend vor dem Nikolaustag war jedes Jahr in unserem Dorf etwas ganz Besonderes, vor allem für uns Kinder. An diesem Abend fand der große Nikolaus- Umzug statt, mit bunten Laternen und einer Musikkapelle. Der Nikolaus in seinem prachtvollen Bischofsornat. Der Grund für diesen festlichen Umzug ist traditionell, denn der Heilige Nikolaus ist der Kirchenpatron der Ortskirche, deshalb wird er auch so großartig gefeiert mit diesem Festumzug für die Kinder
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Bereits im Vorfeld dieser Feierlichkeiten
wurden in den Schulen und in den Kindergärten an kleinen Laternen gebastelt. Jedes Jahr eine neue und es wurden immer nur solche Laternen gefertigt, die nicht wie heute elektrisch, sondern ausschließlich mit echten Wachskerzen beleuchtet wurden.
Zu Beginn der Dämmerung versammelten sich dann alle Kinder mit ihren Eltern vor der Kirche. Die Musikkapelle, die freiwillige Feuerwehr, der Herr Pfarrer und auch der Bürgermeister waren natürlich mit von der Partie. Dort erwarteten sie dann den Nikolaus, der bei dem anschließenden Festumzug segnend durch den Ort schritt.
Für uns Kinder war dies der erste Höhepunkt im Advent. Nach etwa einer Stunde endete
der festliche Umzug und in der Vorhalle der Schule bekam jedes Kind, welches dabei gewesen war einen 'Stutenkerl', oder wie er anderswo auch 'Weckmännchen' genannt wurde. Ob groß oder klein, jedes Kind freute sich natürlich darüber riesig und lief dann geschwind nach Haus, um ja nicht den Nikolaus zu verpassen, denn der besuchte meist nach dem Umzug die Kinder noch einmal zu Haus, um ein jedes von ihnen ein ganz persönlich Geschenk zu überreichen.
Auf dem Tisch standen Teller mit Keksen, welche die Mutter heimlich spät am Abend, während die Kinder schon schliefen, gebacken hatte. Zusammen mit den verschiedensten Nüssen, Mandeln, Äpfeln und Clementinen lagen sie nun sie nun
zusammen zum Vernaschen auf dem Tisch.
Die Kerzen brannten und meine Oma ließ einzelne Tannennadeln knisternd auf der Herdplatte des Kohleofens verglühen, während der aromatischer Duft der verbrennenden Tannennadeln nun durch den Raum zog.
Andächtig saß die Familie bei flackerndem Kerzenlicht auf den Nikolaus wartend, beisammen. Wir Kinder waren zum Teil freudig aufgeregt, aber auch in gewisser Weise ein wenig furchtsam und harrten tapfer dessen, was da kommen würde.
Dann endlich war es soweit.
Lautstark polternd kündigte sich der Knecht Ruprecht an, der als Helfer dem Nikolaus zur Seite stand. Er war für unfolgsame Kinder
immer Furcht einflößend und hatte ständig seine Rute dabei. Die Kinder, die öfter mal ungehorsam waren fürchteten ihn, aber im Grunde musste ein Kind den Ruprecht nicht wirklich fürchten. Sein ruppiges Erscheinen allein reichte damals schon aus und diese Kinder waren dann besonders brav und folgsam, wenigstens bis zum Heiligen Abend…
Die Figur des Knecht Ruprechts gibt es in vielen Gegenden Deutschlands unter den verschiedensten Namen. Stets erscheint er aber zum Nikolaus, um die Kinder zu einem guten Verhalten den Eltern gegenüber zu ermahnen. Sich selbstverständlich aber auch ebenso anderen Mitmenschen gegenüber angemessen zu verhalten.
Dann war der große Moment gekommen und der Nikolaus bekam von uns Kindern Gedichte aufgesagt, oder gar auf der Blockflöte ein kleines Lied vorgespielt. Im Anschluss daran verteilte dann der Nikolaus an uns Kinder seine willkommenen Gaben und verabschiedete sich freundlich mit guten Segenswünschen für alle, die im Hause anwesend waren.
So ging er zu den nächsten Kindern weiter. Es war stets immer eine große Runde die er zu machen pflegte, denn er besuchte jede Familie mit Kindern im Dorf. Da es schon seit langem so Tradition war, hielten die Familien auch an dem Brauchtum fest, den Heiligen Nikolaus zu sich nachhause einzuladen.
Leider ist das heute nicht mehr so. Zwar findet der Umzug immer noch ganz traditionell statt, nur wird der Nikolaus Heutzutage nur noch sehr selten ins Haus einbestellt. Für gewöhnlich nur solange, wie die Kinder noch recht klein sind.
So endete dann meist auch der Abend des fünften Dezembers. Am darauf folgenden 6. Dezember, dem eigentlichen Nikolaus-Tag, fand dann in unserem Dorf das große kirchliche Fest statt und das wurde dann mit einem großen, sehr feierlichen Gottesdienst begangen.
Es war stets immer eine besonders feierliche Messe mit Chor, Musikkapelle und allen im Dorf vertretenen Vereinen, die mit ihren
traditionellen Fahnen erschienen waren. So gefüllt, wie an diesem Festtag war die Kirche meist nur an Weihnachten oder zu Ostern.
Ich erinnere mich sehr gern an die Adventzeit und an die Vorweihnachtszeit in unserem Dorf, als die schönste Zeit im Jahr.
Es war eine Zeit der Ruhe und Besinnlichkeit, eine Zeit für die Familie in der sonst so hektischen Zeit des ganzen restlichen Jahres.
© sorenda engel 6.12.2013