Sie saß da, unter ihr das alte Sofa mit Brandlöchern, die man durch die Patch-Work-Decke, die sie letztes Jahr gehäkelt hatte nicht sehen konnte. Das Zimmer war klein und einfach eingerichtet mit dem Sperrgut, das sie alle paar Monate auf der Straße fand und über den den sie sich wunderte, was die Leute alles so wegschmeißen
Eine riesige Stumpenkerze hatte sie sich geleistet, in Rot, diesem Rot, das sie so sehr an Weihnachten denken ließ, und das sie ansonsten gar nicht mochte, dieses Rot, das in der Adventszeit seinen Siegeszug in alle Läden hielt und schließlich in ihrem Zimmer landete.
Weihnachtsmannrot nannte sie
es.
Sie hatte einen Tannenzweig in der späten Nacht vom Nachbarsbaum geschnitten und nun lag er neben der 10€-Weihnnachtsmannrot-Advents-Kerze, ein grandioses Schnäppchen, denn selten vorher hatte sie eine monströse Kerze, und fast, ja fast konnte sie sich kein schöneres Adventsgesteck vorstellen.
Und sie hatte so einige wunderschöne Gestecke in ihrem Leben gehabt.
Die Kerze strahlte und erhellte den dunklen Raum.
Sie saß so seit über zwei Wochen da, denn sie hatte die Kerze schon vor dem 1. Advent angezündet, da es ja ohnehin
kein richtiger Adventskranz war. Das ist der Luxus der armen Leute, den die Reichen nie nachvollziehen werden können.
Sobald es dunkel würde freute sie sich auf ihre Paraffinfreundin, die es niemals bis Weihnachten schaffen würde, das wusste sie schon vor einer Woche, und an diesem Abend war der Abschied nahe.
Sie hatte oft die weichen Ränder wieder begradigt, ihrer Jesus-Ankunfts-Verheißerin somit das Leben verlängert und sie beschloss sobald die Kerze ausgehen würde, nicht noch einmal zu versuchen den restlichen Wachs zum Leben zu erwecken.
Ihre Freundin war kein
Zombie.
Sie zündete sich die zirka 60 Zigarette des Tages an, ein Grund warum die magere Rente weder hinten noch vorne reichte und wartete auf den Tod ihrer lieb gewonnenden Verheißerin.
Die Flamme, die sie so sehr gewärmt hatte, flackerte ein letztes Mal auf, versank leise im Docht und erlosch.
Nach einer langen Weile schaute sie auf und ihr Blick, der seit über zwei Wochen fast nur auf der Kerze geruht hatte, schweifte durchs Zimmer und landete letztendlich auf ihrem Fensterbrett.
Da fiel es ihr auf: Das Fensterbrett war hell.
Draußen war alles dunkel, aber durch ihr
Fenster, das keine Gardinen hatte konnte sie in das gegenüberliegende Fenster der Nachbarin sehen. Da stand er:
Ein kleiner Tannenbaum. Mit vielen Kerzen. Er strahlte durch die ganze Finsternis der nächtlichen Nachbarschaft bis zu ihr.
Heute, dachte sie, heute ist Heiligabend.
Sie saß noch lange so da und genoss den Tannenbaum, und freute sich über die Ankunft des Herrn. Sie rauchte, trank billigen Wein und freute sich darüber das sie so arm war.
Denn, vorgezogender Heiligabend ist der Luxus der kleinen Leute.