Von der Iltisprinzessin und ihrem Frettchen Teil 1
Ich hatte eigentlich überhaupt keine Ambitionen an diesem Tag erneut zu Torsten und Madeleine zu gehen, aber ich hatte es nun mal versprochen.
Sie waren seit nunmehr einer Woche im „Renovierungsstress“ und seit 6 von 7 Tagen hatte sich nichts nennenswertes getan.
Sicherlich gab es dafür eine gute Erklärung die vermutlich nur Torsten verstand und Madeleine würde am Rande des Nervenzusammenbruchs sein wenn ich bei ihnen
eintraf.
Hingegen meiner sonstigen Art hatte ich bereits ab Tag 3 eine viel zahl von Ausreden genutzt mir das nicht weiter geben zu müssen. Z.B. das mein Goldhamster krank wäre, die Heizung ausgefallen und ich deshalb auf den Monteur warten müsste wobei es eigentlich Hochsommer war, dringend ein Arztbesuch anstand der eigentlich unnötig war uvam.
Nutzte jemand derlei unsinnige Ausreden mir gegenüber war ich damit beschäftigt meinen Verstand zu beschwichtigen nicht weiter „töte die Lügner“ zu skandieren und bestach ihn mit Marzipan
oder Softgummi, weshalb ich auch nicht für mich selbst erklären konnte warum ich mich auf dieses Niveau der Ausredenkommunikation einließ.
Erklärte es mir aber so „Oft genug selbst gehört, wird Zeit zu üben“
Wie dem auch sei, ich stand bereits vor ihrer Tür und drückte missmutig auf den Klingelknopf, lauschte dem „bzzzzzzzzz“ des Summers und schlappte die Treppe hinauf.
„Das ist der Olli“ hörte ich eine Stimme mit sächsischen Unterton sagen.
„Oh da ist der Ossi“ gab ich schlagfertig zurück und nahm mehrere
Stufen auf einmal um schneller hinauf zu kommen.
Das hieß nichts anderes als das Enrico auch mit von der Partie sein würde. Ich mochte ihn obwohl ich der Ansicht war das bei ihm die Politisch-sozialistische Erziehung des damaligen Regimes voll und ganz funktioniert hatte und er eigentlich eine Stasi-Schläferzelle repräsentierte.
Er wohnte bei den beiden mit im Haus, lediglich ein Stockwerk darunter. Schon oft hatte ich ihn des Nachts oder zu nun sagen wir ungewöhnlichen Anlässen oder Zeiten im zumeist unbeleuchteten Treppenhaus angetroffen, oft verblüffte
er auch mit „Wissen“ über Umstände oder Begebenheiten die er nur vom lauschen an der Tür haben konnte oder einem seiner nächtlichen Kontrollgänge wie ich seine Angewohnheit liebevoll nannte des Nachts durch das dunkle Treppenhaus zu schleichen.
„Wo sind denn die Hausherren?“ fragte ich schnaufend als ich die geöffnete Wohnungstür hinter mir gelassen hatte und lediglich auf Enrico traf der in einem quietsche orange-farbigen Overall im Flur stand ,der mich an die Sträflingsuniformen aus Filmen erinnerte.
„Noaah, die sind im Baumarkt! Besorgen
noch schnell ein paar Schrauben und Nägel“ er machte eine Pause bevor er weiter sprach „Das ist Marktwirtschaft! Nie ist was da!“
„Bitte was ist das? DDR Wochen?“ , „Ach Enrico, wie kann das denn passieren?“
„Das ist ein vom Terroristenstaat verbreitetes Vorurteil! Wir hatten immer alles an Baumaterial da! Das nennt sich Planwirtschaft! Erst wird der Plan gemacht und dann angefangen zu bauen, nicht wie bei den Terroristen die Anfangen ohne zu überlegen und dann immer wieder aufhören müssen weil sie
nichts da haben“ gab er entrüstet und mit meines Empfindens verschlimmerten sächsischen Dialekt zurück.
„Ja ja Enrico, deshalb lagen viele Baustellen auch monatelang brach und es musste ein 'Plan gemacht werden wo man das Baumaterial herbekommt...ja verstehe“ sagte ich lächelnd und griff nach dem Reichenberger Kellerbier das mir Enrico entgegen hielt.
Zugegeben etwas früh für Alkohol aber wenn Enrico schon dabei war hieß das anders würde dieser „Arbeitseinsatz“ nicht zu ertragen sein.
Und Wirklich! In den Tagen die ich mich
elegant zurück hielt war nichts im Wohnzimmer passiert, gar nichts!
Weder wurde gestrichen, ob nun blau,rot,türkis noch wurde das Laminat weiter gelegt oder eines der versprochenen Regale angebohrt. Auch der neue Esstisch lag in seinem Karton mitten im Raum herum.
Lediglich Torstens „Alphatier Hu ha“ Sessel hatte einen Fußmuff bekommen, sicherlich damit der arme und obendrein Urlaub habende Mann sich besser erholen konnte vom...ja vom Nichts tun.
„Seit 2 Stunden sind sie weg! In der Zeit wäre ich zu Fuß im Baumarkt und
wieder hier“ schimpfte Enrico und während er sich weiter ausließ überlegte ich ob es wirklich eine gute 'Idee war den IM Schnuppel wie ich ihn liebevoll nannte , alleine in der Wohnung zurück zu lassen.
Wie bereits geschildert hielt ich ihn ohnehin für eine Stasi-Schläferzelle und die damit einhergehende Neugier wird ihn ganz bestimmt nicht abgehalten haben die Abwesenheit von Torsten und Madeleine nicht zum „Herumschnüffeln“ auf der Suche nach Beweisen für System Abtrünnigkeit genutzt zu haben.
Mag vielleicht hart klingen, aber vor 4
Jahren als die beiden unter ähnlichen Umständen ihr Schlafzimmer renovierten und Enrico nach 2 Tagen dazu kam um zu helfen, hatte er im Nachhinein doch recht ausführliche Kenntnisse des Kleidungsbestandes und der „Geheimen“ Schublade mit Inhalt nun sagen wir … Zwischenmenschlicher Spielarten.
Er verriet sich hierbei beim anschließenden „Helferparty-Abend“ mehrfach aber Torsten wiegelte nur ab und war der Ansicht das Enrico einfach nur gut geraten hätte.
Nun da kann man geteilter Meinung sein! Aber auch Madeleine war wenig angetan das Enrico ausführlich und in allen Einzelheiten gewisse Wäschestücke
beschreiben konnte was er nach etlichen Kellerbier auch exzessiv tat.
So wunderte es mich nicht unerheblich das er allein in der Wohnung war und soweit ich das beurteilen konnte auch noch nichts getan hatte so er die 2 Stunden bereits vor Ort war.
„Machst Dir einen Plan?“ wollte ich wissen.
„Nujahh, man muss sich alles überlegen bevor es losgeht.“ antwortete er total ernst.
Eine Antwort blieb ich ihm schuldig,
konnte mir aber ein mitleidiges Lächeln nicht verkneifen.
„Wo fangen wir an? Oder geht es nur vorwärts wenn die Nägel und Schrauben da sind?“
„Malen?“ fragte er.
„Ok“
„Nu guck Dir den Kapitallistendreck mal an, totaler Mist!“ fluchte er sofort los als wir im Wohnzimmer standen und er die Farbeimer entdeckte.
„Das ist ein Markenfabrikat?! Wo ist das
Problem?“
„Das wollen sie euch weismachen! Das ist der letzte Dreck und Müll! Der Mist wird nicht decken und von der Rolle tropfen und...“
„Ja ja Kapitallistendreck“ zischte ich dazwischen und öffnete den Eimer.
Überrascht stellte ich fest das sich in dem Eimer statt blauer oder roter eine orange Farbe befand.
Seufzte kurz da Enrico bereits wieder dazu übergegangen war darüber zu schimpfen das Wessis nie ordentlich ihr Werkzeug bereit halten und er obwohl die
Farbrolle zu seinen Füßen lag diese erst lange und umständlich suchen musste usw., rührte die Farbe um und schnappte mir einen Pinsel.
Rund 30 Minuten später bekam man in dem Raum Augenkrebs, ein knalliges Orange prangte von den Wänden und zeitweilig war ich geneigt zu glauben das Enrico obgleich seiner Kleidung irgendwie seine Finger im Spiel gehabt haben musste bei der Farbauswahl.
Entweder war das nun 4. Kellerbier schlecht oder ich hatte wirklich den Eindruck das Enrico nur aus einem pausenlos brabbelnden Kopf bestand und 2 dazu wild gestikulierender Hände, der
Rest des Körpers war vor dem Hintergrund nur zu erahnen.
Von Madeleine und Torsten gab es noch immer keine Spur und so begannen wir uns Platz zu schaffen.
D.H. Torstens „Alphatier Hu ha“ Sessel musste sich zu den anderen Sitzmöbeln im Flur gesellen und auch das eine oder andere da herum gefundene Geschirrteil fand den Weg in die Spüle,sowie Unmengen an Besteck und Abfällen.
„Das Prinzesschen hat wohl wieder Hofstaat gehalten...“ bemerkte ich süffisant grinsend als wir endlich sämtliche Geschirr und Besteckteile in
der Spüle hatten und nun freie Bahn das endlos Projekt Wohnzimmer zu beenden.
Enrico nahm mir zwar noch übel das ich „Pfui aus!“ sagte als wir auf eine Bananenschale stießen, musste aber ebenfalls lachen.