Meine Geschichte handelt von einem kleinen Mädchen. Ein Mädchen namens Jaqueline. Doch da aber auch alle(!) Schackeline zu ihr sagten, (und zwar genau so, wie es hier geschrieben steht!) wollen auch wir sie so nennen.
Schackeline war klein und mager, meist etwas blass um die Nase, aber das soll uns nicht stören. Schackeline konnte nämlich etwas ganz besonderes, und davon möchte ich heute erzählen.
Es begab sich eines Abends. Es war nass und windig draußen und außerdem sehr, sehr kalt. Die kleine Schackeline kuschelte sich an ihre faltige und sehr liebe Oma.
Oma Lolle, also eigentlich Oma Isolde, aber alle nannten sie stets Oma Lolle, strickte für ihr Leben gern. Am allerliebsten Socken für Schackeline. Weil! Die waren sehr schnell fertig. Nicht mal eine Kerze brannte herunter und schon steckte ein neues Paar Socken auf den kleinen dünnen Füßchen ihrer Schackeline. In den schönsten Mustern und den buntesten Farben bestrumpfte sie die Kleine.
So lag es natürlich nahe, dass auch das kleine Mädchen gern die Wolle durch ihre kleinen Fingerchen gleiten ließ. Aus den Resten puzzelte sie kleine Bommeln, die Oma Lolle zum Abschluss an den Strümpfchen festnähte.
An diesem Abend, als das Besondere geschah, betrug es sich folgendermaßen:
Oma Lolle rutschte eine ihrer fünf Stricknadeln aus der Hand. Schackeline arbeitete konzentriert an einem wunderschönen und sehr farbenprächtigen Bommel, so dass sie garnicht mitbekam, wie Oma Lolle auf allen Vieren den Boden absuchte.
Eine Bommel nach der anderen entstand. Die Kerze war schon beinahe herunter gebrannt, als Oma Lolle endlich die verflixte Stricknadel wiederfand. Ganz hinten unter den Schrank war sie gerollt!
Unter Stöhnen setzte sich die alte Dame wieder auf die Couch zurück und betrachtete nachdenklich den Berg Bommeln, der sich auf dem Tisch angehäuft hatte.
Ihr Blick glitt zur Kerze hinüber und sie bemerkte, dass es bald Zeit sei, schlafen zu gehen. Schackeline, gar nicht dumm, begriff sofort und flitzte in die Küche. Mit flehendem Blick kehrte sie mit der Sanduhr zurück. Nun denn …
Oma Lolle hatte eine Idee. Zum Stricken reichte die Zeit aus der Sanduhr niemals, aber aus dem Bommeln ließ sich bestimmt etwas machen.
Gemeinsam nähten die beiden Bommel an Bommel, bis sie kleine Strümpfchen ergaben. Sie waren so kuschelig und dick, dass sie in keinen Schuh des Mädchens passen würden.
Das machte Schackeline nichts aus. Sie schlüpfte hinein und mit einem mal war etwas seltsam.
Ein feines Glitzern umwirbelte die kleinen Dinger.
Oma Lolle rückte die Brille gerade, um besser sehen zu können.
Die Strümpfchen schienen sich zu verzaubern! Flügel wuchsen aus ihnen heraus und bald sahen sie aus, wie flatternde Tauben.
Sicherheitshalber putzte Oma Lolle noch schnell einmal über die Brillengläser. Aber es blieb wie es war.
Schackeline schwebte durch den Raum. Lachend und glucksend schützte sie sich vor der Zimmerdecke, der Lampe und auch vor dem Regal, das sie vorher noch nie erreichen konnte.
Die Sanduhr war abgelaufen und mit einem lauten Krachen stieß das Fenster auf. Sofort pfiff der wilde Wind durch die Stube und wirbelte alles durcheinander.
Schackeline wusste, was zu tun war. Sie streckte ihre Ärmchen vor und zischte durch das Fenster hinaus in die Nacht dem Himmel entgegen. Es war dunkel und windig, garstig und kalt und obendrein viel zu nass!
Der Wind blies ihr kräftig ins Gesicht.
Die Haare peitschten gegen ihre Schultern!
Sie flog immer weiter hinauf. Hinauf bis zu den Sternen. Mit dem Zipfel des Pyjamas putzte sie sie blank, bis es um sie still wurde.
Oma Lolle ließ ihre Enkeltochter nicht aus den Augen. So beobachtete sie, wie sich mit jedem Stern, den das Mädchen gesäubert hatte, die schlimme Wetterlage besserte.
Als alle Sterne wieder glänzten, gab auch der Himmel endlich Ruhe.
Sie hatte es immer geahnt:
Ihre kleine Schackeline war das reinste Wunder.
Übermorgen war Nikolaustag.
Die alte Dame lächelte zufrieden; die Rute würde im Schrank bleiben. Da war sie sich sicher. So ein liebes Mädchen!
Stolz und glücklich saßen die Beiden, gemeinsam in eine warme Decke gekuschelt, noch lange unter dem altenTannenbaum und schauten zu den funkelnden Sternen hinauf.
Das war die Geschichte von Schackeline, die etwas ganz besonderes konnte. Sie konnte träumen, wie kein anderer.
So schliefen Oma Lolle und Schackeline die ganze Nacht dicht aneinander geschmiegt auf der Couch und wunderten sich am nächsten Morgen über die abgebrannte Kerze, die unvollendeten Socken und einen verstreuten Haufen Bommeln. Die herumliegende Sanduhr nahmen sie nur am Rande wahr.