Wintergeschichten
Anfang Dezember zu Beginn der 60er Jahre…
Es war noch eine Zeit, wo wir Kinder weniger durch Medien und Elektronik beeinflusst wurden. Unsere Freizeit verbrachten wir dementsprechend in der Vorweihnachtszeit, die uns jedoch alle mit Freude beschäftigte.
Es begann in der vorweihnachtliche Zeit damit, dass wir in der Familie den Adventskranz wickelten und gemeinsam schmückten.
Nachdem die Kerzenhalter im Kranz befestigt waren, wurden die Kerzen darauf
gesteckt. Danach schmückten wir den
Kranz mit Nüssen, Zapfen,
Strohsternen, Zimtstangen und Beerenzweigen.
Der Kranz lag auf einem großen Teller und wurde auf dem
großen Tisch in die guten Stube gestellt.
Wir Kinder hatten vieles in der Vorweihnachtszeit, auf was wir uns jedes
Jahr aufs Neue freuten, auf den Schnee, Schlitten oder Ski fahren.
Ich war oft mit meinem Großvater unterwegs im Wald.
Da wurden dann Zweige vom Wacholder für den Räucherofen geschnitten,
Beeren, Zweige und Moos gesammelt. Diese Zweige und das Moos fanden sich
am Heiligen Abend als Dekoration als Teil der Krippe wieder.
Die Wacholderzweige wurden zum Räuchern von Schinken und Wurst verwendet, denn auf den Dörfern wurde Mitte November
meistens noch vor den Festtagen geschlachtet
und Wurst, Schinken, Sülze und vieles andere mehr, selbst hergestellt. Auch dabei halfen wir Kinder gerne mit.
Nun hingen die Mettwürste, die Blut- und Leberwürste,
der Speck und der Schinken im Rauch, um einerseits haltbar zu werden und andererseits natürlich auch, um durch das Räuchern,
den richtigen Geschmack zu bekommen.
Nun kamen die Momente, wo der Blick morgens aus dem Fenster die ersten Eisblumen, jene zarten und filigranen Gebilde, an den Fensterscheiben sichtbar werden ließ.
Jeden Morgen fragten wir uns, wann die ersten Schneeflocken fallen würden.
Wann endlich genügend Schnee zum Rodeln und zum Skifahren liegen bliebe,
um einen Schneemann zu bauen, oder um Schneeballschlachten zu schlagen.
Alles Dinge, auf die wir uns als Kinder jedes Jahr aufs Neue freuten.
Wenn der Schnee dann die Landschaft zudeckte, mussten natürlich Wege und Straßen geräumt werden. Der Schnee
wurde zu hohen Hügeln aufgeworfen und wir Kinder klopften ihn immer wieder fest. War er hoch und fest genug, begannen wir uns darinnen eine Schneehöhle zu bauen, indem wir die Schneehügel aushöhlten.
Den Eingang gruben wir meist in Richtung zu der Hauswand, so wehte uns wenigstens kein kalter Wind in unsere Schneehöhle hinein.
Je nachdem, wie kalt der Winter war, hielten unsere Schneehöhlen bis in den Januar hinein, denn auch der später geräumte Schnee wurde immer obendrauf geworfen, so dass diese Höhlen im Laufe des Winters allmählich immer höher wurden.
Bäche und Teiche froren oft zu, so dass wir Kinder dort Schlittschuh laufen konnten.
Für diejenigen, die sich nicht auf die schmalen Kufen wagten, gab es den Gleitschuh. Er wurde direkt unter den eigentlichen Schuh geschnallt und war geformt wie ein Ski. Nur das dieser Gleitschuh aus Metall bestand und maximal 20cm lang war. Er musste aber
genau wie ein Schlittschuh, gut gepflegt werden, damit er immer bestens auf Eis und Schnee gleiten konnte.
Am 4. Dezember, dem Barbara Tag wurden dann von Kirsch- und Apfelbaum
Zweige geschnitten und diese in eine große Bodenvase in der guten Stube
aufgestellt. Immer in der Hoffnung, dass sie am Heiligen Abend in herrlicher Blütenpracht erstrahlen würden.
Nachmittags, wenn die Dämmerung langsam aufkam, brannten in der
Wohnküche Kerzen auf dem Tisch. Dann gab es gab für uns etwas Köstliches. Schinken und Schmalzbrote mit frisch hergestelltem Griebenschmalz,
auf ofenfrischem Brot.
In dieser Zeit wurde dann auch gebastelt, gestrickt oder gehäkelt.
Oft saß meine Mutter an der Nähmaschine und nähte für uns Kinder
Kleider, Schürzen oder auch andere Dinge. Da war vieles schon in Vorbereitung
auf den Weihnachtsabend. Leise liefen im Hintergrund in Großvaters alten Radio besinnliche Lieder zur Weihnachtszeit. Unser Großvater saß währenddessen oft in seinem Sessel und las in seiner Zeitung, dabei genüsslich eine Tabakspfeife rauchend. Dazu trank er seinen Kaffee und ließ sich gelegentlich auch den Schinken und die Schmalzbrote schmecken.
So vergingen die Winterabende nach dem wilden Herumgetolle draußen im Schnee meist ruhig und besinnlich.
Da wurde Wachs geschmolzen und Kerzen gezogen. Immer wieder wurde
der Docht in das flüssige Wachs getaucht, bis die Kerze die gewünschte
Dicke erreicht hatte. Danach dann kam sie zum Auskühlen, an einer Schnur befestigt, in einen kühlen Raum. Aus den Wachsresten wurden Platten gegossen,
aus denen wir Sterne, Bäumchen und Engel ausstechen durften, die mit einem
kleinen Loch versehen wurden. Durch dieses Loch wurde später dann das Aufhängeband gezogen.
Allerdings verschwanden unsere kleinen Bastelarbeiten auf wundersame Weise
von einem auf den anderen Tag.
Dafür lag dann für uns ab und zu eine kleine süße Belohnung auf der Fensterbank, über die wir uns sehr freuten.
Oft wurde nebenher auf der Blockflöte
geübt, um in der Schule beim
Weihnachtsspiel dann möglichst keine Fehler zu machen. Die Kinder die beim Krippenspiel auftraten, waren in den Adventswochen auch fleißig am Text lernen.
Der Schulchor probte emsig das Liederprogramm, um es später perfekt darbieten zu können. Unser Chorleiter probte mit Feuereifer drei Mal in der Woche nach dem Unterricht mit uns allen das Lied, „Stille Nacht Heilige Nacht“. Da wir ihm aber nicht ehrfürchtig genug beim Singen waren, ließ er es immer und immer wiederholen, bis es dann letztendlich doch noch das Wohlwollen des Chorleiters fand.
Während unsere Väter das Bühnenbild bauten, nähten die Mütter die Kostüme. So konnte das Krippenspiel dann meist am dritten Advent aufgeführt werden.
Je näher das Weihnachtsfest rückte, desto mehr Lichterketten leuchteten in den Fenstern und draußen in den Vorgärten erstrahlten immer kleine Tannenbäumchen. Wenn dann noch die beleuchteten Bäumchen in den Vorgärten mit Schnee bedeckt waren, so war auch Weihnachten nicht mehr weit...
Eine wahrhaftig besinnliche Zeit, an die ich mich sehr gern zurück erinnere.
© sorenda engel 5.12.13