Wenn Engel sich begegnen
Mit den Engeln ist das so eine Sache. Meist bleiben sie unsichtbar, wirken im Verborgenen.
Auch weiße Flügel sind kein unbedingtes Markenzeichen, verbirgt sich doch hinter manch weiß befiederter Schwinge eher eine dumme Gans.
Erinnern Sie sich noch, liebe Leser, an den Dezember 2010, als Frau Holle alle Überplanbestände an Schnee noch im alten Jahr auspackte? Als stündlich die Schneedecke um mehrere Zentimeter wuchs?
Das Leben ist ein Kampf, heißt es so schön.
Für mich begann der Kampf bereits in den frühen Morgenstunden mit dem Freischaufeln meines Kleinbusses, eines Peugeots Boxers. Den nächsten Kampf bestand ich auf der Straße. Jeden Winter wundere ich mich aufs Neue, warum die LKWs immer noch nicht mitbekommen haben, dass inzwischen eine Autobahn nach Görlitz führt, die sogar das gesamte westliche mit dem östlichen Europa verbindet. Stattdessen kleben sie wie eh und je am Kunnersdorfer Berg fest, der im Sommer gar kein richtiger Berg ist und im Winter bei Schneefall zur uneinnehmbaren Festung wird,
Endlosstau inbegriffen.
Der dritte Kampfeinsatz folgte im Hermesstützpunkt.
Bei dem Wetter auf die Straße, das ist gefährlich. Diese Erkenntnis wurde scheinbar bei Facebook geteilt, sodass die Versandhändler Rekordumsätze verbuchten. Mein Bus konnte die Flut der Weihnachtspakete kaum fassen.
Es war ein einziges Hetzen von Tür zu Tür, der Schweiß lief trotz der tiefen Temperaturen und des Schneefalls in Strömen. Manche Omi begrüßte mich warmherzig: „Sie sind ein Engel, kommen Sie wenigstens zur Unterschrift herein.“ So also sahen Engel aus, blau und durchgeschwitzt.
Es schneite unaufhörlich. Hin und wieder begegnete ich einem Engel in orange, einem Schneepflug, dann kam ich besser voran.
Selbst mein Freund Max, der einer besonderen Hunderasse angehörte, er war ein Priat, schien missgelaunt. Zwar stöberte er wie immer in meiner Jackentasche nach Leckerlis. Seiner Lieblingsbeschäftigung, dem Wettrennen mit meinem Bus konnte er jedoch nicht nachgehen, der Schnee war einfach zu tief.
Am Samstag vor Weihnachten klingelte ich gegen 18.00 Uhr völlig entkräftet bei
einer jungen Frau. Sie blickte erstaunt, als sie öffnete und mich erkannte. „Jetzt kommen Sie? Und wie sehen Sie denn aus?“ Irgendwie musste ich wohl eher dem Ritter mit der Traurigen Gestalt denn einem Weihnachtsengel gleichen.
„Warten Sie, ich bin gleich wieder da.“ Sie verschwand einen Augenblick, um mit einem großen rot-gelben papiernen Weihnachtsstern wieder aufzutauchen.
„Hier, der ist für Sie. Jetzt fahren Sie nach Hause Sie haben doch wohl Schluss? legen die Beine hoch und schauen den Stern an. Dann wird es Ihnen wieder besser gehen.“
In diesem Moment traten mir Tränen in die Augen. Der Engel vor mir hatte mir
ein kleines Stückchen Glück geschenkt.
Der Stern hängt heute noch in meinem Zimmer, er ist mein Talisman, nicht nur zur Weihnachtszeit.