Einleitung
Vom Glück des Zufalls und der Magie des Lebens...
Musik:
Wolfgang Amadeus Mozart
Klavierkonzert Nr. 17/3
MOZART-ARCHIV DEUTSCHLAND
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Bild:
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Weihnachtsblicke
Frohgelaunt spazierte ich durch die Gassen. Über Nacht hatte es geschneit und ich freute mich wie ein kleines Kind über die weisse Pracht. Alles war in friedliche Vorweihnachtsstimmung gehüllt. Am liebsten wäre ich herumgehüpft oder hätte einfach spontan jemanden umarmt. Bei diesen Gedanken kam ich mir ziemlich albern vor und schmunzelte vor mich hin. Dabei guckte ich ins Schaufenster einer Konditorei. Für den Bruchteil einer Sekunde traf mich ein elektrisierender Blick. Hatte ich da jemanden angeschmunzelt – und sie hat mein Schmunzeln wirklich erwidert?
Verlegen senkte ich meinen Blick und drehte den Kopf zur Seite. Sie war das Süsseste, das ich je in einer Konditorei gesehen hatte!
Nach dieser Erkenntnis kam ich mir noch alberner vor und setze beflügelt meinen Stadtbummel fort.
Es war eiskalt. Ein kleines Kaffeehaus an der Strassenecke lud mich zum Verweilen ein. Wohlige Wärme umfing mich, als ich eintrat. Drinnen gab es nur drei runde Tische mit jeweils vier Stühlen, die allesamt besetzt waren. Ich wollte schon wieder gehen, doch dann bemerkte ich den freien Stehtisch in der Fensternische zur Strasse. Dort bestellte
ich mir einen Espresso und liess gedankenversunken zwei Stückchen Zucker in den dunkelbraunen Kaffee fallen. Beim Umrühren mit dem kleinen Löffel musste ich über mich selber lachen, denn dieses Braun weckte Erinnerungen an das Augenpaar in der Konditorei. Bedächtig hob ich den Kopf und schaute durchs Fenster. Mein Herz begann zu rasen. Schon wieder hatte ich sie unbeabsichtigt angelächelt und ein Funkeln zurückbekommen. Meine Wangen erröteten und mein Blick wanderte zur Decke. Nach unendlich langen Sekunden fasste ich neuen Mut und spähte noch einmal hinaus, doch draussen stand niemand mehr.
Buchhandlungen haben auf mich eine besondere Faszination. Vor der Ladentür stampfte ich mir den Schnee von den Stiefeln und trat ein. Beim Öffnen der Tür ertönte der Dreiklang eines Glockenspiels – ich betrat meine Welt. Es ist einfach herrlich, um sich herum so viele Bücher zu haben. Und überall drin stecken die Gedanken der Autoren. Als Freund leichter Lektüre suchte ich die Belletristik-Ecke auf und schmökerte in den Romanen. Ein Buchtitel sprach mich besonders an: Samuel und die Liebe zu den kleinen Dingen. Francesc Miralles war mir unbekannt. Ich hielt sein Buch in den Händen und las auf der Rückseite
den Titel der Zusammenfassung: Vom Glück des Zufalls und der Magie des Lebens.
Glück, Zufall, Magie – wieder musste ich an die dunkelbraunen Augen denken und meine Mundwinkel gingen nach oben. Vom Regal etwas weiter hinten in der Buchhandlung traf mich ein Blitz aus heiterem Himmel. Sie lächelte mich an.
Mit weichen Knien begann ich hastig im Buch über das Glück des Zufalls zu blättern.
Auf der andren Strassenseite, der Buchhandlung gegenüber, lockte mich ein Musikgeschäft an. Direkt beim Eingang waren die CDs mit moderner
Musik. Ich zwängte mich durch die jungen Leute zur Treppen, die zur Klassik- und Notenabteilung hinunterführte. Letzte Woche hatte ich im Radio das Klavierkonzert Nr. 17 von Wolfgang Amadeus Mozart gehört und war besonders vom dritten Satz sehr angetan. Vielleicht gab es ja eine CD dazu. Und schon war ich bei M wie Mozart – wie praktisch doch das ABC war. Tatsächlich fand ich dann auch die gesuchte Musik und war hellauf begeistert, weil es zudem eine Aufnahme mit meiner Lieblingspianistin Uchida Mitsuko war. Ich drückte die CD an die Brust und schaute strahlend hinüber zu den Musiknoten. Ein zierliches Gesicht
mit zwei dunkelbraunen Augen schmiegte sich in mein Herz. Mein Atem stockte. Wieder senkte ich den Blick und sah noch für einen kurzen Moment, dass auf den Noten in ihren Händen gross Wolfgang Amadeus Mozart Klavierkonzert Nr. 17 stand.
So viele Zufälle waren mir in meinem ganzen Leben noch nie begegnet. Oder hatte ich heute einfach das ganze Glück der Welt für mich gepachtet? Beschwingt wandelte ich mit meinen beiden Taschen – dem Buch und der CD – durch den Weihnachtsmarkt. Für mich war heute Weihnachten. Lauter frohgelaunte Menschen standen um die liebevoll
dekorierten Stände herum. Der fröhlichste unter ihnen war ich. Weihnachtliche Musik erklang. Es roch nach ätherischen Ölen und etwas weiter drüben nach Zimt. In alten Laternen flackerten Kerzen und Engel lugten mich an. Jetzt war es Zeit für einen feinen Glühwein. Die Tasse wärmte meine Hände. Ich führte sie zum Mund und genoss den ersten Schluck mit einem Lächeln. Im selben Moment trat ich einen halben Schritt zurück und stiess mit meinem Rücken gegen jemanden. Sofort drehte ich mich um. Zwei dunkelbraune Augen blinzelten mich an und sie sagte freundlich: „Hallo.“
Diesmal war es mehr als nur Zufall oder
Glück – es war Magie und es gab kein Entschlüpfen mehr...