Romane & Erzählungen
Das Heiratsinstitut - Liebe auf Bestellung

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"Tim lag im Bett und starrte die Decke an. Er f?hlte sich bleiern. Ihm fehlte jede Kraft zum Aufstehe"
Veröffentlicht am 30. November 2013, 314 Seiten
Kategorie Romane & Erzählungen
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Über den Autor:

Als Kind habe ich alles gelesen, was ich von Karl May kriegen konnte, denn mein Zuhause war ein Käfig. Ich wollte frei sein und Abenteuer erleben... Ich hab´s bekommen.
Tim lag im Bett und starrte die Decke an. Er f?hlte sich bleiern. Ihm fehlte jede Kraft zum Aufstehe

Das Heiratsinstitut - Liebe auf Bestellung

„Zu spät, leider. Ich kann ihnen gerne gute Adressen geben. Wenden sie sich da hin!“ Lena Hartel war die Letzte der Angestellten im Immobilienbüro Schultheiß & Frank. Sie las die Telefonnummern zum Mitschreiben vor. Es war schade, dass das renommierte Büro seine Pforten schließen musste. Leider hatten sich keine Nachfolger finden lassen. Überraschend war im letzten Herbst der Juniorpartner ums Leben gekommen, bei einer Massenkarambolage auf der Autobahn beim ersten Blitzeis des Jahres. Sein Auto war unter dem Heck eines Schwertransporters zusammengeschoben worden. Er hatte keine Chance. Das Entsetzen nach bekannt werden war

groß. Jede Planung, jedes Ziel war hinfällig. Von dem Schock darüber hatte sich der betagte Seniorpartner nicht erholt. Seine Ärzte rieten ihm zu Ruhe und Entspannung. Das Personal war entlassen. Nur Lena blieb bis zur völligen Auflösung der Firma. Sie hatte viele Bewerbungen geschrieben. Einige Bewerbungsgespräche hatte sie schon hinter sich. Eine Stelle zu bekommen war nicht das Problem aber Lena wollte die optimale Stelle. Sie hatte gute Zeugnisse und eine fantastische Beurteilung von ihrem Büro erhalten. Eine Stelle in einem angesehenen Haus, wünschte sie, die Spaß machte, in der sie Verantwortung trug und großes Ansehen genoss. Dazu natürlich ein

hohes Gehalt. Bis jetzt hatte sie diese Stelle nicht gefunden. Ein paar Wochen hatte sie noch Zeit. Lena erinnerte sich an diverse Arbeitgeber. Ein Bauunternehmer arbeitete von einem Container aus, der auf einem stabilen Holzgerüst aufgebockt war und einen guten Überblick über die Baustelle bot. Es gab kein eigenes Büro, nur einen Schreibtisch mit Telefon und Computer in einer Ecke der Wellblechhülse. Ständig ging die Tür auf und wehte den kalten Wind von der Baustelle herein. Von Zementgeruch geschwängert und voll Lärm. Dagegen kämpfte der Gasofen vergeblich an. Das war eine Männerwelt. Harte Kerle, die

nach harter Arbeit, Schweiß und Zigaretten rochen. Der Chef stand mit Schutzhelm vor einer Wand mit den aufgepinnten Bauplänen. Neben ihm der Polier. Sie sprachen Details durch. Als Lena eintrat blickten die Männer sie kurz an und der Chef winkte mit einer Hand zu einem Stuhl. Eine Weile war er in das Gespräch mit seinem Vorarbeiter vertieft. Arbeiter kamen und gingen, fragten etwas, brachten oder holten was. Der Gasofen roch stark nach Gas. Lena wollte in schicken Kostümen in klimatisierten Räumen arbeiten. Das hier war nicht ihre Welt. Sie erhob sich und verlies wortlos den Container. Niemand nahm das zur Kenntnis. Vielleicht war das

eine Arbeitsprobe, dachte Lena, wenn man das aushält, war man für diese Stelle geeignet. Eine andere Stelle war eine Hotelkette. Zwar musste sie im Büro nicht im Schichtdienst arbeiten aber es war reine Bürotätigkeit ohne Kundenkontakt. Außerdem war die Bezahlung mies. Sie hatte sich in einem Großhandelsunternehmen und diversen anderen Stellen  vorgestellt. Kein Betrieb entsprach ihren Vorstellungen. Sogar bei einem Bestattungsinstitut war sie vorstellig geworden. Hier hätte sie ausgiebig Kundenkontakt und musste immer schick aussehen. In Schwarz oder dunkelblau natürlich. Allerdings war die

Kundschaft etwas leblos. Die Angehörigen in Trauer, meistens. Leider fanden die Gehaltsvorstellungen von Lena und dem Bestattungsunternehmer keinen gemeinsamen Nenner. *** Lena hatte noch etwas Zeit bis zu ihrem nächsten Termin. Ein Hochzeitsinstitut. Sie hatte vor ihrer Bewerbung gegooglet Ein solches Unternehmen stand auf ihrer Hitliste ganz weit unten. Solchen Instituten hing etwas Anrüchiges an. Nur Menschen, die im normalen Leben keinen Partner fanden nutzten so etwas, hatte sie gedacht. Allerdings waren Lenas Vorstellungen antiquiert. Vorbei die Zeit der Tanzvergnügen auf der Kirmes. Dabei

hatten die Großeltern sich kennen gelernt. In die Disco gingen häufig feste Paare. Wer in der Disco keinen Partner fand, fand im normalen Leben meist auch keinen. Wenn man bei Tageslicht die Typen von abends sah, zerstoben die Träume. Tipps wie Kurse in der Volkshochschule oder Studienreisen kamen von Menschen OA = ohne Ahnung. Partnerbörsen für Hinz und Kunz florierten im Internet. Wer wirklich zählte in der High Society, begab sich nicht auf das Niveau des worldwideweb. Lena hatte herausgefunden, dass das Heiratsinstitut Schäfer nur reiche Menschen vermittelte. Sehr, sehr Reiche.

Stinkreiche! Normalbürgern war dieses Institut völlig unbekannt. Es war auch nicht bei Google zu finden. Lena hatte für heute nachmittag einen Termin zu persönlicher Vorstellung bekommen. Sie beendete ihre Arbeit. Die wenigen Utensilien auf dem Schreibtisch waren schnell weggeräumt. Lena ging in den Toilettenraum. Sie betrachtete ihr Spiegelbild. Wasserblaue Augen mit dichten Wimpern, eine gerade, kurze Nase, volle, samtene Lippen. Sie zupfte die Bluse zurecht, besser so! Das Make up hatte etwas gelitten, sie frischte es auf. Noch etwas Rouge und die

Lippen nachziehen. Ihre Haare bürstete sie durch und steckte sie zu einer Banane auf. Es war kräftiges, dichtes Haar. Sie wurde dafür beneidet. Das fade aschblond frischte sie immer mit einer Goldtönung auf. Jetzt nahm sie eine gefleckte Hornbrille mit großen Gläsern aus ihrer Tasche. Vorsichtig klappte sie das zarte Gestell auseinander und setzte sie auf. Betrachtete sich im Spiegel. Zu streng, fand sie, das bin ich nicht. Die Brille verschwand wieder in der Tiefe der Tasche. Ein letzter prüfender Blick, dann verließ sie den Raum. ***

Das Heiratsinstitut Schäfer lag in einem ruhigen Vorort von München. Lena fuhr langsam die Straße entlang und schaute nach den Hausnummern. Viele Häuser lagen hinter Mauern oder dichten, immergrünen Hecken. Unterbrochen wurden sie von schmiedeeisernen Toren. Dahinter führten gepflasterte Wege zu prachtvollen Villen. Das Institut war das letzte Haus in der Straße, an einem Wendehammer. Das Grundstück war umgeben von dichtem Kirschlorbeer, kein Blick konnte hindurch dringen. Ein großes, schmiedeeisernes Tor unterbrach die Hecke. Es war dekoriert mit aufgeblühten Rosenblüten und Ranken. Die

aufgebogenen Spitzen waren vergoldet. Kameras hatten die Ankömmlinge im Auge. Lena fuhr vor. Sie öffnete das Seitenfenster ihres schwarzen BMW und winkte hinaus. Nach einem Moment öffnete sich das Tor geräuschlos. Die beiden Flügel glitten zur Seite, Lena fuhr hindurch. An den Seiten blühte Rhododendron in mannigfachen Formen und Farben. Der Weg wand sich durch dichten Wald. Dann sah sie das Gebäude. Die klassische Front machte Lena staunen. Schlanke Säulen vor der Eingangstür stützten den darüber liegenden Balkon. Große, zum Boden reichende Kassettenfenster. Im ersten Stock wiederholten sie sich in kürzerer Form.

Auf der linken Seite blühte eine riesige Magnolie auf dem Rasen, der das Gebäude umgab. Verteilt standen weiße Skulpturen. Lena vermutete, dass es wohl Liebesgötter sein mussten. Sie kannte sich in Mythologie nicht besonders gut aus. Ein dezentes „Parken“ Schild führte sie an die rechte Seite des Hauses. Lena ging zum Eingang. Die große Doppeltür wiederholte die Fensterform. Durch die Scheiben blickte sie auf einen prachtvollen Empfangssalon. Im Hintergrund konnte sie einen großen Schreibtisch erkennen, hinter dem eine Dame saß. Sie blickte in ihre Unterlagen. Lena betätigte die Klingel. Die Dame sah

auf und bemerkte ihren Besucher. Sie verließ den Schreibtisch und öffnete die Tür. „Sie müssen Frau Hartl sein,“ vermutete sie. „Bitte kommen sie herein,“ sie reichte Lena zum Gruß die Hand: „Ich bin Mathilde Stein. Bitte nehmen sie noch einen Moment Platz.“ Lena sah ihr nach, wie sie zu ihrem Platz zurück ging. Eine große, schlanke Frau mit blonden Locken, die ihr über die Schultern fielen. Ein graues Kostüm schmiegte sich eng an ihren Fitnesskörper. Lena ging auf die Sitzgruppe zu und nahm den Raum in Augenschein. Es war der Traum eines Wohnzimmers. Ein Parkettboden mit edlen, hellen Teppichen

belegt. Das wuchtige Sofa und die Sessel in kastanienbraunem Leder. Dazu passend die Seidenvorhänge, die mit Lederstreifen zurück gehalten wurden. Auf den Teakholzanrichten schwammen Orchideen in bauchigen Glasvasen. Die Optik der Gläser vergrößerte die Blüten ins Abnorme. Üppige Grünpflanzen lockerten die strenge Einteilung der Möbel. Lena sank in einen der Sessel neben einer buschigen Palme. Das Telefon auf dem Schreibtisch klingelte. Frau Stein nahm sofort ab. Sie sagte nur „Ja“ und hörte kurz zu. Mit einem „In Ordnung,“ legte sie auf. Sie erhob sich und kam auf Lena zu. Lena erhob sich ebenfalls. Jetzt bin ich dran, dachte sie und streifte die Sitzfalten aus

ihrem Rock. Sie hatte heute extra ihr schwarzes Kostüm angezogen, die weiße Rüschenbluse und eine kleine goldene Halskette. In ihrer großen, schwarzen Schultertasche trug sie ihre Bewerbungsunterlagen. „Leider muss ich sie bitten zu warten,“ sagte Frau Stein bedauernd. „Es ist etwas dazwischen gekommen. Haben sie genügend Zeit?“ Ohne auf Antwort zu warten wandte sie sich um und ging zu einer Anrichte im Hintergrund: „Darf ich ihnen etwas anbieten? Kaffee, Tee, Wasser oder ein Softdrink?“ Lena bemerkte einen Edelkaffeebereiter auf einer breiten, schwarzen Granitarbeitsplatte, der jedem

italienischen Cafe Ehre bereitet hätte. Darüber eine Glasvitrine mit Tassen, Tellern und diversen Gläsern. Darunter Schubladen und mehrere Türen. „Ein Wasser bitte,“ hauchte Lena beeindruckt. Frau Stein öffnete eine der Türen. Es war ein Kühlschrank. „Perrier, San Pellegrino, Apollinaris?“ Fragte sie geschäftsmäßig. “Perrier,” sagte Lena. Im Grunde war es ihr egal, Wasser war für sie Wasser. Hier gab es nur das Feinste vom Feinsten. Das beeindruckte sie. Frau Stein hatte die grüne, keulenförmige Flasche schon aus dem Kühlschrank geholt. Mit geübtem Griff entfernte sie den Deckel. Aus der Vitrine griff sie einen schönen

Kelch und stellte alles auf ein Tablett. „Wo darf ich servieren?“ Lena bekam große Augen: „Auf den Couchtisch,“ schlug sie vor. Frau Stein goss etwas Wasser in das Glas und stellte die Flasche daneben auf den Tisch. „Ich muss sie bitten mich zu entschuldigen. Man benötigt mich,“ bemerkte Frau Stein. Schnell verschwand sie durch eine hintere, unscheinbare Tür. Lena hatte sie vorher nicht bemerkt. Lena nippte an dem kalten Wasser. Durst hatte sie keinen. Sie betrachtete die Bilder an den Wänden, Impressionismus oder Expressionismus? Sie konnte es nicht unterscheiden. Außerdem waren ihr die Bilder unbekannt, keine kitschigen

Seerosenbilder oder Panoramen sondern Männer bei schwerer Arbeit, ein Blick auf eine belebte Brücke, dahinter Notre Dame von Paris Sie öffnete ihre Handtasche, die die ganze Zeit neben dem Sessel gestanden hatte. Die große Bewerbungsmappe lugte hervor. Lena nahm sie heraus und schlug sie auf. Alles war tadellos. Sie bemerkte keine Fehler. Oben stand: Helena Hartl. Ihr Foto darunter auf der ersten Seite war ein schönes Portrait, das sie bei einem Fotografen hatte machen lassen. Es war teuer gewesen, aber Klasse machte sich immer bezahlt. Sie blätterte die Unterlagen durch. Fast alles konnte sie auswendig. So viele hatte sie davon verschickt. Ihren Werdegang von

der Grundschule bis heute war dokumentiert. Besonders stolz war sie auf ihre Auslandsaufenthalte. Angefangen hatte sie mit Sprachkursen in den Sommerferien in England. Krönender Abschluss ihrer Ausbildung war ein einjähriges Studium in den USA. Gerne wäre sie länger dort geblieben aber ihren Eltern fehlte das Geld dafür. Schließlich hatte sie noch zwei Geschwister, Stefan und Janina, die auch in den Genuss gekommen waren. Beide waren älter als sie. Stefan hatte sein Auslandsjahr in England und Frankreich verbracht. Er war Dachdecker, wie Papa. Er hatte seine

Kenntnisse von Dachbedeckungen erweitert. Janina war in Peru gewesen und hatte im Museum für Inkakultur gearbeitet. Beruflich war sie häufig auf Ausgrabungsstätten zu finden. Man rief sie immer, wenn textile Gewebe gefunden wurden. Lena legte die Mappe auf den Tisch. Sie stand auf und begann eine Wanderung durch den Raum. Wie lange dauert es denn noch?, dachte sie. Sie schaute durch die Scheiben der Tür hinaus. Die Sonne warf längere

Schatten. ***

Ein großes, schweres Fahrzeug kam den Weg hochgefahren. Es bog auf den Parkplatz ein. Lena konnte einen Chauffeur mit Uniform und Mütze erkennen. Im Fond, hinter getönten Scheiben, einen Mann mit Hut. Dann war das Auto vorbei. Lena begann wieder mit ihrer Wanderung. Vor dem Schreibtisch blieb sie stehen. Die üblichen Büroutensilien waren darauf ordentlich sortiert. Ein Computer war nicht zu sehen. Plötzlich klingelte es. Lena schaute zur Tür. Davor stand ein mittelgroßer, breitschultriger Mann. Er trug einen Mantel und einen Hut. Sicher der Mann im Fond, dachte sie.

Sie schaute zur Tür, hinter der Frau Stein vor einer geraumen Weile verschwunden war. Nichts rührte sich. Die Klingel ertönte wieder. Lena gab sich einen Ruck und ging zur Tür. Sie öffnete sie weit. „Guten Tag. Bitte treten sie ein,“ sagte sie und lächelte freundlich. Der Mann hatte seinen Burberry abgenommen und reichte Lena die Hand. „Guten Tag. Ich bin John Boltenham. Ich habe einen Termin bei Ihnen.“ Er sprach sehr gutes deutsch mit englischem Akzent. „Ja,“ erwiderte Lena formvollendet. „Sie werden erwartet.“ Sicher stimmt das, dachte Lena. Wie sage ich ihm am besten,

dass ich keine Angestellte bin? „Ich bin Helena Hartl. Bitte geben sie mir ihren Hut. Darf ich sie bitten Platz zu nehmen? Frau Stein, die Empfangsdame, müsste jeden Moment kommen.“ Lena half ihm aus dem Mantel und trug beides zur Garderobe. Boltenham nahm Platz. Er warf einen kurzen Blick auf Lenas Bewerbung. Von außen war sie völlig neutral. Lena nahm die Mappe und legte sie auf den Schreibtisch. Sie fühlte sich in Anwesenheit des Besuchers nicht wohl. Er nahm an, sie sei eine Angestellte. Lena wusste es genau. Sie wollte aber nicht den Eindruck erwecken, dass gerade etwas schief lief.

Sehr schief. Sie holte tief Luft: „Darf ich ihnen etwas zu trinken anbieten? Kaffee, Tee. Wasser oder ein Softdrink?“ Boltenham lächelte: „Für ein Wasser wäre ich ihnen dankbar.“ Lena knetete nervös die Hände: „Perrier, San Pellegrino, Apollinaris?“ „San Pellegrino bitte.” Lena ging festen Schrittes zur Kaffeebar und öffnete die Kühlschranktür. Sie sah, dass der Kühlschrank über alle Türen reichte. Er enthielt auch Bier, Wein und Champagner. Das Wasser lag in drei Reihen gestapelt. Ein Griff und sie hielt das gewünschte in der Hand. Sie öffnete die Flasche und stellte sie wie Frau Stein auf das Tablett.

Als sie in der Vitrine nach einem Glas schaute, gewahrte sie einen CD-Player. Die CDs waren daneben eingeräumt. Sie griff nach der Obersten. Night of the Proms, las sie. Nicht schlecht. Der Player war simpel zu bedienen. Leise ertönte die Musik als Lena mit dem Tablett zu dem Couchtisch trat. Vorsichtig stellte sie das Tablett ab. Sie stellte das Glas vor Boltenham und goss Wasser hinein. Boltenham schlug mit dem Finger den Takt der Musik auf die Sessellehne. Was jetzt, dachte Lena. Wie mache ich weiter? Warum kommt Frau Stein nicht endlich?

„Cheers,“ sagte Boltenham und hob sein Glas. Lena bemerkte, dass ihr Wasser noch da stand. Sie erhob ihr Glas und prostete ihm zu. Beide tranken einen Schluck. Reden, du musst reden, fiel Lena ein. Sie war in einem Seminar für Kundenbetreuung gewesen. Dort hatte man den Teilnehmern die Wichtigkeit erklärt. „Woher kommen sie, wenn ich fragen darf,“ wagte sie zu sagen. Sie setzte sich ihm gegenüber. Er sah sie erstaunt an: „Das habe ich doch schon alles telefonisch durch gegeben.“ Ein Blitz der Erkenntnis ging über sein Gesicht: „Sie meinen

speziell.“ Lena nickte, sie hatte einen roten Kopf bekommen. „Stratford upon Avon,“ sagte Boltenham stolz. „Oh, Shakespeare,“ entfuhr es Lena. „Sie wissen das?“ Fragte er erfreut. „Ich war sogar schon dort. Ich habe sein Geburtshaus besucht.“ Boltenham schlug jetzt mit dem Fuß den Takt zu der Musik. „In the Night of the Proms war ich auch schon,” gestand Lena. “Allerdings hier in Deutschland.“ „Gefällt ihnen England?“ Fragte er. „Oh ja, sehr. Ich habe einige Sprachreisen nach England gemacht. London, Oxford, Greenwich, Kew Gardens, Stonehenge, usw.” Lenas Nervosität wich langsam. Sie

hatte ein gutes Feld zum Beackern gefunden. Während sie sich mit Boltenham über die Sehenswürdigkeiten Englands unterhielt, hatte sie Zeit, ihn zu betrachten. Sie schätzte ihn auf über fünfzig. Er konnte auch älter sein. Leute in dieser Preisklasse hatten viele Möglichkeiten ihr jugendliches Aussehen lange zu erhalten. Er hatte schwarze, dichte Haare mit ergrauten Schläfen. Seine Augenbrauen lagen wie zwei dicke Raupen über den grauen Augen und bewegten sich lebhaft mit seiner Mimik. Sein Anzug war aus edelstem englischen Tuch. Bestimmt hat er einen Schneider in der Savile Row, dachte Lena. Auch die auf Hochglanz polierten

Schuhe waren handgemacht. „Es ist sehr nett sich mit ihnen zu unterhalten,“ meinte er jetzt. Er sah ihr in die Augen: „Allerdings ist meine Zeit begrenzt und wir sollten jetzt auf den Grund meines hier seins kommen,“ sagte er. „Oh ja, natürlich. Es ist so angenehm mit ihnen zu Plaudern, dass man darüber die Zeit vergisst.“ „Es macht mir immer Freude mich mit einer jungen hübschen Dame zu unterhalten. Leider ist meine Zeit wirklich knapp.“ „Sicher, entschuldigen sie.“ Lena holte tief Luft. Was frage ich jetzt, dachte sie verzweifelt. Plötzlich hatte sie eine Idee:

„Sagen sie mir ganz einfach wonach sie Ausschau halten. Dann können wir in unseren Unterlagen nach passenden Damen suchen.“ „Wie funktioniert es hier eigentlich?“ Fragte Boltenham interessiert. Lena hatte sich schnell vergegenwärtigt, dass Diskretion oberstes Gebot war. „Wir suchen Damen heraus von denen wir denken sie passen zu ihnen und legen ihnen ihre Angaben vor. Die Dame entschließt sich dann sie anzurufen oder nicht. Dann können sie ein Date ausmachen.“ Ob das zutraf wusste Lena nicht. Hoffentlich habe ich hier nichts verbockt, dachte sie. Daran hatte sie nicht gedacht. Dabei hatte es

soviel Spaß gemacht. Hätte ich ihn nur nicht im Glauben gelassen, dass ich eine Angestellte bin warf sie sich vor. Sie sah ihre Felle auf diese Stelle davon schwimmen. Gerade hier hätte es ihr gefallen. Die Art der Arbeit, das Ambiente, die Kunden. Ein Seufzer entrang sich ihr. „... keine Fotos,“ hörte sie gerade noch Boltenham sagen. „Nein, wir machen keine Fotos,“ entgegnete sie schwach. Zumindest das musste stimmen. „Richtig,“ hörte sie eine Stimme aus dem Hintergrund. Eine elegante Dame stand vor dem Schreibtisch. ***

Lena verschwand vor Scham in ihrem Sessel. „Darf ich sie hierher bitten, Herr Boltenham. Das sind sie doch?“ Boltenham erhob sich. „Ich bin Annabelle Schäfer, die Besitzerin des Instituts.“ Sie reichte ihm die Hand. Er verbeugte sich leicht und deutete einen Handkuss an. „Angenehm.“ „Bitte nehmen sie hier Platz. Ich werde jetzt ihre Angaben aufnehmen. Es ist, wie die junge Dame gesagt hat. Es gibt keine Fotos in unseren Karteien. Nichts geht bei uns über das Internet. Diskretion ist unser oberstes Gebot. Den weiblichen Kunden legen wir von ausgesuchten Herren deren

Angaben vor. Die Damen entscheiden dann, ob sie die Herren bei Gefallen anrufen. Man trifft sich in der klassischen Weise mit einem Erkennungszeichen der Herren. Zum Beispiel mit einer Zeitung unter dem Arm...“ „Oder der berühmten Rose im Knopfloch,“ scherzte Boltenham. Schäfer nickte: „Wenn die Dame Interesse an ihnen hat, wird sie sich zu erkennen geben.“ Die beiden waren so vertieft in ihr Gespräch, dass Lena unbemerkt verschwinden konnte. Sie schnappte sich ihre Tasche und ging leise zur Tür. Sie öffnete sie geräuschlos und schlüpfte hinaus. Schnell in das Auto gestiegen und davon

gebraust. Hoffentlich ist das Tor offen, dachte sie in Panik. Nur nicht zurück kommen und um das Öffnen des Tores bitten müssen, war ihr Gedanke. Sie machte sich grundlos Sorgen. Die Lichtschranke war so eingestellt, dass sich das Tor für hinausfahrende Fahrzeuge selbsttätig öffnete. Weinend hämmerte Lena auf das Lenkrad. Sie sah kaum die Straße. Wie konnte ich nur so blöd sein, warf sie sich vor. Es ist doch nicht mein Problem, wenn die ihren Terminkalender nicht unter Kontrolle haben. Sie schniefte. Mit dem Handrücken fuhr sie sich unter der Nase entlang. Igitt. Sie fingerte ein

Papiertaschentuch aus ihrer Handtasche. Sie hatte sie achtlos auf den Beifahrersitz geworfen. Sie war wütend auf sich selbst. Was hatte sie nur geritten? Ziellos fuhr sie durch die Gegend. Sie war schon weit außerhalb Münchens, als sie es bemerkte. Die Natur war wunderschön an diesen Frühlingstag. Lena fuhr auf einen Feldweg und schaltete den Motor aus. Frische, kühle Luft umwehte sie, als sie das Auto verlies. Sie atmete tief ein. Wo sie war wusste sie nicht. Vor sich hatte sie das Alpenpanorama in weiter Ferne. Schneebedeckt die Gipfel vor blauem Himmel, Schäfchenwölkchen betupft. Satte grüne Matten auf den

Hügeln. Vor ihr Frühlingsblumen. Krokus, Primeln, Wundklee und Enzian, Helmkraut und Alpenastern. Sie hatte sich auf die offene Autotür gestützt. Jetzt wendete sich um und trat hinter das Auto. Sie lehnte sich an das Heck. Die Sonne blendete und sie hielt die Hand vor die Augen. Unten im Tal erstreckte sich ein tiefblauer See. Daneben das graublaue Band der Asphaltstraße, das den Rand des Sees markierte. Da sind Planungssünden begangen worden, schoss es Lena durch den Kopf. Er war nicht groß. Da war es den Planern wohl nichts wert gewesen. Nur wenige Häuser standen nahe dem See. Das Wasser

glitzerte diamanten in der Sonne. Ein kleines Segelboot und ein paar Ruderboote waren unterwegs. Sicher sind da junge Liebende drin, dachte Lena sehnsuchtsvoll. Ihren letzten Freund hatte sie vergangenes Jahr in den Wind geschossen. Ihre Zukunftsansichten waren auseinander gedriftet. Außerdem hatte er immer weniger zur Hausarbeit beigetragen. Lena war für ihn nur noch eine Tankstelle: voll tanken, waschen aussaugen, frische Wäsche. Er hatte das Feld nicht freiwillig geräumt. So fand er eines Tages seine Koffer und seine Stereoanlage vor der Tür. Das Türschloss war ausgewechselt. Lena stieg ins Auto und fuhr die Straße

zurück. Plötzlich sah sie auf einem Hügel ein Hotel. Ein großes, weißes Gebäude, mit vielen gleichmäßig verteilten Fenstern im ersten und zweiten Stock. Lena liebte Symmetrie. Über dem Hoteleingang prunkte in großer Schrift: Hotel Panorama. Vor einem zweiten Eingang, auf einer großen Terrasse, standen Stühle und Tische unter weißen Sonnenschirmen, sie war voll Menschen. Ihr Bauch signalisierte plötzlich Hunger. Sie nahm die Ausfahrt. Hinter dem Hotel gab es einen Parkplatz. Lena ergatterte den letzten freien Platz. Glück muss man haben, dachte sie. Das Heiratsinstitut war schon in der

zweiten Reihe der Gedanken. Sie schaute sich auf der Terrasse um. Glück zuende, nichts frei. Ein junger Kellner schoss an ihr vorbei. Auf einem Tablett jonglierte er Getränke und Gläser. Flott servierte er einer durstigen Gruppe von Wanderern. Auf dem Rückweg kam er wieder an Lena vorbei. „Sie suchen einen Platz?“ Fragte er lächelnd. Das schöne Mädchen gefiel ihm. „Eigentlich schon.“ Lena gefiel der junge, drahtige Bursche. „Dahinten wird gleich was frei. Die wollen bezahlen. Ich stelle ein Reservierschild für sie auf.“ Lena nickte dankbar. „Gehen sie hinein und suchen sie sich etwas aus,“ fügte er hinzu und war schon

wieder fort. Nanu, dachte Lena, was aussuchen? Sie betrat das dämmrige Hotel. Nach wenigen Schritten stand sie vor einer großen Kuchentheke. Sahne- und Cremetorten, Obstkuchen vom Blech, Schokoladen- und Marzipantorten, Frankfurter Kranz, Obsttörtchen, Biskuitrollen, Tarte Tatin, Granatsplitter, Meringen, Eclairs, Kaffeestückchen, divers gefüllte Berliner, und, und, und... Die Teile sahen frisch und äußerst appetitlich aus. Lena konnte sich nicht satt sehen. Jetzt fiel ihr ein, dass sie seit dem Frühstück nichts mehr gegessen hatte. Ihr Magen begann zu knurren. Sie suchte sich ein Stück aus. „An welchen Tisch bitte?“ Fragte die

Buffetdame. „Das weiß ich leider nicht. Ihr Kellner weiß aber wohin.“ Lena ging wieder nach draußen. Kellnerinnen und der junge Mann bewegten sich zügig zwischen den Tischen. Der junge Mann bemerkte Lena und brachte sie zum Tisch. „Was darf ich ihnen bringen?“ Fragte er. „Einen Cappuccino bitte und den Kuchen,“ erwiderte Lena. Sie stellte ihre Tasche ab. Ihr Blick schweifte über das wunderbare Panorama der Alpen und des Sees. Dann beobachtete sie die Menschen um sich herum. An diesem schönen Frühlingstag wollten die Menschen nach draußen, in die lang vermisste Sonne.

Ständig kamen neue Kunden  und warteten auf frei werdenden Tische. Sie lehnte den Kopf nach hinten und schloss die Augen. Beinahe wäre sie eingeschlafen, hätte der junge Mann nicht ihre Bestellung gebracht. „Ich habe sie noch nie gesehen,“ sagte er: „Sie sind nicht von hier?“ Stellte er fragend fest. „Ich komme aus München,“ erzählte ihm Lena: „Ich arbeite dort. Eigentlich bin ich aus Bad Tölz.“ „Das ist ein schönes Städtchen. Wir haben dort eine Filiale. Ich arbeite dort hin und wieder aushilfsweise mit.“ Er wurde rüde unterbrochen. Ein mittelgroßer, dicker Mann im grünen Trachtenanzug stand in der Tür. Er hatte einem hochroten

Kugelkopf mit einem Schnauzer und rief: „Es warten noch andere Kunden. Beeil´ dich. Du bist zum Arbeiten hier und nicht zum Flirten!“ Lena war erschrocken. „Das macht er nur mit mir,“ beklagte sich der junge Mann. Dann widmete er sich anderen Gästen. Lena genoss ihre Obsttorte. Dabei beobachtete sie den jungen Mann. Er war groß mit breiten Schultern. Das Richtige zum Anlehnen, dachte sie. Seine kantigen Gesichtszüge gefielen ihr. Das dunkle Haar war kurz geschnitten. Er trug das Kellnerhabit, weißes Hemd, kurzärmelig. Schwarze Weste und Hose. Die Kellnerinnen trugen auch schwarz und weiß.

Eigentlich wäre Lena schon wieder gegangen. Etwas hielt sie zurück. Komm, steh auf und gehe, schalt sie sich selbst und  blieb sitzen. Die Sonne sank hinter den Bergen. Es wurde kühl. Die Terrasse leerte sich. Lena winkte dem jungen Mann. Sie musste zahlen und gehen. Als er vor ihr stand hörte sie sich sagen: „Wie lange arbeiten sie noch? Ich würde sie gerne zu einer Pizza einladen.“ Sie hätte sich auf den Mund schlagen können. Statt dessen wurde sie rot. Der Kellner sagte nichts. „Eigentlich bin ich nicht so,“ erklärte sie schnell. „Wie sind sie denn sonst?“ Ein Lächeln

huschte über sein Gesicht. Lena ignorierte die Frage, statt dessen meinte sie: „Ich fühle mich verantwortlich für den Anschnauzer, den sie bekommen haben.“ „Ach, nur deswegen laden sie mich ein?“ Lena begriff, dass er mit ihr spielte. „Ich habe heute abends sonst nichts vor,“ ging sie auf sein Geplänkel ein. Er lachte: „Gut dann werde ich ihnen die Zeit vertreiben. Ich kann hier gleich aufhören. Den Rest können meine Kolleginnen machen. Ich rechne nur meine Kasse ab.“ Damit verschwand er. Lena sah ihm verdutzt

nach. *** Der junge Mann ging an die Kasse und rechnete seine Einnahmen ab. Er legte den Kassenstreifen in die Geldbörse. Der dicke Mann stand trat hinter ihn. „Was hast du vor?“ Fragte er. „Ich gehe noch aus. Die Abrechnung mache ich später.“ „In Ordnung Tim. Du hast heute sehr viel gearbeitet. Ich gönne dir den schönen Abend. Aber sage noch deiner Mutter Bescheid. Sie hatte heute Abend mit dir gerechnet.“ „Mache ich. Ich muss mich sowieso noch

umziehen.“ Leichtfüßig lief er in den ersten Stock. Dort lag die Wohnung seiner Eltern. „Hallo Mama,“ begrüßte er die Dame auf dem Diwan. Sie hielt ihm die Wange hin und er drückte ein Küsschen darauf. „Ich gehe heute abends noch aus. Ich will mich nur schnell duschen und frisch machen.“ „Wir wollten doch besprechen, wie wir den Ausbau des Hotels planen.“ „Das können wir morgen noch,“ rief er ihr aus den Tiefen seines Zimmers zu. Sie hörte die Dusche rauschen. Seine Freundinnen waren ein Dauerthema zwischen ihr und seinem Vater. Alle Mädchen, die er bisher gehabt hatte, waren

banal. Sie hatten keine Klasse, fand seine Mutter Maja. Sie und ihr Mann wünschten sich eine Schwiegertochter und das bald. Tim war zwar erst 30 Jahre, aber wie schnell verging die Zeit. Es war wichtig an die Zukunft des Hotels zu denken. Maja hatte es mit in die Ehe gebracht. Ihr Mann hatte es zu dem gemacht, was es heute war. Die Schwiegertochter sollte fleißig sein und eine Dame. Welterfahren und sprachgewandt. Das musste doch nicht so schwer zu finden sein, dachte sie. Sie bewegte ihre nackten Fußzehen. Eine Pediküre muss ich auch wieder machen lassen, überlegte sie, stand auf und drapierte ihr langes Gewand neu. Es war

azurblau und ein goldener Streifen mäanderte am Saum. Sie rückte den goldbestickten Gürtel zurecht. Privat kleidete sie sich gerne im Stil der Römerinnen, lässig und bequem. Ihre blondierten Haare hatte sie locker zusammen gebunden. Römerfrisuren hatte sie ausprobiert. Dafür benötigte man die Hilfe einer Sklavin, das war unzeitgemäß. So ließ sie die Haare ganz prosaisch vom Friseur Dauerwellen. Tim kam aus seinem Zimmer. Er trug eine Blue Jeans und ein leichtes Hemd. Die hellbraune Lederjacke über dem Arm. “Wir reden Morgen über den Umbau. Der Abend ist zu schön, um ihn vorüber gehen zu lassen.“ Er küsste sie auf die Stirn:

„Habe ich dir eigentlich schon gesagt, dass du mir als Römerin sehr gut gefällst?“ „Immer wieder,“ lachte sie. „Aber morgen reden wir,“ sie drohte ihm schelmisch mit dem Finger. Sie konnte ihm nie etwas abschlagen. Nur in der Frauenfrage blieb sie stur. Sie beobachtete Tim durch das Fenster. Es war jetzt dunkel, die Terrasse leer, die Sonnenschirme zusammen gelegt. Ihr Mann trat hinter sie. Gemeinsam sahen sie, wie Tim mit einer jungen Frau die Terrasse verließ. „Ach Alfons,“ seufzte sie. „Wenn er doch endlich die Richtige heim bringen würde.“ „Lass ihm Zeit, er ist doch noch so jung

Maja.“ „In deinem Alter war Tim schon geboren,“ erinnerte sie ihn. Er nahm sie an den Oberarmen und küsste sie sanft in den Nacken. Sie schüttelte sich und lachte: „Lass das, das kitzelt.“ „Deswegen mache ich es ja.“ Er liebte seine Frau wie am ersten Tag. Sie hatte ihre Macken. Das machte sie für ihn erst interessant. Sie pflegte sich und ihr Nichtstun. Dafür hatte sie das Geld in die Ehe gebracht, dass er jetzt eifrig vermehrte. ***

Am Wochenende fuhr Lena zu ihren Eltern zu Besuch. Ihr Vater hatte Geburtstag. Sie hatte auf Entspannung gehofft aber es war die Hölle los. Der Hof war voll Menschen. Es waren Kunden und Geschäftspartner, die Gesellen und Lehrlinge, Nachbarn und Freunde sowieso. Sie standen um die provisorische Theke. Einer der Gesellen zapfte Bier. Aus den Kisten mit Softgetränken bedienten sich die Leute selbst. Einige Zeltgarnituren waren aufgestellt, man konnte sich zum Essen hinsetzen. In einer geschützten Hofecke stand ein Grill, auf dem Würstchen und Steaks

brutzelten. Lenas Vater Hans Hartl war eine Institution. Ihre Eltern hatten das Dachdeckerunternehmen von seinem Vater übernommen. Der Vater kümmerte sich nur um die damit verbundene handwerkliche Tätigkeit. Ganz besonders lag ihm die gute Ausbildung seiner Lehrlinge am Herzen. Bei ihm hatten sie kein Zuckerschlecken. Dafür verstanden sie am Ende der Lehrzeit ihr Metier. Seine Azubis waren gesuchte Gesellen und einige machten sich nach der Prüfung auf die Wanderschaft. Lenas Mutter Maria war die Seele des Unternehmens. Sie kümmerte sich um den Schreibkram, die Aufträge, das Eintreiben

der Rechnungen und die schulische Ausbildung der Azubis. Während ihr Mann der gute Kumpel war, war sie der General. Diskussionen duldete sie nicht. Sie peitschte die jungen Männer durch die Berufsschule und zusätzliche Seminare. Sie verlangte Bestleistung und bekam sie auch. Sie konnten sich die Bewerber aussuchen. So begehrt waren ihre Ausbildungsplätze. Bevor die zukünftigen Lehrlinge einen Ausbildungsvertrag bekamen, mussten sie einen Test bestehen. Geprüft wurden handwerkliche Fähigkeiten und Verständnis der Arbeit. Dazu mussten sie einen Kräftetest mit Tragen von Dachsteinen absolvieren.

Daran scheiterten die weiblichen Bewerber. Was Absicht war, Maria wollte Ruhe im Betrieb. Einmal war ihnen unversehens ein Analphabet dazwischen gerutscht. Er musste zusätzlich in die Volkshochschule um Schreiben und Lesen zu lernen. Zudem bekam er Extrastunden bei seiner Chefin aufgebrummt. Er war ihr bis heute in Dankbarkeit zugetan. Seitdem mussten die Bewerber auch ein Diktat schreiben, bevor sie ihren Ausbildungsvertrag erhielten. Lena wurde von Moritz und Max stürmisch begrüßt. Sie hatte kaum die Autotür geöffnet, als sie ihr um den Hals fielen. Sie

war ihre Lieblingstante. Kein Kunststück, sie hatten nur die eine. Die beiden Buben bekamen von Lena immer etwas mitgebracht, wenn sie zu Besuch kam. „Immer nur langsam,“ sagte sie: „Lasst mich erst einmal aussteigen.“ Max und Moritz waren die Zwillinge ihres Bruders Stefan. Sie gingen in den Kindergarten. Ob sie im nächsten Jahr ABC-Schützen würden, musste noch entschieden werden. Sie waren „Nachlaufkinder“. Lena stieg umständlich aus dem Auto. Die Beiden hingen wie Kletten an ihr. Seufzend griff Lena in ihre Tasche und gab jedem ein Playmobilspielzeug. Sofort war sie ihre Plagegeister

los. Ihre Mutter traf sie in der Küche. Sie war mit der Zubereitung von Salaten beschäftigt. Hinter ihr stand ein großer Korb mit gemischten Brötchen. Lena begrüßte ihre Mutter mit Küsschen. „Wie geht es dir?“ Fragte ihre Mutter. „Ganz gut,“ antwortete Lena ausweichend. Die Mutter blickte sie über den Rand ihrer Brille an. Sie kannte ihre Tochter gut genug. „Wir können nachher erzählen. Wir müssen erst mal alle Salate hinaus schaffen.“ Wie auf ein Stichwort kann Melanie in die Küche. „Wir brauchen mehr Kartoffelsalat. Oh Hallo. Schön dass du da bist.“ Begrüßte

Melanie ihre Schwägerin. „Kannst du vielleicht gerade den Brotkorb hinaus bringen? Dann fülle ich den Kartoffelsalat ab.“ Für eine Plauderstunde war jetzt gar keine Zeit. Lächelnd nahm Lena den Korb und brachte ihn zum Büffet. Dann suchte sie ihren Vater. Sie fand ihm im dicksten Gewühl. Sie gratulierte ihm und drückte ihm einen dicken Kuss auf die Wange. Das wurde mit Gejohle der jungen Männer quittiert. „Du hast Petrus zum Partner,“ sagte sie: „Er hat dir so schönes Wetter geschenkt.“ Nicht immer hatte ihr Vater Grillwetter zum Geburtstag. Manchmal lag noch Schnee. Bei Regen oder Schnee fand die Feier in der

Werkstatt statt. Dann gab es Gebackenes aus dem Ofen. Lena verlies den Hof. In der Küche half sie die letzten Salate zuzubereiten und hinauszutragen. Dann setzten sich die drei Frauen zum Ausruhen hin. Melanie hatte schon Kaffee gekocht. Die Jungs ließen die Frauen in Ruhe. Sie wuselten zwischen den Männern hindurch. Stefan fing sie ab, als sie mit Bratwürstchen in den Händen, über den Hof laufen wollten. „Hier setzt ihr euch an den Tisch. Zuerst wird gegessen. Dann könnt ihr wieder herum laufen.“ „Lass sie doch,“ sein Vater war hinzu getreten.

„Nein, dann versauen sie mit der Wurst die Hosenbeine deiner Gäste.“ „Das merken die doch erst wenn sie nach Hause kommen,“ bemerkte Hans schmunzelnd. „Oder vielmehr ihre Frauen,“ fügte er hinzu. „Das ist aber nicht nötig. Außerdem wird am Tisch gegessen.. Das hast du uns auch immer gepredigt, als wir Kinder waren.“ „Scho´ recht,“ gab sein Vater nach. *** Nachmittags war der Spuk zu Ende. Die Nachzügler wurden bei den Aufräumungsarbeiten um tatkräftige Hilfe

gebeten. Plötzlich hatten alle zu Hause noch dringende Angelegenheiten zu erledigen. Janina, die letzte der Geschwister, kam mit ihrem Verlobten zu Besuch. Sie und Robert gratulierten ihrem Vater. Robert hatte einen sehr alten Wetterhahn aufgetrieben. Ihr Vater war begeistert. „Den stelle ich in der Werkstatt auf.“ „Dazu ist er auch gedacht,“ meinte Janina. „Im Freien hält er nicht mehr lange durch,“ fügte Robert hinzu. „Da kann ich mit meinem Geschenk nicht mithalten,“ sagte Lena und überreichte ihrem Vater ihr Geschenk. Er öffnete es vorsichtig. Früher hatten sie Geschenkpapier mehrmals verwendet. So hielt er es auch jetzt noch. Es wurde

geglättet, gefaltet und aufgehoben. Dann hielt er ein dickes Buch über die Dachdeckerkunst des Mittelalters in den Händen. Hans bekam feuchte Augen. Er dankte seinen Kindern überschwänglich. Von seiner Frau, Stefan und Melanie hatte er eine Ballonfahrt geschenkt bekommen, damit er sich die Dächer von oben betrachten könnte, so der Tenor. Stefan würde das Geschäft der Eltern übernehmen. Er unterstützte seinen Vater tatkräftig und seine Frau arbeitete mit seiner Mutter zusammen im Büro. Sie lebten im gleichen Haus. Die Alten hielten sich aus den Sachen der Jungen heraus. Das war nicht immer so. Anfangs hatte Maria die Enkel miterziehen

wollen. Nach einer heftigen Auseinandersetzung mit Melanie hielt sich Maria zurück. Und siehe da, es funktionierte auch ohne sie. So klappte das Zusammenleben. Später saßen Janina und Lena in der Essecke zusammen und unterhielten sich. Janina war etwas kleiner als die groß gewachsene Lena. Sonst sahen sich Stefan und Janina ähnlicher. Sie hatten das Habit des Vaters geerbt. Beide hatten kastanienbraunes Haar, das Janina lang trug. Während ihrer Arbeit trug sie es immer als Pferdeschwanz oder Haarknoten. Sie konnte es nicht leiden, wenn ihr bei der Arbeit die Haare in die Stirn fielen. Bei der

konzentrierten Arbeit mit beleuchteter Lupe oder Juwelierglas, konnte sie es sich nicht leisten. Janina arbeitete im Museum. Sie hatte sich zur Spezialistin für Gewebe und Bekleidung alter Kulturen entwickelt. Eigentlich war sie Handarbeitslehrerin. Eines Tages hatte sie eine Anzeige in der Zeitung gelesen. Darin wurde wegen eines Projektes in Peru jemand gesucht, der die gefundenen Gewebe nachweben könne. Janina meldete sich. Sie ging danach nicht mehr in die Schule zurück. Robert war Steinmetz. Er renovierte häufig alte, steinerne Zeitzeugen der Geschichte oder stellte Kopien für Museen her. So hatten sich Janina und Robert bei der

Museumsarbeit kennen gelernt. Lena erzählte ihrer Schwester von Tim. „Er ist Kellner in einem Hotel. Leider behandelt ihn sein Chef schlecht. Ich habe mich jetzt einige Male mit ihm getroffen. Er ist ein ganz lieber Kerl.“ Janina hörte interessiert zu. Sie hoffte, dass ihre Schwester endlich den Mann fürs Leben kennen lernen würde und wollte ihn sich einmal ansehen. „Na,“ neckte sie Lena: „Wann kann ich den Helden deiner schlaflosen Nächte den kennen lernen?“ Lena lächelte: „Ich hoffe bald.“ „Was hoffst du bald?“ Ihre Mutter war hinzu getreten und Lena erzählte nun ihrer Mutter von

Tim. ***

Montag morgen fuhr Lena wieder nach München. Wen interessiert es jetzt noch, wenn ich später anfange, sagte sie sich. Ende des Monats war Ultimo. Sie fuhr den Computer hoch. Zuerst schaute sie nach ihren Nachrichten. In den Mails war nichts besonderes. Mit wenigen Klicks hatte sie fast alles in den Paperkorb verschoben. Sie schaute in ihren Standartprogrammen nach. Wetter, Horoskop, Lifestyle, Tagesschau. Nur die üblichen Katastrophen der Politik. Die Stellenanzeigen würde sie sich später vornehmen. Zuerst ein Blick in die Zeitung. Sie nahm sich die Zeitung vom Samstag vor. Politik und Wirtschaft überblätterte sie. Alles veraltet. Dem Stellenteil galt ihre

Aufmerksamkeit. Lena schaute immer in der Zeitung nach. Hier waren die Anzeigen seriös. Obwohl das Internet mehr Auswahl bot. Interessante Sachen schnitt sie aus. Auf dem Schreibtisch legte sie die Inserate nebeneinander. Im Computer holte sie ihre Bewerbungsunterlagen auf den Schirm. Ihr Bewerbungsschreiben war fertig formuliert. Sie setzte Anschrift und Datum ein. Ein prüfender Blick. Alles korrekt! Der Drucker fing summend an, die Bewerbungsunterlagen auszudrucken. Lena heftete ihr Foto auf die Frontseite und sortierte die Blätter in eine Bewerbungsmappe. Nachdem alle Anzeigen fertig waren, kuvertierte und frankierte sie

sorgsam. Wenn das Äußere nicht perfekt war, wurde eine Bewerbung gleich aussortiert. Bis sie alle Bewerbungen fertig hatte, war es Mittag. Die Post ist bestimmt schon durch, dachte sie. Mit dem Briefkastenschlüssel ging sie zur Eingangstür. Daneben hingen die Briefkästen der verschiedenen Büros. Früher war der ihres Büros immer übergequollen. Jetzt war manchmal gar keine Post da. Lena öffnete das Türchen. Ein einsamer Brief lag darin. Nanu, dachte Lena, der Brief ist für mich. Absender das Heiratsinstitut. Sicher ist das eine Beschwerde oder Klage, weil ich ihnen das

Geschäft vermasselt habe, dachte sie erschreckt. Im Büro schlitzte sie seufzend den Brief auf. Schnell war das Kuvert geöffnet. Ihr Herz klopfte wie verrückt. Vor Aufregung war sie knallrot in Gesicht. Sie entfaltete das Schreiben, ... laden wir sie zu einem Besuch bei uns ein... las sie hastig. Danach las sie es noch einmal aber langsam und gründlich. Man bot ihr einen weiteren Termin an. Das darf doch nicht wahr sein, fuhr ihr durch den Sinn. Sie lehnte sich zurück. Der ergonomisch geformte Bürosessel gab bequem nach. Lena las noch einmal. Man entschuldigte sich vielfach wegen des verpatzten Termins. Lena ließ den Brief auf den Schoß sinken

und schob sich mit dem Sessel zum Fenster. Hier hatte man einen wunderschönen Blick über die Isar und den Englischen Garten. Sie nahm die Aussicht gar nicht war. Ihre Gedanken waren bei dem großen Haus mit der prachtvollen Fassade. Nachdenklich rollte sie an den Schreibtisch zurück. Sie nahm den Telefonhörer, um den Termin zu bestätigen. Nachdenklich schob sie das Blatt in den Umschlag zurück. *** Verena räkelte sich lässig auf dem Sofa. Sie war gerade vom Flughafen gekommen

und wollte Tim wieder sehen. Er war ihr Freund, auch wenn sie Begriffe wie Treue und Loyalität sehr weit auslegte. Schließlich konnte man jederzeit etwas Besseres finden, dachte sie. Dafür wollte sie offen sein. Es hatte bis jetzt nicht geklappt einen reichen Mann zu angeln. Jemand kennen zu lernen war nicht schwer. Sie begeisterte ihre Liebhaber im Bett. Aber keiner wollte eine ernsthafte Beziehung mit ihr. Verena hätte nie im Leben gedacht, dass sie den Ansprüchen der Männer nicht genügte. Ihr Benehmen machte einem Bauern alle Ehre. Reiche Männer wollten mit ihren Frauen repräsentieren. Verena war nur ein angenehmes

Betthupferl. Tims Mutter hatte sie hereingelassen. Tim war noch unterwegs. Sie wollte ihn überraschen. Aus seinem Kühlschrank hatte sie sich ein kleines Fläschchen Sekt genommen. Er perlte erfrischend über ihre Zunge. Sie dachte an ihren Urlaub zurück. Er hatte so schön begonnen und so hässlich geendet. Sie war mit Karl-Heinz (wer hieß denn heute noch so?) auf Mallorca gewesen. Er hatte geschäftlich dort zu tun, er war Bauunternehmer in Hamburg. Verena hatte ihn im Hotel kennen gelernt. Sie arbeitete für eine große Hotelkette und war häufig unterwegs. Sie hatte ihm die Nächte versüßt und er sie zu dem Trip

eingeladen. Während Verena die Tage am Strand und mit shoppen verbrachte, arbeitete er. Die Nächte durchtanzten sie. Keine Disco blieb aus. Karl-Heinz warf danach seine blauen, viereckigen Tabletten ein. Damit er seinen Mann im Bett stehen konnte. Das ging nicht lange gut. Die Arbeit war kaum beendet, da fühlte er sich schlapp und wollte nach Hause. Auf dem Rückflug kümmerte Verena sich um ihn wie eine Krankenschwester. Karl-Heinz blühte unter den neidischen Blicken der anderen Männer auf. In der Empfangshalle hielt Karl-Heinz Ausschau. Tatsächlich, dahinten. Er kannte die Hüte seiner Frau. Das Gepäck hatte er vorsichtshalber auf zwei getrennte

Kofferwagen gepackt. „Sieh mal,“ sagte er forsch zu Verena und zeigte auf die gegenüberliegende Seite. Erstaunt drehte sich Verena um und spähte hinüber. „Ich sehe nicht, was du meinst,“ sagte sie. Sie hielt weiterhin Ausschau. Als sie keine Antwort bekam, drehte sie sich um. Karl-Heinz war verschwunden. Verena blickte suchend um sich. Da! Sie entdeckte ihn neben einer dicken, kurzen Frau, die altmodisch gekleidet war. Sogar einen braunen Topfhut mit schmaler Krempe trug sie. Angegraute kurze Haare lugten störrisch darunter hervor. „Du Schwein,“ rief Verena ihm hinterher. Karl-Heinz tat, als höre er nicht. Seine Frau drehte sich um. Verena sah in ein faltiges

Gesicht mit goldfarben gerahmter Brille. Dann drehte sich die Frau zu Karl-Heinz und sagte etwas. „Was meinen sie? Wie kommen sie dazu...“ Böse Blicke schossen zu Verena herunter. Ein großer Mann stand neben ihr und funkelte sie verärgert an. Verena wurde rot. Sie schreckte zurück: „Sie meine ich nicht.“ „Dann ist es ja gut.“ Er schob seinen Wagen weiter. Verena versuchte hinter Karl-Heinz herzulaufen. „Das wirst du mir büßen,“ zischte sie. In dem Gedränge verlor sie Karl-Heinz aus den Augen. Das hinderte sie nicht, auf den Ausgang zuzustreben. Dort, nun sah sie ihn wieder. Er half gerade seiner Frau beim

Einsteigen in einen dicken Mercedes. Zu spät. Bis Verena aus dem Gebäude trat, war das Auto verschwunden. Sie haderte mit sich. Wieso gerate ich immer nur an solche Männer?, dachte sie. Einige Tage blieben ihr noch, bis sie wieder im Hotel tätig werden musste. Diesmal hatte sie bei einem großen Kongress zu arbeiten. Also, wieder Tim, überlegte sie. *** Tim kam von der Arbeit herein gestürzt. Er wollte sich duschen und umziehen. „Was willst du denn hier?“ Fuhr er sie an. Wie kam sie nur ungefragt in seine Wohnung? Fuhr es ihm durch den Kopf.

„Immerhin sind wir befreundet,“ fauchte sie zurück: „Du hast dich in der letzten Zeit nicht gemeldet.“ „Ich hatte keine Zeit. Hier ist die Hölle los, wie du vielleicht bemerkt hast.“ „Anrufen hättest du schon können. Auf meine Anrufe hast du nicht geantwortet. Aber jetzt hast du frei,“ fügte sie versöhnlich hinzu. „Ich muss bei der Abrechnung helfen.“ Versuchte er sich herauszureden. „Deine Mutter hat mir gesagt, dass du heute nachmittag frei hast.“ Mist, dachte er. Verena wurde immer lästiger. Gut, sie hatte noch nicht festgestellt, dass er jetzt mit

Lena zusammen war. Seine Eltern wussten es auch noch nicht. Tim wollte sich erst sicher sein, bevor er sie seinen Eltern vorstellte. Da passte Verena nicht ins Konzept. Tim holte tief Luft. Das Beste war wohl, ihr die Wahrheit zu sagen. „Verena,“ hub er an. Verena hatte sich erhoben und schaute ihm tief in die Augen. Oh, verflixt, warum machte sie ihm die Sache so schwer. Sein Blick fiel auf ihr großzügiges, üppiges Dekollete. Verena presste die Arme an die Brust und ließ sie leise wippen. Tim sah unter dem dünnen Stoff die Nippel erblühen. Er riss sich von dem Anblick los. „Es ist das Beste, wenn wir uns trennen.“

„Wieso das?“ Keuchte sie. „Hast du eine andere?“ Tim ließ sie stehen. „Ich muss duschen. Wenn ich wieder herauskomme, bist du verschwunden.“ Er hätte sich lieber netter von ihr getrennt. Aber das war bei dem Angebot von Reizen schier unmöglich. Unter der Dusche seifte er sich gründlich ein. Leise öffnete sich die Tür. Verena schlich zu der Dusche. Zuerst hatte sie überlegt, ob sie das Hängerkleidchen anbehalten sollte. Nasse Kleidung über prallen Brüsten wirkte sehr erotisch. Dann hätte sie aber hinterher nichts Trockenes zum Anziehen. Sie streifte das Kleidchen und den Tanga ab. Tim hatte die Augen

geschlossen und wusch seine Haare. Seine Haut glänzte schaumig von dem öligen Duschgel. Verena schlüpfte in die dampfende Kabine. Sie schmiegte ihren Körper an Tim. Verwundert riss er die Augen auf. Er hatte Wasser in den Ohren, weswegen er sie nicht gehört hatte. „Was soll das?“ Rief er. „Wonach sieht es denn aus?“ Sie rieb ihre harten Nippel an seiner Brust. Ihre Hände wanderten mit waschenden Bewegungen seinen Körper hinunter. Sie spürte sein Geschlecht verhärten. Sie spreizte leicht die Beine. Sein Penis schmiegte sich an ihre Schamlippen. Sie schloss fest die Schenkel und massierte den prall gefüllten Luststab.

Sanft bewegte sie sich hin und zurück. Sie spürte, wie er pochte. Du Verräter, dachte Tim. Dann dachte er gar nichts mehr. Verena öffnete leicht die Beine. Mit einer kleinen Bewegung ihres gebräunten Po´s, schlüpfte der Penis in sie hinein. ***

Das Tor öffnete sich lautlos und geisterhaft wie beim letzten Mal. Lena fuhr an der klassischen Front vorbei auf den Parkplatz. Die Magnolienblütenblätter rosteten als dichter Teppich auf dem Rasen. Der Baum trieb frische, grüne Blätter. Ein Gärtner im Blaumann kam mit einer Schubkarre, Besen und Schaufel um die gefallenen Blütenblätter zu entfernen. Kaum hatte Lena geklingelt, wurde auch schon geöffnet. Frau Stein begrüßte sie sehr herzlich. Diesmal trug sie einen schwarzen Hosenanzug mit offener Weste. Die Hemdbluse war in feinen Streifen blau-weiß gemustert. Die Aufschläge in weißen Mille Fleur auf blauem Grund.  Darüber hatte sie mehrere Goldketten in

unterschiedlicher Größe und Breite gelegt. Die Jacke trug sie nicht. Lena hatte sich noch ein schmalgeschnittenes graues Schneiderkostüm zugelegt. Das betonte sehr vorteilhaft ihre schmale, sehr weibliche Figur. Darunter trug sie einen blassroten Rolli. Zur Auflockerung hatte sie eine bunte Holzperlenkette umgelegt. Die Wirkung war sehr apart. Frau Stein entschuldigte sich viele Male für das Malheur vom letzten Mal. „Frau Schäfer wird ihnen alles erklären,“ fügte sie hinzu. Sie führte Lena zu der unscheinbaren Tür an der hinteren Wand. Dort befand sich ein kleiner Aufzug. Nach einer kurzen Fahrt öffnete er sich in eine

große Diele mit mehreren Türen. Die Wände waren in hellem Ocker. Großformatige Gemälde in schweren Goldrahmen hatten die Toskana und das Meer zum Motiv. Der Teppichboden in zartem olivgrün war dick und flauschig. Frau Stein öffnete die gegenüberliegende Tür. Nachdem Lena eingetreten war, schloss sie sie lautlos von außen. Der Raum war sehr groß. Er nahm fast den ganzen ersten Stock ein. Durch die Fenster fiel helles Frühlingslicht. Der beige Teppich schluckte jedes Geräusch. Die wuchtigen Sofas waren mit Plüsch in rot und Goldmustern bezogen. Dazu passten die Brokatvorhänge,

in dicke Falten drapiert. Sie wurden mit goldenen, getroddelten Kordeln zurück gehalten. Ein schwerer Schreibtisch aus Mahagoni stand vor den Fenstern. Außer einem altmodischen Telefon, lederner Schreibunterlage und einem Schreibtischset aus Onyx, war er leer. Hinter sich sah Lena eine alte geschnitzte Bücherwand die Rückseite einnehmen. Gefüllt mit dicken Folianten. Goldene Stehlampen spendeten indirektes, gemütliches Licht. Dicke, sattgrüne Farne und Orchideen, lockerten den Raum auf. Lena hatte gerade genug Zeit den Raum auf sich wirken zu lassen, öffnete sich die Tür und Annabelle Schäfer betrat den Raum. Mittelgroß mit mütterlicher Figur. Die

blonden Haare waren aufgesteckt. Schwerer Goldschmuck baumelte an ihren Händen und Ohren. Die manikürten, langen Fingernägel hatten den gleichen Rot-Ton wie die Polster. Es war die perfekte Inszenierung. Sie begrüßte Lena warmherzig und entschuldigte sich für das Malheur von letzten Mal. Das hatte Lena nun oft genug gehört. Sie wartete auf eine Fortsetzung. „Kommen sie doch bitte mit in mein Büro,“ meinte sie und führte Lena in ein kleineres Eckzimmer. Die Aussicht ging auf den Parkplatz und die Rückseite des Hauses. Lena sah eine weitläufige Parklandschaft. Hier stand auf dem Schreibtisch ein Monitor und lag Schreibzeug. Einfache

Holzregale an der Wand waren gefüllt mit flachen Ordnern. „Bitte nehmen sie Platz.“ Frau Schäfer setzte sich. Auf dem Schreibtisch sah Lena ihre Bewerbungsmappe. „Sehen sie,“ hob Schäfer an: „Ich bin alleinerziehend mit vier Kindern. Die Ältesten sind erwachsen. Meine beiden Teenager sind in dem Alter in dem sie alles besser wissen.“ Sinnend fügte sie lächelnd hinzu: „Sie glauben es zumindest. Sie denken, die Alten haben keine Ahnung.“ Lena schmunzelte. Sie dachte gerade daran, wie sie in dieser Zeit gewesen war. Sie hatte den Älteren seinerzeit auch Ahnungslosigkeit bescheinigt.

„Meine Jüngste, Julia, ist beim Ladendiebstahl erwischt worden.“ Schäfer seufzte. „Warum erzähle ich ihnen das alles?“ Lena wagte nicht sie zu unterbrechen. Tatsächlich fuhr sie mit der Geschichte fort. „Sehen sie, ich will ihnen erklären, warum ich sie letztes Mal nicht gleich empfangen konnte.“ Sie stockte einen Moment, dann fuhr sie mit fester Stimme fort: „Ich hatte eine heftige Auseinandersetzung mit der Polizei am Telefon. Ich erklärte ihnen, dass ich meine Tochter nicht sofort abholen könne. Schließlich konnte ihr bei der Polizei nichts passieren. Sie war

bestens aufgehoben. Ich bot an, sie von meiner Haushälterin abholen zu lassen. Aber nein, sie wollten mich sprechen. Da sagte ich ihnen, ich käme nach Arbeitsschluss. Sie fragten mich, wohin sie mit Julia solange sollten. Sperrt sie in eine Zelle, sagte ich ihnen. Da kann sie sich gleich mal Gedanken machen.“ Lena war über die schroffe Art einer Mutter erstaunt. Andererseits, unrecht hatte sie nicht. „Denkt ihre Tochter, dass sie ihr keine Zeit widmen?“ Fragte Lena. „Natürlich, das ist großes Kino zu Hause.“ Frau Schäfer sinnierte etwas nach, bevor sie fortfuhr: „Sehen sie, mein Mann ließ mich mit den Kindern sitzen, als Julia gerade zwei

Monate alt war. Da kam mir die Idee mit dem exklusiven Partnerservice. Ich komme aus einer Familie in der Werte wie Bildung, Manieren und Integrität eine große Rolle spielten. Einen Partner mit diesen Qualitäten findet man nicht an der Wirtshaustheke. Außerdem würde ich nie in eine Kneipe gehen und Männer ansprechen.“ Lena schüttelte leicht den Kopf. Das würde ihr auch nicht im Traum einfallen. Schäfer fuhr fort: „Da ich selbst einen Job brauchte, habe ich die Agentur gegründet. Angefangen habe ich mit ganz normalen Leuten. Mittelklasse. Mein erstes Pärchen ist heute noch verheiratet und hat entzückende Kinder. Später entwickelte das Institut sich zu

dem, was es heute ist.“ Sie stand auf und trat zu einer Kaffeemaschine: „Ich habe ihnen noch gar nichts angeboten. Kaffee, Tee?“ Lena wünschte nichts weiter, als die Fortsetzung der Geschichte. „Kaffee,“ sagte sie deshalb. Das ging schneller als Diskussionen zu führen und dann doch etwas zu nehmen. Schäfer brühte zwei Tassen. „Heute kann ich mir meine Kunden aussuchen,“ sagte sie und reichte Lena die Tasse. „Ich habe nur eine begrenzte Anzahl Bewerber. Alle anderen kommen auf die Warteliste. Wir nehmen nicht jeden potentiellen Kunden. Ungehobelte Multimillionäre nehmen wir nicht. Wir

erwarten Klasse und exzellente Kinderstube. Gute Manieren sind genauso eine Voraussetzung, wie Mobilität.“ Sie trank einen Schluck Kaffee, Lena tat es ihr nach. „Ich sehe mir jeden Kunden persönlich an.“ Lena war beeindruckt. Die Zeit verging wie im Flug. Schäfer erklärte ihr wie das Institut arbeitete. Zum Schluss erkundigte sie sich: „Haben sie irgendwelche Fragen?“ Lena war wie erschlagen. Ihr fiel keine Frage ein. „Etwas hätte ich fast vergessen,“ erwähnte Schäfer: „Keine privaten Kontakte mit Kunden. Eine Liaison mit einem Kunden ist absolut tabu. Das führt zu einer sofortigen

Kündigung.“ Wenn man sich hier einen Millionär oder gar Milliardär geangelt hatte, dachte Lena, braucht man nicht mehr zu arbeiten. „Wann können sie anfangen zu arbeiten?“ ***

„Es ist Schluss,“ sagte Tim. Er trug eine Jeans und suchte ein Hemd heraus. Verena hatte sich wieder angezogen. „Wie, es ist Schluss?“ Sie rubbelte noch die Haare trocken. Erstaunt schaute sie unter dem Handtuch hervor. „Mit uns ist Schluss. Aus, vorbei. Finito.“ Verena kreischte laut. “Du Schwein. Mich so zu benutzen und dann wegzuwerfen. Das wird dir noch leid tun.“ Sie ging auf ihn los. Sie wollte ihm ins Gesicht schlagen, die Augen zerkratzen. Er fing gerade noch ihre Hände ab. „Verschwinde, ich will dich hier nicht mehr sehen.“ Er stieß sie von sich und öffnete weit die Tür. Verena schnappte sich ihre Handtasche und flog wie eine Furie hinaus.

Tim fühlte sich besser. Er hatte es hinter sich gebracht. Den Sex verbuchte er unter Verführung. Tim hatte Verena in einem Seminar für Kundengewinnung und –erhalt in München kennen gelernt. Sie waren sofort ins Bett gegangen. Tim war jung und sorglos. Danach hatten sie sich auf einem Kongress für internationales Marketing in Salzburg wieder getroffen. Verena wollte hoch hinaus. Deshalb lud sie ihn zu einem Mitarbeiterseminar auf die Zugspitze ein. Ambitionen zum Arbeiten hatte sie keine. Bequemer war es, sich aushalten zu lassen. Bei einem Besuch bei Tim hatte sie seine Mutter kennen gelernt. Ihr gefiel die Art zu leben, die Tims Mutter zelebrierte. So hatte

sie beschlossen ihr unstetes Leben aufzugeben. Sie plante Tim zu heiraten und ein Leben in Shop und Hopp zu führen. Tim hatte sich von ihrem blendenden Aussehen und gewandten Gehabe blenden lassen. Echte Gefühle hatte er erst entwickelt, als er Lena kennen lernte. Ihn bezauberte ihre ernsthafte Art. Für schnellen Sex war sie nicht zu haben. Er spürte, dass sie etwas ganz besonderes war. Ihre elegante Ausstrahlung war angeboren. Tim dachte an ihr fröhliches Lachen. Das Grübchen, das sie nur auf einer Seite hatte. Ihm wurde warm, als er an ihre feminine aber schlanke Figur dachte. Ihre Brüste sahen echt aus. Anders als Verenas Silikonkugeln. Dabei verdrängte er, dass er sehr gerne

seinen Kopf hinein vergraben hatte. Lena ließ ihn zappeln. Das beflügelte seine Fantasie. Wenn Lena vor ihm herging, schwangen ihre Hüften über schlanken Beinen. Tim hatte mehrere Mädchen kennen gelernt. Keine war dabei, die seine Mutter zufrieden gestellt hätte. Er verehrte seine Mutter sehr. Sie war klug und lebenserfahren. Sie wollte eine Schwiegertochter mit Klasse, Ausstrahlung, Können und Fleiß. Das Unternehmen sollte in der nächsten Generation weiter expandieren. Einmal war Tim überzeugt die Richtige gefunden zu haben. Allerdings fragte er seine Mutter nach ihrer Meinung. Die hatte

ihm lange in die Augen gesehen und dann gesagt: „Wenn du mich fragst, ob du sie heiraten sollst, dann lass es lieber.“ Verena war ihm einfach dazwischen gerutscht. Nicht im Traum hätte er daran gedacht sie zu heiraten. Ein Mann wollte eine Frau erobern. Eine Frau, die gleich mit ihm ins Bett hüpfte, machte das auch mit jedem anderen Mann. Verena war ein schöner Zeitvertreib. Aber keine Mutter für seine Kinder. Hätte sie je seine Gedanken erfahren, sie hätte ihm die Augen ausgekratzt. Verena dachte nicht daran sang- und klanglos aufzugeben. Klar, dass er eine andere hatte. Da war sie sich

sicher. In ihr nahm ein Plan Gestalt an. *** Lena hatte sich mit Tim für den Abend verabredet. Den ganzen Nachmittag war sie in glücklicher Stimmung. Was wollte man mehr? Den perfekten Traummann an der Angel und ein interessanter, gut bezahlter Job in der Welt der Reichen und Superreichen. Traummann? Überlegte Lena. Das war ihr gerade so eingefallen. Sie zog Bilanz: gut aussehend, galant, zuvorkommend... war das schon alles? Was wusste sie über ihn? Dass er Kellner war und sich von seinem

Chef ausnutzen ließ. Hatte er Ambitionen Karriere zu machen? Wie machte man als Kellner Karriere? Sie hatte keine Ahnung. Sie plante schon eine Zukunft, fiel ihr auf. Dabei wusste sie gar nicht, was er wollte. Das soll sich ändern, dachte sie. Heute abend würde sie ihm auf den Zahn fühlen. Wenn sie sich verlieben sollte, sollte es der Richtige sein. Schlechte Erfahrungen hatte sie genug. Mit diesen Gedanken machte Lena sich ausgehfertig. Sorgsam wählte sie ihre Kleidung und die Accessoires. Sie breitete alles auf ihrem Bett aus. Nach einer ausgiebigen Dusche mit eincremen und Duft besprühen, zog sie sich an. Unter den Handtuchturban waren die Haare

vorgetrocknet. Sie föhnte sie ihn Form. Mit Hingabe legte sie Make up auf. Sie drehte sich vor dem Spiegel, perfekt! Sie hatte genügend Zeit, um zum Treffpunkt zu fahren. Er hatte sie in ein Nobellokal eingeladen. Wie kann er sich das leisten, huschte durch ihre Gedanken. Ein Kellner verdient nicht viel, dachte sie. Nun ja, die Trinkgelder vielleicht. Oder er kannte das Personal des Nobellokals und hatte mit ihnen einen Deal vereinbart? Egal, sie würde den Abend genießen. Tim wartete schon auf sie. Er erhob sich von seinem Platz, als sie vom Empfangschef an seinen Tisch geführt wurde. Er begrüßte

sie mit einem dezenten Kuss auf die Wange und schob ihr den Stuhl unter, als sie Platz nahm. Lena fühlte sich unsicher. Das war nicht ihre Welt. Aber es war schön. Wenn sie doch dazu gehören könnte! Ihr entrang sich ein Seufzen. Tim schaute sie über die Speisekarte fragend an. Lena lächelte verschämt. „Ich habe heute einen neuen Job bekommen.“ „Erzähle, was ist es denn?“ Lena berichtete ihm von dem Heiratsinstitut. „Das kenne ich gar nicht,“ entfuhr es ihm. Kein Wunder, dachte Lena, unterhalb der Preisklasse der Superreichen kannte es niemand. Der befrackte Kellner trat an

ihren Tisch, um die Bestellung aufzunehmen. „Champagner,“ sagte Tim: „Wir haben etwas zu feiern.“ Der Kellner fragte nach der bevorzugten Marke. Lena zog lautlos die Luft ein. Als er gegangen war, fragte Tim: „Was möchtest du essen?“ Lena wusste nicht, was sie bestellen sollte. Alles war so teuer. „Ich übernehme das,“ erklärte Tim kurz, als die Bedienung die Bestellung aufnahm. Lena bekam große Augen. Tim fachsimpelte mit dem Ober überlegen und mit Stil. Dieser nahm eine devote Haltung an. „Ja, mein Herr. Sicher, mein Herr...“ Es wurde ein großartiger Abend. Lena wurde

lockerer. Ach, wenn es immer so wäre, dachte sie. Danach gingen sie in eine Disco. Der Türsteher hielt ihnen die Tür auf: „Guten Abend. Schön, sie wieder zu sehen.“ Lena war verdutzt. In der Disco wurde er von den Angestellten und vielen Gästen mit „Hallo“ begrüßt. Lenas Verwunderung steigerte sich. Tim war bekannt wie der sprichwörtliche bunte Hund. Es wurde ein toller Abend. Tim tanzte nur mit ihr. Andere Mädchen, die ihn aufforderten, ließ er abblitzen. Ein Mädchen betrachtete die Beiden aus einer Ecke heraus. Sie sorgte dafür, dass sie für Tim unsichtbar blieb. Sie sah eine

Weile zu, wie Tim die Fremde umwarb. Dann zog sie ihr Handy aus der Tasche. Zuerst machte sie mehrere Fotos von dem Pärchen. Danach tätigte sie einen Anruf. ***

Nach Beendigung der Beschäftigung im Immobilienbüro begann Lena ihre Arbeit im Heiratsinstitut. Sie musste sehr viel lernen was Benehmen und Etikette anging. Der Umgang mit diesen Kunden war ganz anders als mit Normalos. Man benötigte sehr viel Fingerspitzengefühl. Getrieben von der Sehnsucht „normal“ zu sein, stellten diese Menschen dennoch Ansprüche an ihre eigenen Normen. Lena lernte, sich mit Stil und Eleganz zu kleiden ohne protzig zu wirken. Sie erweiterte ihren Wortschatz, Ausdruck und Stil. Ohne in Verwunderung zu fallen, hörte sie Sätze wie: „Ich habe etwas Jetlag. Ich komme gerade aus New York und muss gleich weiter nach

Shanghai.“ Oder: „In Tokio hat es nur geregnet. Bestimmt ist es in Rio besser, wenn ich morgen dort bin.“ München war nur ein Zwischenstopp. Aber ein ganz besonderer. Wochen vergingen. Lena lernte Tim besser kennen. Sie spürte, wie er immer mehr Besitz von ihr ergriff. Die Pflanze der Liebe breitete sich in ihr aus. Sie rankte aus ihrem Herzen umwand Brust und Bauch. Ihre Augen leuchteten wie taunasse Blüten. Tim war sehr zurückhaltend. Einerseits schätzte Lena das sehr. Andererseits sehnte sich ihr Körper nach intimer Berührung und mehr. Sie wollte ein Fest daraus machen, wenn sie sich ihm das erste Mal hingab. Tim war in Gedanken immer bei ihr.

Ständig dachte sie an ihn. Freute sich auf die Treffen mit ihm wie ein Kind auf Weihnachten. Jede seiner Berührungen elektrisierte sie. In seinen Armen zu tanzen war der Himmel auf Erden. Solche Gefühle hatte sie noch nie gespürt. Sie kam zu der Erkenntnis: Das ist er. Das ist der Mann, mit dem ich mein Leben verbringen will. Von ihm will ich meine Kinder haben. Sie ging wie auf Wolken. Ach, war das Leben schön. Lena plante ein ausgedehntes Liebeswochenende in ihrer kleinen Wohnung. Tim hatte ein Zimmer im Hotel Panorama. Er hatte sie nie mit dahin genommen. Ein kleines Personalzimmer war

für ein Liebesereignis nicht der richtige Rahmen, entschied Lena. Freitag abend würden sie in die Disco gehen. Danach würde sie Tim einladen mit in ihre Wohnung zu kommen. Alles weitere würde sich entscheiden. Lena schmückte ihr Schlafzimmer mit duftenden Blumen und Kerzen. Verhüllte die Lampen mit orange-rotfarbenen Tüll und legte CDs mit Liebesmusik heraus. Sie waren beide keine Neulinge mehr in der Liebe. Tim hatte ihr von seinen früheren Freundinnen berichtet. Lenas letztes Debakel hatte bei Tim eine große Heiterkeit ausgelöst. Er verstand jetzt ihre Vorsicht besser. Aber es wurde immer schwerer für ihn sich

zu beherrschen. Wie gerne würde er sie in die Arme reißen und sie von oben bis unten liebkosen. Seine Lenden schmerzten, wenn sie bei ihm war. Ein neues unbekanntes Gefühl erfüllte ihn, seit er sie kannte. Mehr als dieses Brunftgefühl, dass die Männer dazu brachte ihre Gene weiter zu geben. Sie wollte er beschützen, vor allen Gefahren. Steinzeitgefühle, fand er. He! Tickst du noch richtig, schalt er sich selber. Wo gab es heute noch den Säbelzahntiger? Das mächtige Mammut oder den Höhlenbären? Wie sein Urahne wollte er den Schatz seines Herzens vor aller Unbill bewahren. Er freute sich schon auf den Freitag. Lena hatte Andeutungen fallen lassen. Sie würde

das Dessert vorbereiten, hatte sie gesagt. *** Verena verging vor Wut. Auch nach Wochen hatte sie sich nicht abgekühlt. Ihre Freundin Larissa hatte ihr Fotos aus der Disco geschickt. Tim mit seiner neuen Flamme. Bisher war ihr noch kein brauchbarer Plan eingefallen. Sie wollte Tim diffamieren, ohne als Urheberin erkannt zu werden. Schließlich wollte sie das Feld hinterher wieder übernehmen. Zuerst hatte sie sein Zimmer auf Hinweise durchsuchen wollen. Das hatte sich als unmöglich erwiesen. Seine Wohnung war nicht ungesehen zu betreten. In diesem

Hotel war immer jemand auf den Fluren unterwegs. Sie hätte auch nicht gewusst, wonach sie suchen sollte. Sein Computer war mit einem Passwort geschützt. Seit Tim sie einmal erwischt hatte, als sie heimlich servte. Sie hatte unschuldig getan: „Ich wollte gerade mal meine Mails checken.“ Verena wusste nicht, dass es Tim nur um Geschäftsgeheimnisse ging. Er hatte alle Pläne für das Hotel darin gespeichert. Dass sie im Internet servte, war ihm egal. Zwischenzeitlich war sie in Hamburg tätig gewesen. Dort hatte sie Jürgen kennen gelernt. Dabei war Tim etwas in Vergessenheit geraten. Jürgen hätte Verenas Vater sein können. Aber er war

reich. Seine jugendliche Figur erhielt er im Fitnesscenter und bei der Kosmetikerin. Hin und wieder legte er sich beim Schönheitschirurgen unter das Messer. Er war großzügig, er verwöhnte Verena mit Geschenken. Sehr oft gingen sie aus. Sie entlohnte ihn mit Liebesdiensten. Ihre Fantasie kannte keine Grenzen. Sie entzückte ihn ständig mit neuen Sexspielchen. Deshalb nahm er sie als Begleiterin zu einem Kongress in Johannesburg mit. Südafrika war eine neue Erfahrung für Verena. Leider war es viel zu heiß für Aktivitäten außerhalb des Hotels. So blieb sie fast nur im Zimmer. Zurück in Hamburg war Jürgen ihrer satt.

Er wusste nur nicht, wie er sie ohne Ärger loswerden konnte. Diesen Typ Frau kannte er. Es reichte nicht, ihr ein Geschenk und den Abschied zu geben. Deshalb hatte er mit seinem Freund Markus ein Spiel ausgeheckt, dass beide immer praktizierten, wenn einer seine Affäre loswerden wollte. Als Verena und Jürgen aus der Ankunftshalle des Flughafens traten, trat Markus herbei. Er zückte einen imaginären Ausweis, den er gleich wieder verschwinden ließ. Er sagte: „Zollfahndung. Folgen sie mir unauffällig.“ Jürgen sah Verena bedauernd an. Seine Augen troffen vor Leid: „Ja mein Liebes, das war es dann wohl. Ich werde dich anrufen.“ Er drehte sich mit

dem Gepäckwagen um und folgte Markus. Anrufen würde er nie. Frustriert blieb Verena zurück. Sie dachte nicht einmal daran, wie unecht das gewesen war. Danach hatte Verena wieder in München zu tun. Was lag näher, als sich wieder auf Tim zu konzentrieren? Sie verabredete sich mit Larissa. Die beiden Freundinnen wollten zuerst ins Kino und dann in die Disco. Weil Larissa nach dem Kino Hunger hatte, gingen sie zuerst in eine Pizzeria. Sie mussten länger warten, der Laden war voll. Wahrscheinlich hatten viele Leute nach dem Kinobesuch Hunger. „Der Abend ist noch lang,“ tröstete Larissa ihre Freundin. „Wir haben die ganze Nacht

noch vor uns.“ Es war schon nach Mitternacht, als sie in der Disco eintrafen. Viele junge Menschen standen davor und warteten, dass sie hinein durften. Der Türsteher ließ die beiden Mädel ohne Umschweife eintreten. Verena hörte, wie einer der wartenden Jungen sich beschwerte. Das kratzte den Glatzkopf mit Bodybuilderfigur überhaupt nicht: „Du kannst gleich abhauen. Wer hier wann hineingelassen wird entscheide ich!“ Er hatte Anweisung Mädchen ohne Begleitung immer hinein zu lassen. Mädchen machten keinen Ärger und steigerten den Umsatz. Die Jungs gaben ihnen gerne Getränke und mehr aus. Bunte Lichter flackerten. Ihre Augen

mussten sich erst an die Dunkelheit gewöhnen. Die Musik dröhnte. Der Bass wummerte spürbar, hei, hier ging die Post ab. Tische waren nirgendwo mehr frei. Die Freundinnen stellten sich in die dritte Reihe hinter den Tresen. Langsam schoben sie sich vor. Larissa sah, dass ein Eckplatz an der Theke frei wurde. Sofort setzte sie ihre Ellbogen ein und ergatterte den Platz. Böse Gesichter und hämische Bemerkungen überhörte sie. Verena drang zu ihr vor. Jetzt musste nur noch der Platz daneben frei werden. Von ihrer erhöhten Warte aus überblickte Larissa das Geschehen. Plötzlich sah sie Tim mit seiner Freundin auf die Tanzfläche gehen.

„He, Verena,“ schrie sie der ins Ohr: „Da ist Tim mit seiner Freundin.“ „Wo, wo?“ Keuchte diese. „Komm hier herauf.“ Larissa half ihrer Freundin sich auf die Fußstange zu stellen und sich hochzuziehen. Dort hielt sie Verena fest, damit sie sich umsehen konnte. Tatsächlich. Das festumschlungene, knutschende Paar waren Tim mit Geliebter. Jetzt zündete eine Idee bei Verena. „Lass uns beobachten, wo sie sich hinsetzten.“ Sie setzte Larissa ihren Plan auseinander. Es dauerte eine Weile, bis Tim und Lena an ihr Tischchen gingen. Sie tranken erhitzt

und hielten sich an den Händen. Tim hatte seine Lederjacke über die Stuhllehne gehängt. Plötzlich klingelte sein Handy. Er holte es hervor und sprach ein paar Worte. Dann steckte er es wieder ein. „Meine Mutter,“ erklärte er Lena: „Komm, lass uns wieder tanzen.“ Verena beobachtete die Beiden. Sie sah, wie Tim telefonierte. Als sie zum Tanzen gingen, sagte sie: „Es geht los.“ Die Mädchen gingen an Tims Tisch vorbei. Larissa deckte von hinten. Verena nahm im Vorbeigehen  Tims Jacke mit. Sie legte sie sich über den Arm, als wäre es ihre eigene. Mit der Beute verschwanden sie in der Toilette. Rasch war das Handy aus der Tasche

gezogen, es war ein iPhone. Immer hat er das Neuste, dachte Verena neidisch. Schnell hatte sie es durchgecheckt. Hier, auf der ersten Stelle: Lena! Sie sendete die Telefonnummer und Lenas Adresse an ihre eigene Mailadresse. Sie klickte weiter. Nichts mehr von Interesse. Ihre eigene Nummer hatte Tim gelöscht. Sie steckte das Handy in die Tasche zurück. Auf dem Rückweg mussten sich die Freundinnen durch die Menge schieben. Neben dem Tisch ließ Verena die Jacke fallen. „Ist mir leider vom Stuhl gerutscht,“ sagte sie bedauernd und hängte die Jacke wieder über die Stuhllehne. Ihre Vorsicht war unnötig. Es bemerkte keiner und

interessierte niemand. Es wurde für Verena noch ein schöner Abend. Sie lernte einen netten jungen Mann kennen. Als er fragte, ob sie zu ihm mit nach Hause ginge, tat sie entrüstet: „So eine bin ich doch nicht.“ Larissa grinste wissend zu ihr herüber. Verena tat, als bemerke sie es nicht. Sie machte mit ihm ein Date aus. ***

Der Abend war perfekt gewesen. Lena lag noch wach und dachte an die letzten Stunden. Tim lag unbedeckt neben ihr und schlief fest. Sie dachte kurz an einen alten Film mit Yul Brynner. Darin spielte er einen Spion. Eine Hure des FBI sollte ihn aushorchen. Auf die Frage, ob er etwas geäußert hätte, antwortete sie den Beamten: „Was macht ein Mann, wenn er gebumst hat? Er schläft!“ Sie dachte daran, wie sie getanzt hatten. Tim hatte sie fest an sich gezogen. Sein Geschlecht pochte an ihrem dünnen Kleid. Sie konnte es vor Erregung kaum aushalten. So schlug sie vor, früher nach Hause zu fahren. Tims Gesicht sah aus wie vor der Weihnachtsbescherung, als sie ihn bat mit  in die Wohnung zu

kommen. Sie hatten sich nicht lange aufgehalten. Sie entkleideten sich auf dem Weg zum Schlafzimmer. Es sah aus wie bei einer Schnitzeljagd. Die Spur der Kleidung führte direkt zum Bett. Ausgehungert wie junge Wölfe waren sie übereinander hergefallen. Danach ließen sie es langsamer angehen. Lena entzündete die Kerzen. Tim bestückte den CD-Player. Genüsslich vertieften sie sich ineinander. Tim hatte ein kräftiges Prachtstück und schmale Hüften. Lena entzückte Tim mit den perfektesten Brüsten und  dem erfreulichsten Schoß. Ohne ihn zu berühren zog sie jetzt Tims Linien nach. Seine Haut war rein, ohne

Makel. Aber hier, an der Leiste, war ein kleines erdbeerförmiges Muttermal. Lena tippte mit dem Finger darauf. Sofort reagierte sein Penis mit einem Nicken. Lena hätte gerne laut gelacht. Sie tippte wieder..., und wieder. Der Penis richtete sich unter Nicken langsam auf. Tim erwachte zur nächsten Runde. Gegen Morgen waren sie in tiefen Schlaf gefallen. Als sie erwachten, stand die Sonne schon hoch am Himmel. In der Küche bereitete Lena ein kleines Frühstück. Sie berieten gerade, wie sie den weiteren Tag verbringen sollten, als Tims Handy klingelte. Er hörte zu und hob resignierend die Schultern. „Geht es wirklich nicht anders?“ Fragte er.

Bedrückt legte er auf. Er sah Lena bedauernd in die Augen: „Ich muss ins Hotel. Es ist ein Bus mit Gästen gekommen. Gerade am Wochenende bestehen immer Personalprobleme. Tut mit leid, ich muss arbeiten.“ Lena wurde wütend: „Es gibt bestimmt auch andere Angestellte, die man aus dem Frei rufen kann. Du lässt dir viel zu viel gefallen. Wie man mit dir umgeht! Du musst lernen NEIN zu sagen.“ Tim fuhr ihr mit der Hand beruhigend über die Wange: „Lena, Liebling, ich muss da sein, wenn die Pflicht ruft. Ich habe keine Geschwister und ich bin der Juniorchef.“ Lena blieb verdutzt zurück. Jetzt erklärt

sich einiges, dachte sie. Sie versöhnte sich mit dem Gedanken, dass die Arbeit einen hohen Stellenwert hatte. Bei ihren Eltern war es nicht anders. Wenn man selbständig war, hatte man andere Prioritäten. Langsam räumte Lena die Wohnung auf. An ihrem Bett blieb sie stehen und schnupperte an seinem Kissen. Hm, wie sie seinen Duft liebte. *** „Los mach´ schon,“ sagte Verena halblaut. Sie stand vor dem Haus auf der anderen Straßenseite in dem Lena wohnte. Verborgen hinter einer dicken Platane.

Tims Auto parkte direkt vor dem Haus. Verena hatte sich genau umgeschaut. Die Rollläden waren in der ersten Etage herunter gelassen. Verena ging zu Tims Auto. Sie bückte sich und tat, als würde sie sich einen Schuh zubinden. Sie klemmte einen langen, spitzen Nagel zwischen Vorderrad und Asphalt, genau in das Profil. Das muss einfach klappen, dachte sie. Sie hatte das einmal in einem Film gesehen. Beim Anfahren würde der Nagel in den Reifen eindringen. Nach einer Weile blieb der Wagen dann mit einem Platten liegen. Sollte er zuerst rückwärts fahren, hatte Verena vorsichtshalber auch einen Nagel hinter den Reifen gestellt. Dann hatte sie sich wieder in ihr Versteck

begeben. Larissa hatte Tim angerufen und mit verstellter Stimme das Gespräch geführt. Jetzt endlich bequemte sich ihr Ex in sein Auto zu steigen. Hinter dem Baum verborgen beobachtete Verena alles. Ein Fenster im ersten Stock wurde geöffnet und Tims Freundin winkte ihm zu. Er winkte hinauf, stieg in seinen Wagen und fuhr davon. Nachdem Lena das Fenster geschlossen hatte, ging Verena zur Parkbucht. Richtig, ein Nagel fehlte! Verena rief Larissa an: “Er ist weg.“ „Prima, wir müssen noch etwas warten. Wenn wir gleich anrufen, ist es unglaubwürdig.“ 

Verena ging zu ihrem Auto. Jetzt folgte die Fortsetzung des Streiches. Larissa war in einem schicken Cafe, das auf der Strecke zwischen Hotel und Lenas Wohnung lag. Das war wichtig wegen der Glaubhaftigkeit. Sie hatte zwei nebeneinander liegende Tischchen in einer Ecke belegt. Sie holte tief Atem. Jetzt kommt der zweite Teil, dachte sie. Hoffentlich nimmt sie mir das ab. Sie wählte Lenas Nummer. Ihre eigene Nummer unterdrückte sie. „Hartl,“ meldete sich Lena. „Hotel Panorama, Gisela Meier, Guten Tag. Sind sie Frau Lena Hartl?“ Larissa machte das gut. Sie versuchte mit der Stimme einer

älteren Frau zu sprechen. „Ja,“ sagte Lena überrascht. „Ich soll ihnen ausrichten, dass Tim nicht mehr benötigt wird. Er befindet sich bereits auf dem Rückweg. Er will sie im Cafe treffen. Haben sie etwas zum Schreiben? Ich gebe ihnen die Adresse durch. --- Haben sie? OK. Ein Tipp von mir, sein Lieblingsplatz ist in der Ecke an den Fenstern. Einen schönen Tag.“ Schon war aufgelegt. Lena stand verwundert da. Es dauerte eine Weile, bis sie auflegte. Schon komisch, dass Tim anrufen ließ. Vielleicht wollte er ihr beweisen, dass er Herr im Hause war. Als Lena in ihr Auto stieg, war Verena schon lange fortgefahren.

Vor dem Cafe suchte Lena einen Parkplatz. Sie betrat das Cafe. Hier war sie noch nie gewesen. Es war reizend altmodisch. Kleine, weiße Marmortischchen mit Blümchen und Karte darauf und typischen, schwarzen Cafehausstühlen. An den Wänden rote, runde Polsterbänke. Darüber große Spiegel mit breiten Goldrahmen. An der Wand gegenüber dem Eingang befand sich die große Kuchentheke. Dahinter bunt bemalte Kaffeebehälter aus Porzellan. Hinter kleinen Fensterchen konnte man die verschiedenen Kaffeebohnen sehen. Eine große Kaffeemaschine mit vielen Rohren und Filtern zischte leise. Messing blitzte

blankpoliert. Das Personal lief beschäftigt herum. Fast alle Tische waren besetzt. Der Ecktisch war frei. Lena ging hin. Sie legte ihre Jacke auf das Polster und setzte sich. Die Bedienung eilte herbei. Lena bestellte eine Latte Macchiato. Mit dem Kuchen wollte sie auf Tim warten. Lena sah sich um. Am Nachbartisch saßen zwei junge Frauen. Sie steckten die Köpfe zusammen und kicherten. Lena ließ Zucker in das Kaffeeglas laufen. Sie hatte am Rand ein Loch in den dicken Schaum gebohrt. Vorsichtig rührte sie darunter im Kaffee. Die jungen Frauen neben ihr wurden lauter. Eine trug eine dichte, blonde Mähne.

Lockig fielen ihr die Haare auf die Schultern. Da hat bestimmt der Frisör Hand angelegt, überlegte Lena. Und bei den Schlauchlippen musste eine Spritze nachgeholfen haben. Die Augen waren stark geschminkt. Lange Wimpern und Glitzer waren aufgeklebt. Eigentlich war sie eine Karikatur. Verena hatte sich mit Absicht überproportioniert. Das gehörte zum Plan. Die Männer im Cafe schauten verstohlen zu ihr hin. Ihre ohnehin schon großen Brüste hatte sie mit Wonderbrakissen aufgepeppt. Das Dekoltee bot ein riesiges Panorama. Larissa dagegen sah aus wie eine graue Maus. Schulterlanges, glattes braunes Haar, einfache, karierte Bluse. Lena sah sie nur

von hinten. Lena hörte ihrem Geplapper nicht zu. Plötzlich ertönte ein Stichwort: Tim. Lena spitzte die Ohren. Ihr Tim war mit Sicherheit nicht deren Tim. Der würde sich mit so etwas nicht abgeben. Dafür hatte er zuviel Klasse. Trotzdem lauschte Lena jetzt dem Gespräch. *** Tim war schon eine Weile auf der Autobahn. Er bemerkte plötzlich, dass das Auto zu einer Seite zog. Der Wagen ließ sich nicht mehr gut lenken. Tim schaltete die Warnblinkanlage an. Oh Gott, lass es kein Platten sein?, dachte er. Er fuhr den

Wagen auf die Standspur. Zuerst schaute er nach. Tatsächlich, platt. Platter ging es nicht. Aus dem Kofferraum holte er das Warndreieck. Er zählte seine Schritte: „...98, 99, 100. Das müsste reichen,“ murmelte er vor sich hin. Er stellte das ausgeklappte Warndreieck auf. Was soll ich tun? Überlegte er auf dem Weg zurück zum Auto. Selbst wechseln oder den ADAC rufen? Wechsle ich selbst, mache ich mich schmutzig. Außerdem hatte er es nur theoretisch in der Fahrschule gelernt. Rufe ich den ADAC, stehe ich da wie ein Mädchen. Er rief im Hotel an. „Ich komme etwas später.“ „OK,“ sagte die Bedienung am Tresen. Sie zog kurz die Schultern hoch. Seit wann rief

der Junior an, um seine Ankunft mitzuteilen? „Ich liege mit einem Platten auf der Autobahn,“ teilte Tim weiter mit. Sein Vater stand daneben. Die Bedienung reichte ihm den Hörer: „Tim hat einen Platten. Auf der Autobahn.“ Sein Vater bekam einen roten Kopf und schrie in die Sprechmuschel: „Dann rufe den ADAC. Wofür bezahlen wir die Beiträge! ?“ Er warf den Hörer auf die Gabel des alten Bakelittelefons. Für so unselbständig hatte er Tim nicht gehalten. „Er hat mich nach Mallorca eingeladen,“ sagte die Blonde gerade. „Wirklich? Das ist ja Klasse. Warum lerne

ich nicht solche Männer kennen?“ „Vielleicht solltest du mal an deinem Äußeren arbeiten?“ „Wenn ich einen reichen Freund wie du hätte...“ „Musst dir einen angeln. Tim klebt richtig gehend an mir. Letztens hat er alles stehen und liegen lassen. Er wollte nur noch mit mir ins Bett. Du weißt, kein Mann hält Druck lange aus.“ Lena kicherte in sich hinein. Was für Männer waren das? Ihr Tim hatte sich für sie zurück gehalten. Jetzt schilderte die Blonde den Sex in der Dusche. Sie war leiser geworden. Lena musste sich zurück lehnen um alles zu verstehen.

„Letzte Woche hat er mich sogar von einer Angestellten anrufen lassen. Er konnte gar nicht schnell genug zu mir kommen.“ Lena war verdutzt. Das kam ihr bekannt vor. „Sogar nachts kreuzt er auf...“ Lenas Ohren wurden riesengroß. Das konnte doch nicht sein, oder doch? So viele Zufälle gab es gar nicht. Die Blonde kicherte: „Wenn ich es nicht genau wüsste, dass er treu ist...“ Verena wagte einen verstohlenen Blick an den Nachbartisch: „... dann würde ich sagen, er holt sich bei mir, was er woanders nicht kriegt.“ „Was ist mit dem Leberfleck, von dem du mir erzählt hast?“ „Ja, er hat so einen kleinen Leberfleck in

der Leiste. Er sieht aus wie eine Erdbeere...“ Lena standen die Haare zu Berge. Tims gab es bestimmt einige. Aber zwei mit einem identischen Leberfleck? Lena schluckte. Ihr Mund wurde trocken, die Augen riesengroß. „... Der Leberfleck ist wie ein Schalter...“ Lena hatte genug gehört. So ein Schwein! Waren alle Männer Schweine, wie es hieß? Wieder war sie herein gelegt worden. Sie bekam Magenschmerzen. Wie im Trance stand Lena langsam auf. Sie nahm ihre Jacke. Am Tresen bezahlte sie stumm den Kaffee. Die zwei Frauen grinsten ihr hinterher. Mission erfolgreich

ausgeführt. ***

Im Auto trank sie einen Schluck Wasser. Sie hatte immer eine Flasche dabei. Über dem Lenkrad brach sie zusammen. Dicke Tränen rannen ihr aus den Augen. Ihre Ärmel wurden nass. Die Nase lief. Lena putzte sie in ein altes Taschentuch, dass sie in der Konsole fand. Ihre Welt war zusammen gebrochen. Innerhalb einer Stunde. Konnte man sich so täuschen? Ihr Körper wurde von den Schluchzern erschüttert. Jemand klopfte an die Scheibe. Lena reagierte nicht. Das Klopfen wurde fordernder. Lena sah hoch und drehte sie die Scheibe herunter. Davor stand ein alter Mann mit einem Dackel an der Leine. In einer Hand hielt er einen Stoffbeutel.

Gemüse lugte hervor. „Geht es ihnen gut?“ Fragte er. Lena nickte stumm. Wenn sie jetzt reden würde, würde sie gleich wieder heulen müssen. Sie biss sich auf die Lippen. Der alte Herr sah ihr in die verquollenen Augen: „Liebeskummer?“ Sofort fing Lena wieder laut zu weinen an. „Oh je, oh je, oh je,“ sagte der alte Mann bedauernd. „So schlimm?“ Lena holte ein Päckchen Papiertaschentücher aus ihrer Tasche. Laut schnäuzte sie sich. „Kommen sie,“ der alte Herr öffnete ihre Tür: „Ich weiß ein Mittel dagegen.“ Lena stieg einfach aus. Gemeinsam gingen sie über die Straße. Der Alte hatte ihr

seinen Arm geboten und Lena hatte sich eingehängt. Eine kleine Kneipe lockte mit günstigen, einfachen Speisen. Der Alte setzte Lena auf eine Bank am Fenster. Sie schniefte noch ein letztes Mal. Vom Tresen brachte der alte Herr zwei kleine Schnapsgläser. Sein Dackel lief mit. Er stellte die Gläser auf den Tisch. „Einen Moment noch,“ murmelte er. Er zog eine Decke aus dem Beutel und breitete sie auf dem Boden aus. „Waldi liebt Komfort,“ erklärte er. Waldi nahm Platz. Sein Herrchen auch. „So, jetzt trinken wir erst mal einen,“ er klopfte auf den Tisch und erhob sein Glas: „Prost.“ Er stellte sein leeres Glas zurück.

Lena hatte genippt. Pfui, brannte das Zeug. „Runter damit,“ forderte der Alte: „Das hilft.“ Lena trank auf ex. Das ging leichter als in kleinen Schlucken. „Man muss alles feiern. Auch das Schlechte. Danach wird es nämlich besser.“ Der alte Philosoph blinzelte ihr zu. „Dann darf man das Gute nicht feiern?“ Stellte Lena fest. „Gut gekontert. Man soll alles feiern. Das bringt Spaß und Freude.“ Beide lächelten. „Noch einen?“ „Nein danke, ich muss nachher noch fahren.“ Lena schlug die Hand vor den Mund: „Gott, darf ich das überhaupt?“

„Den einen merken sie nicht. In solchen Situationen verträgt das der Körper.“ Der Wirt brachte ein kleines Bier und eine Wasserschüssel für Waldi. „Was darf ich ihnen bringen?“ Fragte er Lena. Eigentlich wollte sie gar nichts. Aber man würde sie so lange bitten, bis sie etwas nahm. “Eine Cola bitte,“ sagte sie deshalb. Es ging ihr wirklich schon besser. Tim wartete auf den ADAC. Immerzu sah man die gelben Autos auf den Straßen. Nur wenn man eines brauchte, dauerte es. An den Wagen gelehnt wählte er Lenas Nummer.

Es war viel angenehmer sich die Zeit zu vertreiben. Er dachte an die vergangene Nacht. Endlich war sein Wunsch in Erfüllung gegangen. Es war der beste Sex seines Lebens gewesen. Jetzt wusste er, das ist meine Traumfrau. Perfekt. Nun musste er seine Mutter nicht fragen, ob sie die Richtige sei. Es klingelte, er wartete. Nanu, warum nahm Lena nicht an? Jetzt wurde die Verbindung auch noch unterbrochen. Er konnte nicht mal auf die Mailbox sprechen. Verwundert setzte er sich in das Auto. Er stellte das Radio an. Der Alte fragte sie behutsam aus. Lena berichtete das Nötigste. Alles brauchte er

nicht zu wissen. Andererseits konnte man mit Fremden besser reden. Man sah sie nicht wieder. Der Wirt brachte zwei Brezel und Obazter. Lena konnte schon wieder essen. Die Unterhaltung tat ihr gut. „Sei froh, dass du ihn los bist,“ sagte Franz-Josef gerade. Er hatte sich als Lehrer für Geschichte vorgestellt. Allerdings war das schon lange her. „Seitdem bin ich selbst Geschichte,“ hatte er gescherzt. Aus seinen blanken, braunen Augen, hinter einer Brille aus Horn, blitzte es. „Je schneller man einen Nichtsnutz los ist, umso schneller kann man den Richtigen finden.“ Er stippte seinen Brezel in die Käsecreme. Lenas Handy klingelte. Sie

schaute auf das Display, Tim. Sie schaltete das Handy aus. „Er?“ Fragte Franz-Josef kauend. Lena nickte. „Vielleicht will er sich entschuldigen?“ „Er weiß gar nicht, dass ich das von ihm erfahren habe.“ „Irrtum ausgeschlossen?“ „Ein identisches Merkmal, das zwei Männer mit gleichem Namen an der gleichen Stelle haben?“ „Eineiige Zwillinge?“ Mutmaßte Franz-Josef. Lena schüttelte den Kopf. „Einzelkind.“ Später bedankte sich Lena bei Franz-Josef für seine Anteilnahme: „Ich möchte jetzt fahren. Meine Eltern freuen sich bestimmt auch über einen

Besuch.“ Sie tauschten die Adressen aus und Lena verabschiedete sich. Frischer Wind wehte herein, bevor sich die Tür hinter ihr schloss. „Noch ein Bier, Herr Professor?“ Fragte der Wirt. *** Am Nachmittag erreichte Tim das Hotel. Es war viel zu tun, wie immer. Doch Tim wunderte sich, dass es mit dem vorhandenen Personal nicht zu schaffen wäre. Er fragte die Bedienung am Kuchenbüfett. „Wo ist denn der Bus? Hier soll so viel zu tun sein.“ Allerdings war ein Reisebus da

gewesen. Er war seit Wochen terminiert. So wie fast alle Busse, die das Hotel ansteuerten. „Der ist schon wieder weg,“ gab sie Auskunft. Tim ging in seine Wohnung zum Duschen. Frische Wäsche musste er haben. Er trug noch alles vom Vortag. Es war verschwitzt und angeschmutzt. Der ADAC Kundendienst hatte ihn unverschämt angegrinst. Tim konnte es in seinem Gesicht lesen: Dickes Auto fahren aber nicht Manns genug einen läppischen Reifen zu wechseln. Er versuchte wieder Lena anzurufen. Diesmal auf dem Festnetz. Ihr Anrufbeantworter funktionierte nicht. Das hatte sie ihm vor einiger Zeit gesagt.

Frustriert wiederholte er einen Anruf auf dem Handy. Es war immer noch abgeschaltet. Was war passiert? Er musste es herausfinden. Er konnte sich nicht vorstellen, dass Lena so reagieren würde. Sie hatte volles Verständnis für ihn gezeigt. Traurig war sie schon gewesen. Mit der Dusche stieg seine Laune. Man fühlte sich wie ein anderer Mensch. Schnell saß er wieder im Auto und brauste nach München. Lena fuhr nach Hause und packte eine Tasche mit Wäsche. Sie wollte bis Montag früh bei ihren Eltern bleiben. Es reichte, wenn sie morgens früh zurück kehrte. Der Reisverschluss der Tasche klemmte.

Noch einmal aufgemacht und die Wäsche zusammen gedrückt. So, jetzt schloss er ohne Probleme. Tim war fast in Lenas Strasse angekommen. Eine lange Schlange von Autos stand vor der letzten Ampel. Tim trommelte nervös auf das Lenkrad. Er versuchte noch einmal auf dem Festnetz anzurufen. Lena schaute sich in ihrer Wohnung um. Alles in Ordnung, alle Geräte waren ausgeschaltet. Sie ging hinaus und verschloss die Tür. Da, sie hörte das Telefon klingeln. Ob das Tim war? Einen Moment zögerte sie. Dann hörte das

Klingeln auf und Lena ging die Treppe hinunter. Endlich stand Tim vor der Ampel. Vor ihm noch ein altersschwacher VW Käfer. Er war gleich bei gelb stehen geblieben. Tim wäre sogar noch hinter ihm durchgefahren. Er betrachtete den Fahrer durch das Rückfenster. Weiße Haare mit Hut. Das sagte schon alles. Tim wurde immer nervöser. Endlich sprang die Ampel auf grün. Stotternd und schwarze Qualmwolken hustend, setzte sich der Käfer in Bewegung. Lena warf die Tasche auf den Beifahrersitz. Sie schaute sich noch einmal um, als würde

sie auf etwas warten. Sie zuckte mit den Schultern und stieg ins Auto. Sie verschnaufte einen Moment. Dann startete sie. Ein Blick in den Rückspiegel. Da schnaufte ein alter Käfer heran. Lena gab Gas. Sie wollte nicht hinter ihn geraten und durch die Stadt zuckeln müssen. Tim schaute angestrengt durch den Käfer hindurch. Da, ein Auto wie das von Lena. Er versuchte am Käfer vorbei zu schauen. Nein, er hatte sich getäuscht. Das Auto war längst verschwunden. Endlich machte der Käfer Platz. Tim fuhr in die Parkbucht. Hier hat Lenas Auto gestanden, dachte er. Rechts und links blickte er die Straße hinauf und hinunter. Kein Lenaauto. Er

schaute an der Fassade hoch, alle Fenster waren verschlossen. Er ging die wenigen Stufen zur Haustür hoch und klingelte. Er hörte die Klingel läuten. Sonst blieb alles stumm. Was war nur los? War sie krank? War etwas mit ihrer Familie? Er kam sich hilflos vor. Er hatte keine Adresse von ihren Eltern oder Geschwistern. Verzweifelt stieg er in sein Auto. ***

Lena ließ sich von ihrer Mutter, Schwester und Schwägerin trösten. Es tat so wohl die Frauen über die Männer schimpfen zu hören. So etwas brauchte man hin und wieder. Wenn andere Frauen über ihre Männer schimpften, dann erschien der Eigene gleich wertvoller. Man war sich einig, dass Lena den ihren noch finden werde. „Eine gute Nachricht habe ich für dich,“ sagte Lenas Mutter: „Er ist schon geboren!“ Die Frauen lachten. „Du sitzt doch an der Quelle,“ meinte Janina: „Du musst dir nur einen Reichen anlachen.“ „Das darf ich nicht. Dann bekomme ich die

Kündigung.“ „Na und? Wenn du einen reichen Mann hast, brauchst du nicht mehr zu arbeiten.“ Das hatte Lena auch schon gedacht. Die Welt war wieder voller Möglichkeiten. „Robert ist für ein paar Wochen nicht zu Hause. Warum verbringen wir die Zeit nicht bei mir zu Hause?“ Schlug Janina vor. „Gerne,“ Lena freute sich. So musste sie keinen Abend alleine zu Hause verbringen. Janinas Verlobter war vor zwei Tagen nach Salisbury in England gereist. Er wollte drei Wochen bleiben. In der Kathedrale dort war man auf sehr alte behauene Steine gestoßen. Robert sollte klären helfen, mit welchen

Mitteln man in sehr früher Zeit die Steine bearbeitet hatte. Danach wollte er noch nach Stonehenge fahren. Frühere Kollegen wollte er dort treffen. Viel Neues hatte sich in der Forschung ergeben. Robert hatte früher ein paar Wochen dort verbracht. Im Rahmen seiner Spezialausbildung. Zuerst schrieb Lena Tim eine Mail. Schließlich wusste er nicht, dass Lena die Wahrheit erfahren hatte. Knapp stellte sie fest, dass sie für keinen Mann ein Spielzeug war. Für solches Männergeprotzte bin ich mir zu schade, erklärte sie. Er solle sein Sexleben woanders ausleben. Sie wünsche keinerlei weiteren Kontakt.

So, damit war abgeschlossen, dachte sie. Dann kamen die Zwillinge nach Hause. Melanie hatte sie aus dem Kindergarten geholt. Stürmisch begrüßten sie ihre Tante. Als die Männer nach Hause kamen gab es ein gemeinsames Abendessen. Es war ein so schöner Abend, im Kreise der großen Familie. Lena fuhr mit ihrer Schwester schon am Sonntag abend zurück nach München. Die beiden Frauen fuhren zuerst zu Lenas Wohnung. Lena packte einen Koffer mit Wäsche und was sie sonst so brauchen würde. Ein Rundumblick sagte ihr: Alles in Ordnung.

In ein paar Tagen würde sie wiederkommen. Die wenigen Pflanzen hatte sie gegossen. Im Hausflur schaute sie im Briefkasten nach, nur Werbung. Janina hatte den Kofferraum geöffnet. Lena legte ihren Koffer neben eine große, graue Reisetasche. „Was hast du in der Tasche?“ Fragte sie Janina. „Tücher die ich nach einem Muster in einem Inkagrab hergestellt habe. Ich muss sie ins Museum bringen.“ Sie verschwieg, dass es sich um ein Opfergrab handelte. Janina war zurückhaltend was ihre Arbeit betraf. Die beiden Frauen machten es sich in der

Wohnung gemütlich. Lenas Koffer war ausgeräumt und die Schwestern hatten beschlossen gemeinsam im Ehebett zu schlafen, wie früher, als sie Kinder waren. Lena war in manchen Nächten zu Janina ins Bett gekrochen, manchmal war es ein böser Traum, der sie erschreckt hatte. Einmal war ein heftiges Gewitter mit grellen Blitzen und heftigem Donner nieder gegangen. Janina bezog das Bett frisch. Sie würde auf Roberts Seite schlafen. Janina hatte auch ein Gästezimmer, sie benutzte es allerdings als Werkraum. Lena sah sich die Wohnung an. Sie war schon einige Zeit nicht mehr hier gewesen. „Hier ist kaum noch Platz,“ meinte sie.

„Ja, ich habe immer mehr Aufträge, auch von anderen Institutionen. Ich arbeite jetzt sogar an der Universität mit. Ich halte Vorträge vor Archäologiestudenten. Meine Sammlung an Stoffen und Unterlagen wird immer umfangreicher.“ „Da braucht ihr bald eine größere Wohnung,“ spekulierte Lena. „Das haben wir uns auch überlegt. Wir schauen schon nach einem alten Bauernhaus. Dann hätten wir genug Platz. Ich wünsche mir einen großen Garten. Robert träumt von einer Werkstatt.“ Lena biss sich auf die Unterlippe. Ihre Geschwister waren so erfolgreich, dachte sie. Was hatte sie vorzuweisen?

Gescheiterte Beziehungen! Neid nagte für einen kurzen Moment an ihr. Janina sah ihre Verzweiflung. Sie nahm ihre Schwester in die Arme: „Das Glück ist näher als du denkst,“ tröstete sie. „Ich habe einmal einen sehr schönen Spruch gelesen: In der Mitte der Nacht liegt der Anfang eines neuen Tages.“ Janina ließ den Satz wirken. Natürlich war es schwer zu ertragen, wenn man ganz unten war. Lena nickte stumm, dann sagte sie: „Du hast recht. Man soll die Hoffnung nie aufgeben.“ Tim war auch am Sonntag zu Lenas Wohnung gefahren. Er hoffte, dass er Lena

antreffen würde und sie sich aussprechen könnten. Ihre Mail hatte er gelesen. Konnte sie aber nicht verstehen. Was war vorgefallen? Alles war noch verschlossen und unbelebt. Er hatte einen Brief vorbereitet. Leider öffnete ihm niemand die Haustür um an den Briefkasten zu gelangen. Er frankierte ihn bei der Post und warf ihn ein. Viele Mails hatte er an Lena geschrieben. Keine Antwort war darauf gekommen. Er wusste nicht einmal, ob sie die Nachrichten geöffnet hatte. Er wurde immer verzweifelter. Er beschloss, sie in der nächsten Woche im Heiratsinstitut

aufzusuchen. *** Mit besonderer Sorgfalt machte sich Lena am Montag morgen zurecht. Sie kleidete sich in eine dunkelgraue Marlene-Dietrich-Hose. Der breite Bund betonte ihre schmalen Hüften. Darüber fiel locker eine türkisfarbene, weiß gepunktete Seidenbluse mit Schalkragen. Lena trug zum ersten Mal die indianischen Ohrgehänge, die sie letzten Monat bei ebay ersteigert hatte. Dazu schwarze Stilettos mit herzförmigem Zehenausschnitt. Die Haare hatte ihr Janina hoch gesteckt. Sie sah fantastisch aus. Das Vergangene war vorbei, sie begann ein

neues Leben. Sie war ein neuer Mensch, als sie das Heiratsinstitut betrat. „Wow“ entfuhr es Frau Stein, als sie Lena erblickte. Hinter der kleinen Tür ertönte plötzlich Geschrei. „Ihr seid alle doch nur blöd. Keiner hier hat eine Ahnung!“ Eine Tür knallte laut. Die beiden Frauen schauten sich verwundert an. Familie Schäfer wohnte nicht hier. Annabelle Schäfer lebte in einer Villa außerhalb der Stadt. Streitendes Stimmengewirr war wieder lauter zu vernehmen. Plötzlich öffnete sich die kleine Tür. Hocherzürnt trat die Chefin hervor. „Könnte eine der Damen Julia zur Schule

bringen?“ Sie schaute die Zwei an. „Julia will schwänzen,“ fügte sie ergänzend hinzu. „Senhor Dos Santos muss jeden Moment kommen,“ erinnerte Frau Stein. „Das weiß ich,“ entfuhr es Frau Schäfer schärfer als beabsichtigt. „Deshalb kann ich nicht selbst fahren.“ Lena stand auf. „Ich mache das. Dann lerne ich Julia auch einmal kennen.“ „Danke,“ seufzte Schäfer. „Das Kind bringt mich noch um den Verstand.“ Das ist es, was Julia so anmacht, dachte Lena. Man hält sie noch für ein Kind. Laut sagte sie: „Es ist eine schwierige Zeit. Sich selbst hält Julia wohl nicht mehr für ein Kind.“ „Wem sagen sie das?“ Seufzte die geplagte

Chefin. „Hier, nehmen sie die Schlüssel für den SUV.“ Lena ging in die hinteren Räume. Auf der untersten Treppenstufe saß Julia. Sie war der verkörperte Trotz. Schlampig angezogen, die grell karierten Hosen zu groß. Darüber ein riesiger Pulli, der ihre Konturen verbarg. Die Haare superkurz und lila gefärbt. Ein schmales grünes Zöpfchen mit bunten Perlen fiel über die Schulter. Das ganze Mädchen war ein Widerspruch. „Hallo Julia, ich bin Lena,“ stellte sie sich vor: „Wir haben uns noch nicht kennen gelernt.“ Julia sah kurz hoch. „Ich fahre dich jetzt in die Schule.“ „Ich gehe nicht mit.“

„Aha.“ Lena tat erstaunt. „Und warum nicht?“ Keine Antwort. „Willst du lieber arbeiten?“ Julia sah Lena perplex an. „Das kann ich verstehen,“ stimmte ihr Lena zu: „In deinem Alter hatte ich auch die Nase voll. Immer nur lernen. Und wofür?“ „Richtig,“ ließ sich Julia hinreißen zu antworten. „Den ganzen Quatsch, den wir lernen müssen. Das brauchen wir im Leben nicht.“ „Du könntest mit der Schule aufhören und eine Lehre anfangen. Die Hauptschule hast du doch schon in der Tasche, oder nicht?“ „Ja, doch.“ „Prima. Dann kannst du dich beim Arbeitsamt erkundigen, welche Ausbildung

man damit machen kann. Bäckerin, Schneiderin, Raumpflegerin, Verkäuferin, usw.“ Julias Augenbrauen zogen sich zu einem wütenden Strich zusammen. „Du verarschst mich.“ „Nein, ich zeige dir nur die Möglichkeiten auf, die du jetzt hast.“ „Sehr viele Leute haben die Schule geschmissen und sind berühmt geworden.“ Julia sprach mit Überzeugung: „ Zum Beispiel Winona Ryder und Steve Jobs.“ „Das stimmt zum Teil. Ich könnte dir noch viel mehr Leute nennen. Mark Zuckerberg, Bill Gates, sogar Heinrich von Kleist.“ Der wird dir nichts sagen, fügte sie in Gedanken hinzu. „Allerdings waren die alle Studienabbrecher. Das sind die, die

Karriere gemacht haben. Was haben die anderen, die nicht berühmt wurden? Hast du darüber mal nachgedacht?“ Schmollend schob Julia die Unterlippe vor. „Wenn du keinen Bock mehr auf die Schule hier hast, hätte ich einen Vorschlag,“ Lena machte eine Pause um die Spannung zu steigern. Richtig, Julia sah erwartungsvoll zu ihr hoch. „Was hältst du von einem Internat? In der Schweiz oder in England?“ Julias Augen hellten sich auf. „Oh, wie steht es mit englisch? Könntest du überhaupt nach London?“ Lena machte ihr mächtig Dampf. „Ich war auch zu Sprachstudien in England und in den USA.“ Jetzt sah Julia

bewundernd zu ihr auf: „Wirklich?“ „Wirklich. Soll ich dir meine Papiere zeigen?“ „Nicht nötig.“ Sie stand von der Treppe auf. „Gehen wir.“ „Wohin?“ Lena war erstaunt. „Na in die Schule natürlich. Heute abend werde ich mit meiner Mutter über ein Internat reden. Und wenn sie mich nicht gehen lässt, dann...“ sie fuchtelte ungezielt mit den Armen. Ganz bestimmt wird sie dich gehen lassen, dachte Lena. Nur konnte sie es dir nicht direkt vorschlagen, weil du dich abgeschoben gefühlt hättest. Auf dem Parkplatz stand der schwarze SUV. Glänzend wie neu, mit getönten

Scheiben. Was für ein Geschoss, fuhr es Lena durch den Kopf, als sie eingestiegen waren. Sie machte sich mit dem Cockpit vertraut. Den Sitz musste sie etwas zurück stellen. Die Spiegel justieren. „Meine Mutter hat keine Zeit für mich,“ hob Julia an. „Das weiß ich,“ sagte Lena verständnisvoll. „Meine Eltern hatten auch nur wenig Zeit für mich.“ Julia schaute sie von der Seite an. „Meine Eltern haben ein Dachdeckergeschäft und meine Mutter macht das Büro.“ Lena lächelte Julia zu und startete. Satt brummte der Motor. Es war ein Automatikgetriebe. Lena setzte vorsichtig zurück. Der Wagen machte einen

Hopser. „Oh,“ entfuhr es Lena. Diesen Wagen musste sie gefühlvoll fahren. Sie schaltete auf vorwärts. „Ich weiß, wie du dich fühlst. Wenn es dich nicht gäbe, wäre alles leichter, denkst du.“ Lena sah Julia nicken. Langsam fuhr sie los. Der Wagen gehorchte. Lena gab mehr Stoff. „Was du vergisst ist, dass deine Mutter alles nur tut, um euch ein gutes Leben zu sichern. Ein wirklich gutes Leben.“ Das große, geschmiedete Eisentor öffnete sich. Sie fuhren hindurch. Durch den Rückspiegel sah Lena das Tor sanft schließen. Im Wendehammer erblickte sie einen parkenden Mercedes. Im Auto saß eine Person. Lenas Blick huschte darüber.

„Wo ist dein Vater?“ Fragte sie Julia. Keine Antwort. „Er hat sich vor der Verantwortung gedrückt. Deine Mutter hat alles alleine geleistet.“ „Ich würde ihn gerne kennen lernen,“ bemerkte Julia: „Ich würde gerne seine Sicht der Dinge hören. Warum er weg ist und so.“ „Das wäre eine gute Sache. Vor allem um zu erfahren, warum er sich nicht um euch gekümmert hat.“ Julia wurde wieder bockig. „Vielleicht ist alles gar nicht so, wie Mama das immer schildert.“ „Meinst du er ist ein Opfer?“ Unter dem

riesigen Pulli zuckten die Schultern: „Wer weiß.“ „Vielleicht redest du mal mit deiner Mutter. Kann sein, dass sie eine Adresse hat.“ Schweigen entstand. „Das mit dem Internat finde ich Klasse,“ sagte Julia plötzlich. Lena schaute zu ihr hinüber: „Rede mit deiner Mutter.“ Montag morgen hatte Tim sich frei genommen und fuhr zum Heiratsinstitut. Wie Lena es geschildert hatte, stand er vor dem großen, abweisenden Tor. Es öffnete sich nur für erwünschte Gäste. Tim klingelte wie verrückt. Kameras blickten auf ihn herab. Nichts rührte sich.

Er stieg frustriert ins Auto und fuhr davon. Gleich darauf begegnete er einem Bentley. Der fährt bestimmt hinein, schoss es ihm durch den Kopf. Er wendete rasch und fuhr zurück. Als er in den Wendehammer kam, sah er gerade das Tor schließen. Der Bentley fuhr den Weg zum Heiratsinstitut hinauf. Mist, zu spät gekommen, dachte er. Tim hoffte, hinter einem Auto hinein fahren zu können. Er parkte im Wendehammer. Mit dem iPhone checkte er seine Emails. Plötzlich sah er einen großen BMW neben sich auftauchen. Ein schwarzen SUV. Durch die getönten Scheiben konnte er niemanden erkennen. Das schmiedeeiserne Tor schloss sich wieder.

Tim wartete eine Weile. Nichts rührte sich. Er musste zurück ins Hotel. Sein Vater hatte kein Verständnis für seine Liebesprobleme. Auf der Rückfahrt begegnete ihm wieder der SUV. Jetzt hatte er keine Zeit mehr um zu wenden. Er würde wieder kommen. Er würde in diesen Hochsicherheitstrakt hinein kommen. Es blieb auch noch Lenas Wohnung. Eines Tages würde sie wieder dort sein.

Annabelle Schäfer überraschte Lena ein paar Tage später. „Vielen Dank. Wie haben sie das nur hingekriegt?“ Lena war ganz erstaunt. „Wovon reden sie?“ „Von Julia. Sie ist wie ausgetauscht. Sie will Nachhilfe. Vor allem in Englisch.“ Lena lachte erfreut: „Das ist ganz toll. Ich hätte nicht gedacht, dass sie es sich zu Herzen nimmt.“ „Sie will ab dem nächsten Schuljahr in ein Internat.“ Schäfer hob die Schultern und zog die Luft tief ein. „Gerne lasse ich mein Baby nicht ziehen. Aber etwas Ruhe wird nicht schaden. Außerdem will ich das Beste für meine

Kleine.“ „Haben sie ihr das gesagt?“ „Oh ja, wir hatten eine längere Aussprache. Seitdem ist sie erträglich.“ „Es freut mich, dass ich etwas bewirken konnte. Geplant hatte ich das nicht.“ Schäfer sah sie schief an: „An ein Internat hatte ich nicht gedacht.“ „Ich freue mich für Julia,“ bemerkte Lena lahm. „Dann werden die Vorbereitungen bestimmt bald beginnen.“ „Zuerst müssen wir entscheiden, wo Julia hingeht. Ob sie hier bleibt oder ins Ausland geht.“ Sie unterhielten sich noch etwas darüber. Es wurden sehr geschäftige Wochen.

Julia und ihre Mutter verstanden sich plötzlich prima. Lena blieb bei ihrer Schwester wohnen. Sie fuhr nur in ihre eigene Wohnung, um die Blumen zu gießen. Für die Post hatte sie einen Nachsendeantrag gestellt. Tims Brief hatte sie erhalten. Sie hatte ihn in der Hand  hin und her gedreht. Dann schreib sie Annahme verweigert darauf und warf ihn wieder ein. Robert verlängerte seinen Aufenthalt in England. Janina war traurig, dass er später kommen würde. Andererseits hatten die Schwestern noch ein paar gemeinsame Wochen. Es würde nie wieder so sein. Die Schwestern begannen sich alte

Bauernhöfe anzusehen. Die Kaufentscheidung würde dann mit Robert getroffen werden. Es schadete nicht, sich über die Angebote und Preise zu informieren. Tim versuchte Kontakt mit dem Heiratsinstitut herzustellen. Die Telefonnummer war geheim. Wie schafften die Kunden es das Heiratsinstitut zu kontaktieren? Auf Anfragen im Internet erhielt er keine Antwort. Tagelang hatte er versucht sich durch das Tor einzuschleichen. Er verzichtete schließlich darauf, weil er keinen Ärger mit Lena wollte. Er überlegte, sich zu Fuß Zugang zu

verschaffen. Wenn ein Auto durch das Tor fuhr, wollte er mit hinein schlüpfen. Das würde nicht unbemerkt bleiben. So verzichtete er am Ende darauf. Das Grundstück zu umrunden, war des Überlegens wert. Vielleicht fand er eine Schwachstelle im Zaun um einzudringen? Das hört sich an wie ein Agentenroman, dachte Tim. Ganze Nachmittage und Abende verbrachte er vor Lenas Wohnung. Sie kam nicht. *** Verena kam. Sie und Larissa tranken Kaffee auf der Hotelterrasse. Sie genossen den Anblick 

der Berge und des friedlichen Sees. Ihr Tisch lag in Tims Bereich. Er hatte sie erst gar nicht wahrgenommen. Sonst hätte er seine Kollegin gebeten sie zu bedienen. So stand er plötzlich vor den beiden Frauen. Verena trug einen großen, gelben Florentiner: „Hallo Tim.“ Sie kicherte. “Was darf es sein,” fragte Tim steif. „Einen Milchkaffee,“ bestellte Larissa: „Den Kuchen suche ich mir am Buffet aus.“ Sie erhob sich und lies Verena mit Tim alleine. „Was willst du?“ „Dich sehen, was sonst?“ „Mit uns ist es aus. Wir waren nie zusammen,“ fauchte Tim scharf. Am

Nachbartisch drehten sich die Köpfe herüber. „Kaffee? Tee?“ Zischte Tim. Verena hatte die Hände zusammen gelegt und drehte Daumen. Nur jetzt keinen Fehler. „Ein Kännchen Kaffee mit heißer Milch,“ bestellte sie: „Kuchen suche ich mir drinnen aus.“ Tim machte zackig kehrt. Mit dem Kaffee brachte er gleich die Kuchen mit. So wenige Wege zu Verena wie möglich. Er machte sich sofort wieder von dannen, nachdem er den Frauen Kaffee und Kuchen hingestellt hatte. Ihre Anwesenheit war ihm mehr als peinlich. Sie ist wie eine Klette, dachte er. Die beiden Frauen waren ganz in den

Anblick der schönen Landschaft vertieft. „Du wolltest mir noch von Kevin erzählen,“ unterbrach Larissa die Ruhe. „Ach der,“ winkte Verena mit der Kuchengabel ab. Sie sah sich um, ob Tim in der Nähe war. Dieser hielt sich mit Absicht in weiter Ferne. „Kevin ist ganz verrückt nach mir,“ prahlte sie. „Aber er kann mir nicht das Wasser reichen. Er arbeitet für eine Baufirma. Seine Hände sind hart und rissig.“ „Hast du nicht erzählt, dass er in der Planung beschäftigt ist?“ „Ja, aber er muss alles kontrollieren und prüfen, damit alles eingehalten wird.“ „Das hört sich doch gut und verantwortungsvoll an.“

„Schätzchen, ich will einen Mann mit Reputation.“ Verena machte auf mondän und gelangweilt. „Das suchst du aber schon lange.“ Verena schaute ihre Freundin böse an. „Willst du sagen, dass ich zu alt bin?“ „Nein, seufzte Larissa ergeben: „Aber wir werden nicht jünger.“ Sie spießte ein Stück Kuchen auf die Gabel: „Ich an deiner Stelle würde Kevin behalten. Besser ein Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach,“ bemerkte sie altklug und schob den Kuchen in den Mund. „Dieser blöde Spruch ist jetzt der Oberhammer,“ entrüstete sich Verena: „Du kannst ihn haben, wenn du willst. Ich trete

ihn dir ab.“ „Das ist nicht dein Ernst!“ Entfuhr es Larissa, die Kuchengabel fiel auf den Teller. „Das wollen wir doch sehen, ob du ihn kriegst. Kevin frisst mir aus der Hand.“ Genau wie Tim, dachte Larissa. Sie wollte ihre Freundin nicht noch mehr reizen. „OK,“ sagte sie: „Ich schnappe mir Kevin.“ „Den kriegst du doch nicht!“ Die Freundinnen funkelten sich an. „Was gilt die Wette?“ Fragte Verena kampfbereit. „Ich zahle das Hochzeitskleid. Was bietest du?“ „Ein Wellnesswochenende.“ „Topp, die Wette gilt.“ Verenas Laune hatte sich merklich gebessert.

„Ich glaube, wir verschwinden jetzt. Tim muss ich in kleinen Dosen zurückerobern.“ Verena rief zum Zahlen. Tims Kollegin kassierte. Verena gab ein großes Trinkgeld. *** Lena holte wieder einen dicken Packen Briefe aus ihrem Briefkasten. Langsam wird es beängstigend, schoss es ihr durch den Kopf. Fast alle Briefe waren von Tim. Ausdauer hat er ja. Wie jede Woche schrieb sie auf jedes Kuvert: Annahme verweigert und warf sie in den Briefkasten. Robert hatte für nächste Woche angekündigt nach Hause zu kommen. Wird

auch Zeit, dass ich wieder in meine Wohnung ziehe, Lena fand es bei ihrer Schwester schön aber langsam war es zuviel des Guten. Sie waren keine Kinder mehr. Lena wollte wieder in ihr eigenes Reich. Natürlich hätte sie jederzeit zurück in die Wohnung gehen können. Aber im Bewusstsein, dass es das letzte Mal war, dass sie so eng zusammen verbrachten, wollte sie bleiben und es genießen. Die Möbel hatten eine dünne Staubschicht. Das kann ich nächste Woche putzen, dachte sie, heute gieße ich nur die Blumen. Als sie fertig war, nahm sie ihre Tasche und verschwand.

Verena tauchte jetzt jede Woche mehrere Male im Hotel auf. Sie gab sich so nett und liebevoll. Dennoch, für Tim war sie eine Persona non grata. Eine unerwünschte Person. Er war höflich und zuvorkommend zu ihr, wie zu allen Gästen. Sie war offensichtlich nicht auf Krawall aus und er entspannte sich merklich. Verena hatte Kevin einfach sitzen lassen. Er wartete schon seit einer Stunde. Jetzt gab er auf. Er rief die Bedienung: „Zahlen“. Larissa hatte ihn die ganze Zeit beobachtet. Auf einer Parkbank gegenüber des Cafes

hatte sie gesessen. Was für ein süßer Kerl war er. Sie konnte Verena nicht verstehen. Kevin sah mindestens genauso gut aus wie Tim. Groß, schlank mit ebenmäßiger Figur. Braune Haare, markantes Gesicht. Verena war so auf Tim fixiert, dass sie andere gute Ware nicht erkannte, überlegte Larissa. Vielleicht ist es auch gekränkter Stolz, der Verena die Sicht vernebelte? Larissa erhob sich und ging auf Kevin zu. Sie stellte sich in die Sonne vor seinen Tisch. Kevin schaute erstaunt hoch. Gegen die Sonne konnte er nicht erkennen, wer es war. „Hallo Kevin,“ grüßte sie. „Kennen wir uns?“ Was für eine blöde Frage, schoss ihm durch das Hirn. Ich höre

mich schon an wie mein alter Herr. „Wir haben uns in der Disco gesehen.“ Kevin dämmerte es: „Nehmen sie doch Platz,“ so konnte er sie auch besser erkennen. Jetzt sah er, dass es Verenas Freundin war. Die Kellnerin trat herzu. Sie hatte die Zahltasche in der Hand. „Was darf ich ihnen anbieten?“ Fragte er Larissa. „Einen Milchkaffee, bitte.“ „Für mich bitte ein Wasser.“ Zufrieden zog die Kellnerin ab. Larissa hatte sich soviel zurecht gelegt, was sie sagen wollte. Jetzt wo sie vor ihm saß, war ihr Kopf wie leer gefegt. Kevin betrachtete diesen Kopf mit den

dunklen Locken und dem ovalen Gesicht. Das energische Kinn, die hohen Wangenknochen. Eindeutig slawisch, urteilte er. Larissa senkte ob des prüfenden Blicks die Augen. „Sie warten bestimmt auf Verena,“ wagte sie zu sagen. „Ich habe gewartet. Jetzt nicht mehr.“ Larissa sah ihm nun in die Augen, blaue Augen wie blanke Bergsehen. Sie seufzte leise. „Zeigen sie mir ihre Hände,“ entfuhr es ihr. Sie erschrak ob ihrer Kühnheit, das war nicht die ideale Anmache. Verwundert hielt Kevin ihr die Hände hin. Groß und kräftig waren sie. Kurze aber

saubere Fingernägel ohne Hinweise auf Erkrankungen. Arbeiterhände, wie die ihres Vaters und ihrer Brüder. „Drehen sie sie um.“ Er tat wie geheißen. Larissa betrachtete sie ausgiebig. Kevin beobachtete sie dabei. Ein amüsiertes Lächeln umspielte seine Lippen. In die Betrachtung der Hände konzentriert, bemerkte sie es nicht. Larissa nahm sie abwechselnd in beide Hände und fuhr die Linien nach. Was sie sah, waren ehrliche Hände. Sie waren konisch geformt. Das ließ auf viel Gefühl schließen. Haarlöckchen schauten aus der Manschette hervor. Hände waren Spiegel seelischer und physischer Eigenschaften. Das hatte

Larissa von ihrer Großmutter gelernt. Kurze Wehmut durchschauerte sie. Ihre Großmutter war vor einigen Jahren gestorben. Larissa vermisste die kluge, lebenserfahrene Frau immer noch. Sie hätte ihre Freundschaft mit Verena nicht gut geheißen. Verena, du Schaf, dachte Larissa jetzt. Sie schaute hoch. Warm blickte er sie an. Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. Diesen Mann wollte sie haben. Aber in Ehrlichkeit. „Verena wird nicht kommen,“ sagte sie mit großer Bestimmtheit. Kevin war bestürzt. Er hatte sich schon gedacht, dass die Beziehung nicht funktionierte. Aber so direkt, da erschrak er doch. Er zog seine Hände zurück. Tiefe Verletzung sprach aus

seiner Stimme: „Wieso das?“ „Sie versucht eine alte Liebe zurück zu erobern.“ „Warum sagen sie mir das?“ Flüsterte er. „Weil Verena es ihnen nie sagen würde.“ „Ist sie so feige?“ Nein, so berechnend, wollte sie sagen. Sie biss sich lieber auf die Zunge. „Verena geht gerne leichte Wege,“ erklärte sie statt dessen. „Warum kommen sie um mir das zu sagen?“ Ganz so ehrlich wollte Larissa doch nicht sein. Die Wahrheit konnte sie später immer noch sagen. Die schöne Lüge war oft leichter zu ertragen als die hässliche Wahrheit. „Ich fand sie schon in der Disco zu nett,

um sie so behandeln zu lassen.“ Sie strich über seine Hände. Er zog sie weiter zurück. „Ihre Hände sagen mir, dass Verena einen großen Fehler macht.“ Er hob sie vor sein Gesicht und schaute sie drehend an. „Was können sie erkennen?“ Jetzt war Larissa in ihrem Element. Sie würde reden, ihn von sich begeistern: „Sehen sie hier...“ ***

Es wurde Herbst und Winter. Lena feilte an ihrem Benehmen. Bald war sie aus dem Heiratsinstitut nicht mehr wegzudenken. Ihre einfache Herkunft war ihr nicht mehr anzumerken. Sie vergaß sie aber nie, denn sie war stolz darauf. Sie wurde von Kunden eingeladen. Zum Essen, Barbesuchen und sogar zu Urlaubsreisen. Mancher Kunde wollte sie abwerben. Aber Lena hätte ihre geliebte Heimat nie verlassen. Frau Schäfer honorierte ihren Fleiß und die Treue. Julia machte sich prima im Internat. Sie lernte fleißig und schrieb nur gute Noten. Es war keine Rede mehr von einem Schulabbruch. In den Weihnachtsferien kam sie nach

Hause. Lena war sehr erstaunt über ihr verändertes Aussehen. Eine modisch schicke junge Dame war sie geworden. Sie konnte sich vor Einladungen junger Männer kaum retten. Jetzt war es einfacher für ihre Mutter mit ihr zu reden. Sie hoffte natürlich, dass ihre Tochter Bekanntschaften erst einmal vermied. Julia hatte auch kein Interesse an ihnen. Lena vermutete, dass im Internat genug Jungen waren. Julia hatte vielleicht schon ein Auge auf den einen oder anderen geworfen. Lena hatte jeden Brief, Mail oder Anruf von Tim abgelehnt. Ein paar Mal war er auch vor ihrer Wohnung aufgekreuzt. Sie hatte

sich immer tot gestellt. Irgendwann hörten seine Belästigungen auf. Lena hatte um ihr Herz eine Mauer gezogen. Anders konnte sie es nicht ertragen. Ihre einzige wirklich große Liebe hatte sie so enttäuscht. An einen anderen Mann wollte sie erst mal nicht denken. Frau Schäfer kam ohne Partner sehr gut aus. Sie wurde nicht müde das zu betonen. Frau Stein hatte auch eine Ehekarriere hinter sich. Ihr Bedarf sei gedeckt, sagte sie. Janina und Robert hatten ihr Traumhaus gefunden und im Herbst waren sie umgezogen. Bald würden sie heiraten und die Vorbereitungen dazu waren in vollen

Gang. Zur Zeit suchten sie ein geeignetes Restaurant für ihre Feier. Die Gästeliste war lang. Leute aus dem Museum, der Uni, dem Baugewerbe und natürlich aus dem Dachdeckerbetrieb. Janina hatte fast keine Zeit mehr für ihre Schwester. Deshalb war Lena umso dankbarer, dass sie ein paar Wochen gemeinsam verbracht hatten. Lena traf sich hin und wieder mit Franz-Josef. Er wurde zum väterlichen Vertrauten. Mit ihm konnte sie alles bereden. Es gibt Dinge im Leben, die man einem Angehörigen oder Freund nicht erzählt. Dinge des Herzens oder des Denkens.

Franz-Josef brachte Lena mit seinen Fragen zum Überlegen. Dadurch erkannte sie viele Dinge besser und klarer. Lösungen fand sie dann selbst. Oder man unterhielt sich einfach über Gott und die Welt. Es waren angenehme, ruhige Stunden. Abseits von der Hektik des Tages. Wie in einer anderen Zeit. Beide genossen das Beisammensein. Franz-Josef lebte in einer Altbauwohnung mit hoher Decke und großen Fenstern. Das Wohnzimmer war voll mit Bücherschränken und Regalen. Die Bücher stapelten sich hoch und quer. So viele Bücher auf einmal hatte Lena nur in der öffentlichen Bücherei gesehen. Große Ölgemälde hingen an den Wänden. In

einer Ecke stand ein altmodischer Schreibtisch. Ganz modern, ein Monitor darauf. Franz-Josef war schon lange Witwer, nachdem seine Frau an Krebs gestorben war. Der Sohn war durch einen Autounfall ums Leben gekommen. So verbrachte er seine Tage allein mit Waldi. *** Verena hatte ganze Arbeit geleistet. Zurückhaltend und liebevoll hatte sie Tim umgarnt. Tim hatte sich in sein Innerstes zurück gezogen. Hier ließ er niemanden hinein. Nach außen war er der fröhliche, unbekümmerte Tim von früher. Ein Beobachter hätte bemerkt, dass er ernster

geworden war, erwachsener. Er hütete sein Geheimnis wie einen Schatz. Verena war jetzt täglich im Hotel. Sie machte sich nützlich. Unversehens wurde sie zu einem Teil des Betriebes. Jeden, den man gefragt hätte, hätte gesagt, sie ist die Freundin vom Junior. Tim gab sich abweisend. Auf die Dauer wurde es anstrengend. Als er mit Lena nicht weiter kam, stellte er die Briefe und Besuche ein. Tiefe Traurigkeit und Melancholie hatten von ihm Besitz ergriffen. Im Hotel funktionierte er weiterhin. So dauerte es einige Zeit, bis seiner Mutter sein Verhalten auffiel. Sie machte sich Sorgen. Als es wärmer wurde, frühstückten Maja

und Alfons auf dem Balkon mit Blick auf die Terrasse. „Alfons,“ sagte sie eines Tages zu ihrem Mann und sah ihm in die Augen. „Was ist los?“ Wollte er wissen. Er kannte seine Frau, ihr Verhalten signalisierte, dass es ernst war. „Ich mache mir Sorgen um Tim.“ Sie machte eine Pause. Ließ ihre Worte wirken. „Wieso? Ihm geht es doch gut.“ „Das glaube ich nicht. Er ist in letzter Zeit so verändert.“ „Was meinst du?“ Maja holte sich ein Brötchen aus dem kleinen Korb. „Er ist nicht mehr so glücklich und zufrieden wie sonst.“ Das Messer fuhr durch das Brötchen, sie

klappte die Hälften auseinander. Alfons hatte ihr dabei zugesehen. Er reichte ihr die Butter. „Darauf habe ich nicht geachtet. Aber jetzt, wo du es sagst, fällt es mir auch auf.“ Er schaute suchend über den Tisch. Käse, Marmelade, Schinken. Alfons vermisste seine Lieblingswurst. Er entschied sich für Allgäuer Emmentaler. „Ich habe schon immer gesagt, der Bub sollte heiraten. Dann hat er keine Zeit für dumme Gedanken.“ Er biss herzhaft in sein Brötchen. Maja schüttelte den Kopf über die einfache Denkweise. So sind sie, die Männer, dachte sie. „Vielleicht sollten wir mit ihm reden,“ schlug sie vor.

„Über Herzensdinge redet ein Mann nicht,“ stellte Alfons klar. „Und schon gar nicht mit seinen Eltern,“ ergänzte Maja seufzend. „Er trifft sich nicht mehr mit jungen Frauen. Die Sache mit der Blonden von der Terrasse scheint auch zu Ende.“ Alfons goss beiden Kaffee nach: „Dafür ist Verena fast schon Inventar hier.“ Er sinnierte etwas nach. Sein Blick schweifte über den nahen See. Die ersten Boote ließen sich mit geblähten Segeln über den See treiben. „Was macht sie eigentlich? Hat sie keine andere Arbeit?“ „Soweit ich weiß, ist sie in einer Hotelkette angestellt.“ Sie dachte einen Moment nach:

„Oder sind es Restaurants?“ „Dafür, dass sie hier im Haus ein und aus geht, wissen wir fast nichts über sie.“ „Vielleicht sollte ich doch ein Wort mit Tim reden,“ schlug Alfons vor: „So von Mann zu Mann.“ „Keine schlechte Idee. Über den Hotelanbau müssen wir uns auch klar werden.“ „Ja, richtig. Dafür muss Tim seine Gedanken beisammen haben.“ Tim lag im Bett und starrte die Decke an. Er fühlte sich bleiern. Ihm fehlte jede Kraft zum Aufstehen. Er wünschte sich einen Kran herbei der ihn hochhob und hinstellte. Dann müsste er nur noch laufen, wie aufgezogen.

Sein Leben war so sinnlos, so vorbei. Ihm fehlte die andere Hälfte. Die ihm Leben spendete. So exsistierte er nur. Er hatte keine Kraft mehr Verena abzuwehren. Wie ein Krake hatte sie sich im Hotel festgesetzt. Sie ergriff Besitz von ihm. Wie eine Schlange wand sie sich um ihm. Nahm ihm den Atem. Er hatte keine Kraft sich zu wehren. Er spürte, eines Tages würde sie sich um ihn zusammenziehen. Er würde ersticken. Sie würde sein Leben aussaugen und inhalieren. Dann würde er ihr gehören. *** Das Leben war wunderbar. Lena könnte so

zufrieden sein. Aber sie war es nicht. Etwas fehlte, fehlte so sehr. Sie wusste, dass sie ohne Tim nicht leben konnte. Schäfer und Frau Stein waren älter. Sie hatten Männer gehabt und Kinder. Ihr Leben hatte sich erfüllt. War es ein Luxus jetzt ohne Mann zu sein? Sie waren selbständig und verdienten genug Geld. Viele Frauen waren von ihren Männern abhängig. Sie hatten schlechte Berufe. Meistens unterbezahlt. Von diesem Schicksal war Lena befreit. Das Institut zahlte wirklich gut. Lena suchte keinen neuen Freund. Ihre Tage zogen sich im Alltagstrott dahin. Selbst die spannendsten Biografien der Kunden wurden durch die Häufigkeit

gewöhnlich. Lena seufzte hinter dem Schreibtisch. Ihre Gedanken waren abgewandert. Zu Tim. Dahin wanderten ihre Gedanken gerne. Wie ging es ihm? Was tat er?  Lass das, schalt sie sich. Er ist es gar nicht wert. So eine Kanaille. Sie wendete sich wieder ihrer Arbeit zu. Der nächste Kunde kam schon die Auffahrt hinauf. „Wette gewonnen,“ verkündete Larissa stolz. Sie und Verena hatten sich in einem Cafe getroffen. In der letzten Zeit hatten sie sich wenig gesehen. Jede war mit dem Umgarnen ihrer Beute beschäftigt. Wobei Larissa stolz

ihren Sieg verkündete. Kevin hatte ihr einen Heiratsantrag gemacht. „Du hast doch abgelehnt,“ erkundigte sich Verena scharf. „Wieso sollte ich? Ich bin die glücklichste Frau auf dem Planeten. Ich will ihn haben.“ Verena fühlte reine Säure in sich aufsteigen. Sie war hier der Boss. Sie hatte den Sieg zu gewinnen. Sie neidete Larissa den Freund. „Ohne mich hättest du ihn nicht,“ giftete sie böse. „Da hast du recht. Du wolltest ihn aber nicht. Du hast sogar die Wette vorgeschlagen!“ Triumphierte Larissa. Verena sah ein, dass ihre Freundin recht hatte. Sie schaltete einen Gang herunter.

Sie wollte Kevin gar nicht haben. Ihr Ziel war, die Erste, die Beste, die Schönste, die Klügste... zu sein. Sie würde sich bei Tim mehr anstrengen müssen. Sie würde die sanfte Tour sofort beenden. Es mussten schärfere Waffen her. Die beiden Frauen nuckelten nachdenklich an ihren Strohhalmen. „Worum ging die Wette eigentlich?“ Wollte Verena wissen. „Um das Hochzeitskleid und ein Wellnesswochenende.“ Larissa wollte von der Wette nichts mehr wissen, wenn Verena sich so anstellte. „Vergessen wir die Sache,“ sagte sie. Sie zückte ihre Geldbörse: „Ich treffe mich gleich mit Kevin. Überhaupt habe ich in der

nächsten Zeit viel zu tun. Sei mir nicht böse, wenn wir uns nicht mehr so oft sehen.“ Verena zuckte mit den Schultern. Ihr war es egal. Sie spürte, dass Larissa ihr nicht mehr nachlief. „Geht in Ordnung. Ich habe selbst viel um die Ohren. Mach´ s gut.“ Larissa stand auf um zu gehen. Verena schaute demonstrativ in die andere Richtung. Das war es dann wohl, dachte Larissa. Sie schaute nicht mehr zurück. An diesem Abend schlüpfte Verena in Tim´ s Bett. Von da an schlief sie immer bei ihm. ***

Tim bemerkte nicht, wie sein Vater ihn ansah. Wochenlang schaute dieser sich nun das Schauspiel mit Verena an. Eines Abends nahm er Tim mit in sein Büro. „Tim,“ begann er: „Ich habe mir das jetzt wochenlang angesehen.“ Tim schaute erstaunt. „Was?“ „Wie du herumläufst. Wie du aussiehst. Dir ist doch eine dicke, fette Laus über die Leber gelaufen. Was ist los?“ Für Tim war das Fußbodenmuster plötzlich sehr interessant. „Sieh mich an,“ knurrte sein Vater. „Nichts ist,“ Tim blickte seinem Vater in die Äugen. Dessen Kopf wurde schon leicht rot. „Du kannst mir ruhig sagen, welche Probleme du hast. Schließlich bin

ich dein Vater.“ Tim lächelte in sich hinein. Er war der Letzte, dem er die Geschichte erzählen würde. „Es gibt Dinge, die muss ein Mann mit sich selbst ausmachen.“ Sein Vater nickte. Das hatte er Tim beigebracht. „Nun denn. Wann immer du reden willst, ich bin für dich da.“ „Das weiß ich doch, Papa.“ Tim wollte schon aufstehen. Sein Vater fasste ihm am Handgelenk: „Ich habe noch etwas.“ Die Männer sahen sich an. Tim löste seine Hand. „Ich will, dass du heiratest. Hier gehört die nächste Generation ins Haus.“ Tim wollte etwas erwidern aber sein Vater ließ ihn nicht zu Wort kommen.

„Ich weiß, was du sagen willst. Deine Freunde warten alle mit dem Heiraten. Deine Freunde haben auch alle kein Hotel, dass sie eines Tages führen müssen. Diese neuen Moden im Opaalter Kinder zu bekommen sind nicht gut. - Ich will doch nur das Beste.“ „Dein oder mein Bestes?“ Fuhr Tim auf. „Dein Bestes ist mein Bestes,“ erwiderte Anton versöhnlich. „Etwas hinaus zu zögern ändert nichts an der Lage. Verändert nur die Optionen.“ Tim hielt den Kopf gesenkt. Irgendwie hatte sein alter Herr Recht. Mit Lena war das Glück gegangen. Verdammt, wenn er nur wüsste

warum! Seine Gedanken schweiften ab. „...ist es das Beste, wenn ihr heiratet.“ Erstaunt schaut Tim hoch: „Heiraten? Wer, ich?“ „Mit wem rede ich denn hier?“ „Wen soll ich denn heiraten?“ Alfons schlug sich an die Stirn: „Wieder mal nicht aufgepasst?“ Tim schaute seinen Vater mit großen Augen an. Dessen Teint hatte eine schöne leuchtendrote Farbe bekommen. „Na, du und Verena natürlich,“ erklärte er feierlich. „Da staunst du was? Wenn ihr so zusammen lebt, könnt euren Geschlechtsverkehr auch legalisieren.“ Der Schreck fuhr Tim in die Glieder. Da war

etwas Wahres dran. Lena würde er nie wiedersehen. Sein Vater hatte irgendwie recht. Es war egal, wen er heiratete. „Ich werde es mir durch den Kopf gehen lassen,“ erklärte er. Er musste Zeit schinden. Plötzlich fühlte er Kraft in sich wie lange nicht mehr. Er wachte auf aus seinem geistigen Koma. Wenn er so weiter machte, fiel ihm auf, konnte er sich gleich einsargen lassen. *** Janina war auf der Suche nach einem Brautkleid. Die beiden Schwestern hatten sich einen ganzen Tag Zeit genommen um

zu suchen. Es war ein wunderschöner, sonniger Tag. Seit Stunden schon durchkämmten sie die Geschäfte. Das Anprobieren war aufregend und harte Arbeit. Das ultimative Traumkleid war noch nicht dabei. Ermüdet gingen sie mittags in ein nobles Bistro. Es sollte ein perfekter Tag werden. Nun wollten Ausruhen und einen Happen essen. Dabei konnte man über die Angebote nachdenken. Unter einem großen Sonnenschirm fanden sie einen schönen Tisch. Er war gerade frei geworden. Schnell räumte ein Kellner den Tisch ab. Er nahm ihre Bestellung entgegen. Lena lehnte sich zurück. Sie schloss die Augen und genoss die

Sonne. Plötzlich verdunkelte ein Schatten ihren Tisch. Sie sahen hoch. Ein großer, braun gebrannter Mann mit Fitnesskörper stand vor ihnen. „Guten Tag die Damen,“ sagte er. Janinas Gesicht spiegelte Erstaunen und Empörung. Lena legte ihre Hand auf den Arm ihrer Schwester. „Guten Tag, Don Roberto. Darf ich vorstellen Senhor Roberto Swarzinger, meine Schwester Janina.“ Sie machte ihre Schwester mit dem reichen Brasilianer bekannt. „Bitte nehmen sie doch Platz. Ich denke, das verstößt nicht gegen die Regeln des Instituts,“ sagte Lena und hoffte, dass das

stimmte. Sie unterhielten sich prächtig. Janina betrachtete ihn ausgiebig. So sah also ein Superreicher aus. Ihm gehörten Anteile an Brasoil. Dazu ausgiebige Ländereien in Mato Grosso. Darauf betrieb er Viehzucht. Senhor Swarzinger ließ Champagner und Austern kommen. Er bot ihnen das Du an: „Ich bin Roberto.“ „Das kann ich aber nur für jetzt akzeptieren,“ erklärte Lena. Sie unterhielten sich blendend. Angeschickert fragte Janina plötzlich: „Wie kommt ein Mann dazu, sich an ein Heiratsinstitut zu wenden?“ Lena wurde rot. Eine völlig unpassende Frage: „Janina, wie kannst du nur...“ Beruhigend

zwinkerte Roberto ihr zu: „Deine Schwester hat völlig recht.“ Er nippte an seinem Glas. „Wissen sie, ich kann mir so viele Sportwagen und Villen kaufen wie ich will. Ab einem bestimmten Punkt macht das nicht mehr glücklich. Man sucht eine Partnerin und Begleiterin für das Leben. Groß ist die Gefahr, dass man wegen des Geldes geliebt wird. Um das zu vermeiden, suche ich eine Frau, der es auf das Geld nicht ankommt.“ Er schwieg versonnen. „Haben sie sich denn schon mit Frauen getroffen, die wir vorgeschlagen haben,“ fragte Lena interessiert. „Oh ja. Gefunkt hat es noch nicht. Aber ich hoffe in ihrer Kartei findet sich die Adresse

für mein Glück,“ schmunzelte er. „Wir haben doch gerade erst begonnen. Es warten noch viele hundert Adressen auf mich.“ „Wieso haben sie einen fast deutschen Namen?“ Interessierte sich Janina. „Ganz einfach,“ Don Roberto lächelte: „Weil meine Vorfahren aus Stuttgart kommen. Eigentlich heißt der Name Schwarzinger. Wie sie richtig vermutet haben.“ Die Schwestern hörten gebannt zu. „Die Brasilianer können mit deutschen Namen kaum umgehen. So wurde er mit jeder Eintragung im Geburtsregister mehr verhunzt.“ „Warum ist ihre Familie denn ausgewandert?“ Wollte Lena wissen.

„Warum verlässt man die Heimat?“ Stellte er die Gegenfrage. Er beantwortete sie gleich selbst: „Weil es in der Heimat schlecht geht. Man denkt, in der Ferne mehr Möglichkeiten zu haben.“ Janina ließ eine Cola kommen. Der Champagner verursachte ihr Sodbrennen. Ich könnte so ein reiches Leben überhaupt nicht führen, dachte sie. Ich vertrage keinen Champagner, hicks. „Was machen die Damen?“ Wollte Don Roberto wissen. „Wir suchen ein Brautkleid,“ erklärte Lena. „So, wer heiratet denn?“ „Meine Schwester,“ sagte Lena mit einem Stich im Herzen.

„Das macht doch bestimmt Spaß,“ sagte Don Roberto. „Dann wünsche ich den Damen noch viel Vergnügen und viel Erfolg.“ Er erhob sich von seinem Stuhl: „Ich muss mich leider verabschieden. Ich habe noch eine Verabredung.“ Er zwinkerte Lena zu. Als die Schwestern die Rechnung verlangten, sagte der Kellner: „Es ist alles bezahlt.“ „Wir hatten doch schon vorher Sachen bestellt,“ reklamierte Lena. „Der Herr hat alles bezahlt,“ wiederholte der Ober und seufzte

leicht. *** Mit neuem Elan durchsuchte Tim das Internet. Die Adresse von Lenas Eltern musste unter den Dachdeckern zu finden sein. Er musste sie finden, das war eine Chance. So viele Dachdecker gibt es gar nicht, dachte er. Erst durchsuchte er die Adressen in München. Dann die nähere Umgebung. Erst in einer Entfernung von 50 bis 100 km fand er die gewünschte Adresse. Schnell griff er zum Telefon und wählte. Eine automatische Bandansage forderte zu einer Mitteilung auf: Wir rufen sie zurück. Tim legte auf. Er

versuchte es den ganzen Tag. Nichts anderes als der Anrufbeantworter. Abends sagte er zu seiner Mutter: „Ich muss noch mal fort. Es gibt etwas zu erledigen.“ Er schnappte sich seine Jacke. Der Autoschlüssel lag auf dem Flurtischchen. Schnell hatte er ihn ergriffen. Maja sah ihm erstaunt hinterher. So viel Feuer hatte er schon lange nicht mehr gezeigt. Der Verkehr durch München war quälend. Vor allem, wenn man es so eilig hatte wie Tim. Erst als es in den Vororten ruhiger wurde, entspannte er sich. Die Gegend wurde ländlich. Tim hatte keine Augen für die Schönheit der Natur. Das Navigationssystem leitete ihn vor ein

großes Tor in einem kleinen Dorf. Es war verschlossen. Überhaupt machte es einen verlassenen Eindruck. Trotzdem klingelte er. Hans Hartl stand auf der Klingel, darunter Stefan Hartl. Nichts rührte sich. Tim ging auf die andere Straßenseite um das ganze Haus in Augenschein zu nehmen. Auf der einen Seite des Hoftores war das große Wohngebäude. Auf der anderen die Werkstatt. Neben einem Kassettenfenster befand sich eine massive Holztür. Darauf war ein Zettel befestigt: Betriebsferien von... bis... las Tim. Mist, gerade verpasst. Jetzt musste er wieder Wochen warten. Er drehte sich zu seinem Fahrzeug um. Da kam ein alter Mann auf ihn zu. Graue

Haare, grauer Bart. Auf dem Kopf ein speckiger Hut von undefinierbarer Farbe. Er trug braune Cordhosen, die an Hosenträgern hüpften. Eine alte, grüne Lodenjacke mit Hirschhornknöpfen bedeckte das karierte Hemd. Tim sprang ein loser Knopf ins Auge. Er tanzte im Rhythmus der Bewegungen. „Wollten sie was vom Hartl?“ Fragte der Alte. Trockne Lippen legten lange, gelbe Zähne frei. Tim blickte ihn nur an. „Die sind heute morgen in Urlaub gefahren. Die Alten nach Polen, die Jungen wollten nach Florenz. Ja ja, sie kommen zu spät.“ „Das war es dann wohl,“ sagte Tim und stieg in das Auto. Der Alte blickte ihm

hinterher. *** Verena hatte ihre Arbeit im Hotel vernachlässigt. Zuerst hatte sie noch regelmäßig Krankmeldungen hingeschickt. Dann hatte sie ohne Entschuldigung gefehlt. Jetzt hielt sie eine Abmahnung in den Händen. Schweine, dachte sie. Man darf doch wohl mal krank werden. Wenn ich mit Tim verheiratet bin, überlegte sie, dann brauche ich den Job nicht mehr. Andererseits war das Projekt noch nicht in trocknen Tüchern. Seufzend nahm sie ihre Arbeit wieder auf. Der Personalabteilung teilte sie mit, dass

sie vorerst nur in München beschäftigt sein wolle. Sie hätte persönliche Angelegenheiten zu regeln. Früher hatte sie gerne in anderen Städten gearbeitet. Jetzt musste sie in der Nähe von Tim bleiben. Bis jetzt war er ihr treu ergeben, dachte sie. Sie hatte nicht bemerkt, dass Trauer ihn gefangen hielt. Verena sah nur sich. Tim durchsuchte die Telefonbucheintragungen nach dem Namen Hartl. Lena hatte ihm erzählt, dass sie eine Schwester hatte. Leider hatte er ihren Namen vergessen. Es gab so viele Hartls. Außerdem wusste er nicht, in welcher Stadt sie wohnte Er wusste nur, dass sie im Museum und an der Universität

arbeitete. Er sah im Telefonbuch in den Museen nach. Es gab so viele. An seinem freien Tag rief er die Museen durch. Überall wurde ihm die Auskunft wegen Datenschutz verweigert. Er musste sich eine andere Strategie überlegen. Abends überraschte er seine Eltern: „Ich brauche ein paar freie Tage. Muss mich erholen und entspannen.“ Die Eltern blickten sich erstaunt und erfreut an. Tim hatte sich seit ein paar Tagen völlig verändert. Endlich war er wieder der Sohn, wie sie ihn kannten. „Natürlich,“ meinte sein Vater. „Im Moment ist es ruhig. Du hast schon lange keinen Urlaub mehr gehabt. Wenn du bis

übernächstes Wochenende wieder da bist, reicht es. Dann haben wir das Haus voll.“ „Außerdem wird es endlich Zeit den Hotelanbau zu planen,“ fügte seine Mutter hinzu. Tim küsste seiner Mutter die Wange. In seinem Zimmer packte er einen kleinen Koffer und eine Reisetasche. Sein Laptop und Schreibzeug hatten eine spezielle Tasche. Er nahm seine Lederjacke vom Haken und vergewisserte sich, nichts vergessen zu haben. Dann zog er die Tür hinter sich zu und schloss ab. Pfeifend trug er seine Sachen zum Auto und verstaute sie im Kofferraum. Seine Eltern standen hinter dem Fenster und schauten zu. Alfons hatte den Arm um seine Frau gelegt.

„Wie schön,“ seufzte Maja: „Endlich ist er wieder so wie früher.“ Sie legte ihren Kopf an seine Schulter. Als Antwort zog er seine Frau noch näher. Mit lautem Gebrumm startete Tim in den Sonnenuntergang.

Verena kam spät in das Hotel. Sie hatte Spätdienst gehabt. Sie wollte die Tür zu Tims Zimmer öffnen. Nanu, verschlossen. Sie rüttelte an der Tür. Sie blieb verschlossen. Das gibt es ja wohl nicht, dachte sie. Sie war müde und wollte nach einem kleinen Absacker nur noch ins Bett. Sie klopfte an die Tür. „Hallo,“ rief sie erbost: „Tim hast du dich eingesperrt?“ Nichts rührte sich. Sie lauschte mit dem Ohr an der Tür. Da ging die Tür von Majas und Alfons Wohnung auf. Maja trat hervor. Sie trug ein goldfarbenes, langes Kleid. Das hätte sogar Römerinnen vor Neid grün werden lassen. Blonde Lockenpracht ergoss sich

über ihre Schultern. Große, goldene Ohrgehänge mit bunten Steinen klingelten leise. An den Füßen trug sie goldene Riemchensandalen. Aufreizend rot waren alle Nägel lackiert. Ihr Mund hatte die gleiche Farbe. Du bist überladen, dachte Verena gehässig und neidisch. Für einen Moment stellte sie sich Alfons vor. Wie er Maja auf seinen Fettrollen zu Füßen lag. Es war zum Lachen und Heulen zugleich. Wie gerne hätte sie Tim zu ihren eigenen Füßen gesehen. „Tim ist nicht da.“ Maja sah sie durchdringend an. Das habe ich auch festgestellt, blöde Ziege, dachte Verena. „Wo ist er?“ Fragte sie laut.

„Er ist für ein paar Tage in Urlaub gefahren,“ klärte Maja sie auf. „Hat er ihnen nicht Bescheid gesagt?“ Süffisant. „Nein, sonst stünde ich hier wohl nicht so blöd herum,“ motzte Verena. „Kannst du mir aufschließen?“ Majas Augen funkelten: „Seit wann sind wir per DU? Außerdem hat nur Tim einen Schlüssel.“ Was nicht stimmte, Maja hatte jederzeit Zutritt zur Wohnung ihres Sohnes. „Am besten,“ schlug sie vor: „Sie fahren in ihre Wohnung. Wenn Tim wiederkommt, kann er sich bei Ihnen melden.“ Verena drehte sich niedergeschlagen um. Sie war zu müde, sonst hätte sie sich hier einen Kampf geliefert. Besser so, dachte

sie, dann verbaue ich mir nichts. Im Auto versuchte sie Tim anzurufen. Ausgeschaltet! Sie hinterließ eine Nachricht auf der Mailbox. Niedergeschlagen fuhr sie zurück nach München. *** Tim fuhr ziellos durch die Gegend. Er ließ Städte und Dörfer hinter sich. Der Frühling war mit aller Macht eingekehrt. Tim hatte keinen Blick für die Schönheiten  der Berge und Täler. Die verschiedenen Grün, die blühenden Pflanzen.  Er hätte nicht sagen können, wo er sich befand. Die Straßen wurden immer

ländlicher, immer schmäler ging es bergauf. Es war schon dunkel als plötzlich im Scheinwerferlicht eine riesige Mauer aus dem Hügel wuchs. Er konnte dahinter einige lange Dächer und einen Kirchturm erblicken. Ein Kloster, fuhr es ihm durch den Kopf. Er stieg aus. Vor ihm ragte ein großes, altes Tor aus Bohlen auf. Darin eingelassen war eine kleine, enge Pforte. Eine moderne Klingel war daneben befestigt. Tim drückte darauf. Lange Zeit passierte gar nichts. Tim streckte schon die Hand aus und wollte nochmals klingeln. Da öffnete sich eine kleine Luke in der Tür. Schemenhaft konnte Tim ein Gesicht erkennen. „Ja bitte,“ wurde er gefragt. Tim wusste

erst nicht was er eigentlich wollte. „K – Kann man hier übernachten? Ich habe mich verfahren.“ „Da haben sie Glück. Wir nehmen Gäste auf. Allerdings nur nach Voranmeldung.“ Tims Herz sank in die Hose. „Aber wir haben heute mittag eine Absage erhalten und die Klause ist frei.“ Das Herz wischte an die alte Stelle zurück. „Ich hole nur schnell meinen Koffer,“ sagte Tim. Die Klause war wie erwartet spartanisch eingerichtet. Der Mönch erklärte die Klosterregeln. Weck – und Essenszeiten, usw. „Wie lange wollen sie bleiben?“

„So genau weiß ich das noch nicht. Ich muss mit mir selbst ins reine kommen,“ gestand er dem Mönch. Darüber war Tim selbst sehr erstaunt. Es wäre ihm nie in den Sinn gekommen so etwas zuzugeben. „Dann hat Gott sie hergeführt,“ bemerkte der Mönch. „Morgen früh wird sich der Prior mit ihnen unterhalten.“ Bevor er ging sagte er noch: „Das hier ist ein Schweigekloster. Gute Nacht.“ „Wir haben ein tolles Hotel gefunden,“ verkündete Janina ihrer Schwester. Sie hatte Lena auf dem Handy erreicht. Die Telefonnummer vom Heiratsinstitut durfte

Lena nicht herausgeben. Auch keine Handyanrufe empfangen. Sie war gerade in der Pause und hatte ihre Mailbox abgehört. „Das ist toll,“ meinte sie. „Dann könnt ihr jetzt fest planen. Wenn die Eltern wieder da sind, werden sie sich sehr freuen.“ „Ach, ist das nicht wundervoll,“ jauchzte Janina: „Alles ist so perfekt.“ Lena seufzte. Wie gerne hätte sie das von sich gesagt. „Ich muss wieder anfangen,“ sagte sie: „Wir reden später weiter.“ Sie gönnte ihrer Schwester das Glück. Neid schwang trotzdem mit. Beide Geschwister hatten in ihrem Alter schon ihre Partner gefunden. Bin ich ein Versager?, überlegte sie. Tim hatte am Morgen ein längeres

Gespräch mit dem Prior des Klosters. Er entschloss sich für zehn Tage zu bleiben. Die Beachtung des Schweigegebotes akzeptierte er. Ein einziger Anruf war ihm gestattet. Er rief seine Eltern an. „Tim, mein Junge. Wo bist du denn?“ Fragte seine Mutter. Er sagte es ihr. „Wirklich?“ Fragte Maja erstaunt: „Und du darfst nicht reden? Das stelle ich mir sehr schwer vor.“ Tim lächelte. Er konnte es sich bei seiner Mutter auch nicht anders vorstellen. „Ich komme bald zurück,“ vertröstete er sie: „Dann werde ich alles erzählen.“ „Verena ist gestern abend sauer abgerauscht.“ „Die habe ich ganz vergessen. Ich werde

mit ihr Schluss machen, wenn ich zurück bin. Grüße Vater von mir.“ Maja legte nach der Verabschiedung nachdenklich den Hörer auf. Religiös waren sie nie gewesen. Wurde ihr Sohn jetzt zum Klosterbruder? Alfons schaute bei ihr herein. Er wollte nach München. „Hallo, meine Süße. Ich fahre nach München. Möchtest du mitfahren? Du kannst bummeln gehen. Dann treffen wir uns und gehen schön essen.“ Statt einer Antwort erwiderte Maja: „Tim hat gerade angerufen...“ Sie erzählte ihm alles. „Na,“ sagte sein Vater lachend: „Da ist er gut aufgehoben und kann nichts anstellen.“ „Was, wenn er jetzt Mönch werden will?“

„Maja, was denkst du! ? Viele Manager und Konzernführer fahren jährlich in ein solches Kloster. Sie wollen Ruhe und Abstand finden.“ Er nahm sie tröstend in die Arme: „Es ist gut, dass er endlich seinen Weg findet.“ Gemeinsam und hoffnungsvoll machten sie sich auf den Weg. *** Als Tim aus dem Kloster zurück kam, stürzte er sich gleich in die Arbeit. Zwei Dinge waren ihm wichtig. Lena zu finden und das Hotel zu führen. Verena hatte er völlig aus dem Gedächtnis

gestrichen. Ein großer Fehler. Tim fuhr zu Lenas Eltern, als diese aus dem Urlaub zurück waren. Er hatte sich telefonisch angemeldet. „Wir planen einen großen Hotelanbau und hätten gerne einen Kostenvoranschlag von ihnen,“ hatte Tim gesagt. Jetzt saß er da, im Büro vor dem Schreibtisch. Zwischen Ordnern und viel Paper. Ein großer Monitor stand an der Seite. Hartl Senior und Junior waren vertreten. Tim legte die Pläne vor. Zuerst sprachen sie nur über das Projekt. Tim wurde unruhig. Wie sollte er das Gespräch auf Lena bringen? Der Zufall kam ihm zu Hilfe.

Frau Hartl kam herein und fragte, ob die Herren etwas zu trinken möchten. Man entschloss sich zum Kaffee. „Gut,“ sagte sie: „Dann decke ich den Tisch im Esszimmer. In ein paar Minuten bin ich fertig. Dann können sie kommen.“ Jetzt wusste Tim, dass er auf der richtigen Fährte war. Frau Hartl war die ältere Ausgabe von Lena. Nachdem der Kaffee getrunken war, wurde Tim feierlich. „Herr und Frau Hartl, ich bin noch aus einem anderen Grund hier.“ Alle Augen waren erstaunt auf ihn gerichtet. „Ich liebe ihre Tochter Lena.“ Er ließ das wirken. Die Augen wurden größer. Tim schöpfte tief Luft:

„Aus einem mir unbekannten Grund hat sie mir den Laufpass gegeben. Ich versuche seit Wochen und Monaten sie zu erreichen. Es ist wie verhext. Ich bekomme keine Nachricht von ihr.“ Tim redete jetzt schneller. Man spürte förmlich seine Erregung: „Auf Anrufe reagiert sie nicht. Die Mails liest sie wahrscheinlich auch nicht. Alle Briefe kommen zurück, mit der Aufschrift Annahme verweigert. Sehr oft habe ich sie zu Hause aufgesucht. Sie war nie da.“ Tim sah unter sich. „Ich bin so verzweifelt,“ fügte er leise hinzu. Lange sagte keiner etwas. Mit einer solchen

Beichte hatte niemand gerechnet. Etwas genaues wussten die Männer nicht und schauten fragend zu Maria. Frau Hartl sagte: „Lena hat etwas von ihnen erfahren. Keine Mutter möchte einen solchen Mann zum Schwiegersohn.“ Die Männer sahen sie erstaunt an. „Na los, sag schon,“ forderte ihr Mann. Maria meinte: „Eigentlich ist das Lenas Sache. Aber da sie nicht mehr mit ihnen spricht...,“ Lenas Mutter holte tief Luft: „...sage ich es ihnen. Ihr Lebenswandel lässt arg zu wünschen übrig.“ „Was heißt das?“ Fragte jetzt Stefan. Die Sache war interessant. Maria wand sich:

„Sie haben mehrere Frauen.“ So, jetzt war es heraus! „Ein Polygamist?“ Fragte Lenas Vater Hans ungläubig. Er starrte Tim an. „Nein,“ rief der entsetzt. „Natürlich habe ich mehrere Freundinnen gehabt, bevor ich Lena kennen lernte. Aber immer eine nach der anderen.“ Tim wurde forsch. „Nachdem ich Lena kennen gelernt habe, habe ich der Letzten den Laufpass gegeben.“ Er schaute in die Runde und sagte leise: „Lena ist die Frau meines Lebens. Entweder sie oder ich bleibe ledig.“ So, das war heraus. Schweigen am Tisch. „Wir können Lena Bescheid geben und ihr

sagen, dass sie mit ihr reden wollen. Sie kann sie dann anrufen.“ „Danke, sie machen mich sehr glücklich. Wenn ich mit Lena sprechen kann, wird sich das Missverständnis aufklären.“ Davon war Tim fest überzeugt. ***

Verena war doch zu einer Messe nach Frankfurt gefahren. Solange Tim nicht im Hotel war, wollte sie dort nicht mehr auftauchen. Von ihrer Freundin Larissa hatte sie nichts mehr gehört. Eigentlich schade, dachte sie. Jetzt hätte sie jemanden zum Reden gebraucht. Irgendwie war ihre Zukunftsplanung verrutscht. So hatte sie es sich früher nicht vorgestellt. Arbeiten war nicht ihr Metier. Vielmehr wollte sie reich heiraten und dann die Zeit mit Shoppen verbringen. Kinder bekommen und einen Haushalt führen kam in der Planung nicht vor. Außer das Managen von Hausangestellten, Partys geben und Feste feiern, das war Bestandteil eines angenehmen Lebens. Dass sie dabei immer

älter wurde, war ein weiteres Problem. Ihr Marktwert sank. Verena seufzte. Sie machte sich auf den Weg zur Arbeit. Heute abend würde sie zurück nach München fliegen. Die Billigflieger waren preiswerter als eine Bahnfahrt. Nur saßen in diesen Maschinen keine reichen Männer. Sie nahm sich vor, am Wochenende wieder nach Tim zu schauen. Sie würde in das Hotel fahren. So leicht wurde man sie nicht los, dachte sie mit aufkeimender Wut. Lena legte den Telefonhörer auf die Ladestation zurück. Sie hatte mit ihrer Mutter telefoniert. Diese hatte ihr brühwarm die Geschichte mit Tim erzählt.

„Stell dir vor, wer heute bei uns im Geschäft war...“ Lena ließ das Gespräch Revue passieren. So, alles war ein Missverständnis? Sie musste sich mit Tim unterhalten. Ganz tief in ihrem Herzen hatte sie ihre Liebe zu Tim vergraben. Sie spürte ein Ziehen. Vergraben war sie aber nicht tot! Sachte regten sich die Gefühle in ihr. Hoffnung glomm auf. Nein, sagte sie sich. Erst will ich wissen woran ich bin. Kein zweites Mal wollte sie enttäuscht werden. Das wäre zu hart. Sie entschied sich zu einer Mail. Alles ein Missverständnis? Gut, dann erkläre es mir, schrieb sie. Nachdenklich ging sie zur

Arbeit. An diesem Wochenende fand die große Hochzeit von Janina und Robert statt. Den Namen des Hotels hatte Janina versäumt ihrer Schwester mitzuteilen. Es reichte, wenn sie die Adresse bis zum Hochzeitstag bekam. Standesamtlich waren sie bereits getraut, in einer kleinen Feier hatte die Zeremonie stattgefunden. Danach hatte es ein Sektfrühstück im Familienkreis gegeben. Roberts Eltern und Bruder hatten teilgenommen. Bruder Felix hatte sich als amüsanter Unterhalter herausgestellt. Zur großen Hochzeit würde der Pfarrer in das Hotel kommen und die Zeremonie dort abhalten. Lena hatte ihrer Schwester bei

den Vorbereitungen helfen wollen. Janina hatte ihr dann mitgeteilt, dass alle Vorbereitungen vom Hotel übernommen wurden. Sie mussten nur noch feiern, hatte Janina begeistert erzählt. Und zahlen, hatte Lena im Geist hinzugefügt. Dabei hätte es ihr viel Vergnügen bereitet so ein Event auszurichten. Vielleicht wäre das auch eine Möglichkeit im Leben gewesen?, überlegte Lena. Abends schaute Lena ihre Mails nach. *** Meine geliebte Lena, las sie. Sie runzelte die Stirn und las weiter: ...kein Mensch kann meinen

Kummer und Schmerz beschreiben. Nie habe ich solche Gefühle erlebt. Ich bin durch alle Höhen und Tiefen gegangen. Nur um zu erkennen, dass es nur DICH für mich gibt. DU bist der Traum in meinen Nächten und die Sonne meiner Tage. Ohne DICH ist das Leben grau und leer. Kein Sinn des Lebens ohne DICH. Keine Freude, die das Dasein angenehm macht. Ohne DICH vegetiere ich dahin. DU bist mein Antrieb, mein Motor. DU bist alles für mich... Nachdenklich hob Lena den Kopf. Draußen schien die Sonne. Kinderlachen drang durch das geöffnete Fenster. Tim ist ein Poet, dachte sie. Was sollte sie

davon halten? Bisher hatte er sich als Schürzenjäger hervorgetan. Sie klickte auf Antworten: Alles Phrasen, schrieb sie. Was ich will ist eine Erklärung! Danach schaltete sie den PC aus. Sie wollte Franz-Josef besuchen. Eine gute Zeit. Bei ihm konnte sie sich Rat holen. Als sie spätabends noch mal in ihre Mails schaute, hatte sie eine Antwort. Tim schrieb, dass er von den Anschuldigungen nichts wisse. Sie sollten persönlich darüber reden. Wann es Lena passe? Am besten sofort. Sie hätten am Wochenende wieder alle Hände voll zu tun, schrieb er. Aber für Lena sei immer Zeit. Da müsse anderes eben warten.

Darüber freute sich Lena. Alles für sie stehen und liegen lassen war ein großer Liebesbeweis. Gerne würde sie diese Sache als Missverständnis abtun. Andererseits, war das Gespräch in dem Cafe eindeutig gewesen. Sie dachte nach. Sollte sie sich in diesem Cafe treffen, in der sie die Ungeheuerlichkeit erfahren hatte? Sollte sie ihn damit konfrontieren? An seiner Reaktion würde sie vielleicht etwas erkennen können. Gut, sie wollte diese Sache geregelt haben. Egal wie es ausging. Danach würde sie ihr Leben wieder in geordnete Bahnen lenken. Sie schrieb eine kurze Nachricht.

*** Tim fuhr nachdenklich zum Treffpunkt. Er freute sich unbändig auf das Treffen mit Lena. Er war vollends überzeugt, dass sich das Missverständnis aufklären würde. Vorher war er noch bei einem Juwelier gewesen. Das kleine Kästchen hatte er in seiner Jackentasche verborgen. Er parkte sein Auto. Viele Parkplätze waren um diese Zeit unbenutzt. Lenas Auto stand schon da. Er betrat das Cafe. Er war noch nie hier gewesen. Er überblickte den großen Raum und suchte Lena. In einer Ecke, vor einem

kolossalen Spiegel, saß seine Angebetete. Sie saß auf der gepolsterten Bank und sah ihn an. Wie in einem Sog wurde sein Körper zu ihr hingezogen. Die Sehnsucht spürte er körperlich. Erst jetzt fühlte er, wie sehr sie ihm gefehlt hatte. Sie war der Teil der zu ihm gehörte. Nur mit ihr war er vollkommen. Er mäßigte seinen Schritt. Vor ihrem Tisch blieb er stehen. Am liebsten hätte er sie in seine Arme gerissen und geküsst. Von oben bis unten. Seine Hände begannen zu zittern. „Hallo,“ sagte er: „Ich bin so froh, dich endlich wieder zu sehen.“ Sie sah ihn durchdringend an. „Ich weiß nicht, was vorgefallen ist. Bitte sage mir, was du hast. Ich will alles ins

reine bringen.“ Während seiner Rede hatte Lena ihn auf einen Stuhl gewunken. Er setzte sich ihr brav gegenüber. Jetzt war Fingerspitzengefühl gefordert. Lena sah ihn durchdringend an: „Du hast mich belogen.“ Tim wollte auffahren. Sie winkte ab. „Bitte lass mich ausreden,“ forderte sie. Lena machte eine umfassende Bewegung mit der Hand: „Kennst du dieses Cafe?“ „Nein, ich war noch nie hier. Aber es ist schön. Wenn ich es gewusst hätte, wäre ich schon viel früher hergekommen.“ Lena forschte weiter: „Wie hältst du es mit Frauenbekanntschaften?“ „Ich habe früher viele gehabt,“ bekannte Tim. Er nippte von dem heißen Cafe, den

die Kellnerin gebracht hatte. „Seit ich dich kenne, habe ich nur noch dich.“ Plötzlich wurde er rot. „Nein, das ist nicht die ganze Wahrheit.“ „Aha,“ fuhr Lena ihm in die Parade. Sie stand auf und wollte gehen. „Bitte nicht,“ Tim hielt sie an der Hand fest: „Du bist gekommen um zu reden. Also tun wir das jetzt. Du musst mich ausreden lassen. Das bist du mir schuldig.“ „Nichts bin ich dir schuldig. Du hast mich ausgenutzt. Benutzt hast du mich!“ „Bitte,“ sagte Tim. Seine Augen flehten sie an. Lena setzte sich wieder. Sie hatte die Aussprache gewollt, also musste sie ihn auch reden lassen. Tim hielt ihre Hand fest. „Als du

verschwunden warst, ging es mir sehr schlecht. Ich war sehr depressiv und niedergeschlagen. Ich habe alles versucht um dich wiederzufinden.“ Lena musst ihm im Stillen recht geben. „Alles was mit mir geschah habe ich nur am Rande wahrgenommen,“ fuhr Tim fort. „Wenn mich jemand aufgefordert hätte mich umzubringen, ich glaube, ich hätte es getan.“ Er schwieg nachdenklich. Lena ließ ihm Zeit. „In dieser Zeit kam eine alte Bekannte wieder zu mir,“ seufzte Tim. Er dachte daran, wie Verena sich bei ihm eingeschlichen hatte. Sein Fehler, das zuzulassen. Er senkte den Kopf. „Ich muss zugeben, ich habe es geschehen lassen. Das

war nicht richtig.“ Mutig sah er Lena in die Augen: „Ich hatte mit ihr Schluss gemacht. Aber sie ist wie ein Bumerang. Immer kommt sie wieder.“ „Dann ist das Schluss machen nicht richtig gegangen. Sie hätte sich sonst keine Hoffnungen gemacht,“ meinte Lena. „Sie ist zäh,“ widersprach Tim: „Es war aber ganz entschieden mein Fehler, sie wieder in mein Leben zu lassen. Seit ich aus dem Kloster zurück bin, habe ich sie nicht mehr gesehen.“ Lenas Augen wurden riesengroß. „Du warst im Kloster?“ Brach es erstaunt aus ihr heraus. „Nur zehn Tage,“ wiegelte Tim ab. Er wedelte dabei mit der Hand. „Ich habe die Auszeit gebraucht um mit mir

ins Reine zu kommen.“ Das wird immer besser, dachte Lena. Laut sagte sie: „Wie sieht sie denn aus? Hast du ein Foto von ihr?“ „Von Verena?“ Fragte er erstaunt. „Heißt sie so?“ „Ja, lass mich mal im iPhone nachsehen, ob ich ein Bild von ihr habe.“ Er zog sein Handy hervor. „Wieso willst du das wissen?“ Fragte er und tippte auf dem Gerät herum. „Hier, bei Facebook.“ Er hielt Lena das Handy hin. Lena nahm es und besah sich das Foto. Es war eindeutig die Frau, die hier an dem Nebentisch gesessen hatte. Allerdings war sie auf dem Foto nicht so aufgemotzt.

„Das ist sie...,“ sagte Lena versonnen. Ihr Blick richtete sich in weite Ferne. Sie legte das Handy auf den Tisch. Tim hielt den Atem an. Leise begann Lena die Geschichte mit den beiden Frauen zu erzählen. Sie sah Tim dabei nicht an. Es war, als reflektiere sie die Story nur für sich. Tim schwieg und hörte fasziniert zu. Für so verschlagen hatte er Verena nicht gehalten. Als Lena geendet hatte, verfielen beide in Schweigen. Jeder hing seinen Gedanken nach. „Jetzt ist mit klar, wie wir herein gelegt wurden,“ sagte Tim plötzlich: „Die fingierten Anrufe und so...“ Lena hatte

Tims Hand fest in ihre Hand genommen. Plötzlich war alles so klar. „Aber wie hat sie den Autoreifen zerstochen? So ein Teil ist sehr hart. Außerdem hätte er dann gleich platt sein müssen.“ „Ja, wie hat sie es geschafft? Das werden wir wohl nie erfahren.“ Tim rückte zu Lena auf die Bank. „Jetzt wo sich herausgestellt hat, dass wir hereingelegt wurden...“ Tim ließ das Ende des Satzes offen. Lena lächelte ihn an. Ihr wurde so warm ums Herz. Sie rückte ganz dicht auf. Tim nahm sie vorsichtig in den Arm. Sie hob den Kopf und sah ihm tief in die Augen. Wortlos legte sie die Arme um ihn. Sein Kopf näherte sich ihrem Gesicht. Ihr Mund wurde von seinen Lippen

magisch angezogen. Er näherte sich ihr. Sie kam ihm entgegen. Einen winzigen Millimeter verharrten sie plötzlich voreinander. Dann pressten sie ihre Lippen aufeinander und ergaben sich in einem gierigen langen Kuss. Ihre Zungen vollführten in den Mündern einen wahren Schlangentanz. Beide Körper erbebten. Wilde Lust und Begehren durchbebten die Liebenden. „Komm mit,“ flüsterte Lena. „Komm zu mir nach Hause.“ ***

Stunden später lagen sie erschöpft auf dem breiten Bett. Tim beugte sich zu Lena: „Du machst mich zum glücklichsten Menschen. Nichts soll uns mehr trennen.“ Plötzlich sprang er aus dem Bett. Erstaunt sah Lena  ihm hinterher. Das war das Gegenteil von eben gesagten. Tim tat geheimnisvoll. Er machte sich an seiner Jacke zu schaffen, die er achtlos auf einen Stuhl geworfen hatte. Er wendete Lena seine prachtvolle Rückseite zu. Sie bewunderte seine breiten Schultern und die schmalen Hüften mit dem knackigen Po. Dann hatte er gefunden was er suchte. Lena konnte nicht erkennen, was er in der Hand verborgen

hielt. Nackt, wie er geschaffen war, fiel er vor dem Bett auf die Knie. Lena erhob sich etwas, um sich die Sache genau anzusehen. Tim öffnete ein kleines, rotes Samtkästchen. Darin sah Lena einen wunderschönen Ring mit einem großen Solitär. „Willst du meine Frau werden?“ Fragte Tim. „Oh Tim,“ hauchte Lena. Plötzlich war das Leben so schön und so einfach. „Oh Tim,“ wiederholte Lena: „Du machst mich zur glücklichsten Frau der Welt.“ „Ich muss dich unbedingt meinen Eltern vorstellen. Sie warten so sehr darauf, dass sie Enkelkinder bekommen.“ Tim lachte

vergnügt, als er sich anzog. Er musste nach Hause. Jetzt rief die Pflicht mehr denn je. Lena hatte sich in das Duschtuch gewickelt: „Meine Eltern kennst du ja schon. Du hast dich ihnen selbst vorgestellt.“ „Kannst du am Samstag kommen? Wir haben zwar viel zu tun aber ich kann es kaum erwarten ihre Gesichter zu sehen.“ „Das geht leider nicht, meine Schwester heiratet.“ Lena begleitete ihn zur Tür. „Aber Sonntag wäre ein guter Tag.“ Er nahm sie in die Arme und küsste Lena auf die Nasenspitze: „Also, am Sonntag!“

*** Am Samstag stand das Haus der Familie Hartl schon am Morgen auf dem Kopf. Alle hatten hier übernachtet, weil man gemeinsam losfahren wollte. Zuerst hatte ein ausgiebiges Frühstück stattgefunden. Das Mittagessen fiel aus. Dafür gab es nachmittags Kaffee und Kuchen und am Abend ein großes Buffett. Mutter und Schwester kleideten die Braut ein. Eine Friseuse und eine Visagistin warteten auf ihren Auftritt. Die Männer machten sich über die Frauen lustig. Wie konnte man sich so aufregen? Als es Zeit zur Abfahrt war, warteten die

Männer vor den Autos auf die Frauen. Die Nachbarschaft machte lange Hälse, als endlich die Braut aus dem Haus trat. Ein vielstimmiges Ah und Oh ertönte. Auch die Männer waren überrascht. Janina hatte noch nie so schön ausgesehen. Wie eine Prinzessin schritt sie erhobenen Hauptes zu der geöffneten Autotür. Lena half ihr das überquellende Kleid zu verstauen. Ihre Mutter reichte ihr den Brautstrauß. Danach stieg Robert auf der anderen Seite ein. Stefan machte den Chauffeur. Lena fuhr mit Melanie und den Zwillingen in deren Auto. Den Abschluss bildeten die Eltern. Die Schwiegereltern würden sie im Hotel treffen. Die Zwillinge waren sehr aufgeregt.

„Wann heiratest du?“ Fragte Max Lena. „Genau,“ sagte sein Bruder. Lena drehte sich lächelnd zu den Beiden um: „Bald.“ Lena wurde immer erstaunter, als ihr die Gegend immer bekannter wurde. Ein Verdacht keimte in ihr. „Wohin fahren wir?“ Fragte sie ihre Schwägerin. „Das Hotel heißt Panorama,“ antwortete Melanie, während sie in einen kleineren Gang schaltete. Lena lächelte. „Na so was! Das ist prima. Das ist das Hotel meines Freundes.“ Melanie sah sie von der Seite an. Eine mädchenhafte Röte hatte Lenas Gesicht überzogen Melanie

drückte ihr kurz die Hand. „Diese Zufälle im Leben sind schon etwas besonderes. Oder hat deine Schwester das gewusst?“ Lena schüttelte den Kopf. „Nein, ich habe niemand etwas davon gesagt,“ erwiderte Lena. Melanie dachte einen Moment nach. „Dein Freund war bei uns, als er dich gesucht hat und hat uns einen großen Auftrag gegeben. Sie wollen das Hotel anbauen..“ Darüber hatte Tim nicht gesprochen, dachte Lena. Sie musste zugeben, dass sie mit anderen Dingen beschäftigt gewesen waren. Dann sagte Melanie: „Die Hochzeit wurde allerdings viel früher bestellt. Janina und Robert haben damals nicht gewusst, dass sie bald

zur Familie gehören..“ Das Wetter war wie bestellt. Die Sonne lachte von einem weiß-blauen Himmel herunter. Die Luft war nach einem Regen vom Vortag klar und rein. Das Hotel war auf Hochglanz poliert und geschmückt. In großen Kübeln blühten Oleander in verschiedenen Farben, Knackige Fuchsien wechselten mit zartblättrigen Schönmalven ab. Trompetenblumen ragten weiß, rosa und gelb über das Geländer der Terrasse. Inkalilien wiesen den Weg zum Eingang. Darüber prunkte eine prächtige Bougainvillea. „Die haben sich mächtig ins Zeug gelegt,“

bescheinigte Melanie der Hotelführung. Beide Frauen hatten einen Jungen an der Hand, als sie auf den Eingang zugingen. Diese versuchten sich loszureißen. Melanie verhinderte das Losstürmen der Beiden. Sie sollten einen wohlerzogenen Eindruck machen. Mindestens am Anfang. Das Brautpaar verweilte noch mit den Eltern auf der Terrasse. Lena und Melanie betraten die kühle Halle. Hier war ein Blumenmeer mit Schleifen gebändigt. Ein junger Mann war mit letzten Handgriffen am Aufbau des Buffetttisches beschäftigt. Lena hatte gleich die anziehende Rückfront erkannt. Als Tim sich herumdrehte, um die ankommenden Gäste zu begrüßen, erkannte er Lena. Mit

ausgebreiteten Armen stürmte er auf seine Braut zu. Nach der Begrüßung fragte er: „Gehörst du zu den Hochzeitsgästen?“ „Das will ich doch hoffen.“ Parierte Lena glücklich: „Schließlich heiratet meine Schwester.“ Tim war verdutzt: „Aber der Name...“ begann er verwirrt. „Ja, meine Schwester ist schon einige Zeit standesamtlich getraut. Sie haben die Hochzeit unter dem Namen meines Schwagers bestellt.“ Es wurde eine wunderschöne Hochzeitsfeier. Tim suchte in freien Momenten Lenas Nähe. Die Beiden tauschten verliebte Blicke und heimliche

Küsse. Es wurde Abend. Tausende kleiner Lichter flammten auf. Sie gaben der Gesellschaft etwas hoheitliches, wie in den vergangenen Tagen der Monarchie. Unheil zog vom Parkplatz herauf. Verena war angekommen. Sie wollte ihr Glück wieder bei Tim probieren. Wenn sie ihn nicht sehen würde, wollte sie wieder fahren. Sich noch einmal mit seiner Mutter einzulassen, fiel ihr im Traum nicht ein. Eine Hochzeitsfeier, dachte sie, als sie die festlich gekleideten Menschen sah. Sogar Tims Eltern entdeckte sie im Gespräch mit einem älteren Paar vertieft. Maia hat diesmal auf ihren Römerkrempel verzichtet, dachte sie boshaft. Sie war im

einem rosafarbenen Satindirndl erschienen. Verenas Augen suchten Tim. Bis jetzt hatte niemand ihre Anwesenheit bemerkt. Verena drückte sich an der Wand entlang Richtung Hoteleingang. Plötzlich sah sie Tim. Sie wollte schon zu ihm loslaufen. Da bemerkte sie rechtzeitig, dass er einer jungen Frau den Nacken küsste. Die Frau schüttelte sich und lachte. „Das kitzelt,“ hörte Verena. Das ist doch...? Verenas Räderwerk im Hirn begann zu rattern. Na klar, das ist seine Freundin aus der Disco! Verena hatte gedacht, diese Liebe zerstört zu haben. Wahre Liebe kann man nicht zerstören, schoss es ihr durch den Kopf. Wer hatte diesen blöden Spruch

gesagt? Na, das wollen wir doch einmal sehen, dachte sie zutiefst ergrimmt. Sie schlich zum Getränkebuffett. Das war Tims Metier. Sie musste gar nicht lange warten. Tim tauchte erhitzt und mit rotem Kopf auf. Schweiß lief ihm von der Stirn. Verena schnappte sich ein Handtuch und fuhr ihm über das Gesicht: „Na, so schwer am arbeiten, dass du schwitzt?“ Spöttelte sie. Tim war sofort zurück gewichen. „Was machst du hier?“ Entfuhr es ihm. Sie wirkte wie eine kalte Dusche auf ihn. „Ich muss doch meinem Liebsten Guten Abend wünschen.“ Verena bemerkte aus den Augenwinkeln, dass Lena Tim gefolgt war.

Sie beobachtete die Szene. Verena warf sich Tim an den Hals und versuchte sein Gesicht mit Küssen zu bedecken. Tim drehte das Geicht fort und wollte sich von ihr losmachen. „Das ist keine freundliche Begrüßung,“ schmollte Verena. Lena war erstarrt, konstatierte Verena freudig. „Ich bin dir wohl zu lange weg gewesen. So ist das eben, wenn man sein Geld verdienen muss.“ Tim versuchte Verena fortzuschieben. Sie hing fest wie eine Klette. „Hast du schon einen Hochzeitstermin für uns aussuchen können?“ „Spinnst du oder was? Lass mich los,“

verlangte Tim. Er griff härter zu. „Au,“ schrie Verena: „Du tust mir weh.“ Sie rieb sich den Arm. „Bist du immer noch so gewalttätig wie früher?“ Sie blickte ihm zornig in das Gesicht. „Mach, dass du weg kommst,“ forderte Tim erbost. Lena erschrak, so hatte sie Tim nicht kennen gelernt. „Jahrelang war ich gut genug für dich,“ giftete Verena. „Immer war ich da, wenn du jemand im Bett haben wolltest. Sogar noch bis letzte Woche war ich dir gut genug.“ Lena drehte sich um. Sie wollte sich das nicht mehr länger anhören. Erst jetzt bemerkte Tim Lena. „So wie sie das darstellt, ist es nicht,“ rief

Tim verzweifelt. „So? Wie war es denn?“ „Es stimmt, dass ich mit ihr zusammen war. Aber als ich dich kennen lernte, habe ich ihr den Laufpass gegeben.“ „Um dann gleich wieder mit mir zu schlafen, als Lena dich abservierte,“ triumphierte Verena. Tims Augen verengten sich zu Schlitzen. „Was weißt du darüber?“ Verena bemerkte ihren Fehler. „Ich denke ja nur, weil eure Verbindung beendet war.“ „Du warst das Luder, das mich verunglimpft hat,“ empörte sich Tim. „Das hatten wir bereits besprochen,“ sagte Lena kühl. „Ich will wissen, was du bis letzte Woche

mit ihr zu tun hattest.“ „Ja, erzähle es ihr,“ stänkerte Verena. Sie legte bequem ihren Arm auf die Theke und stützte ihren Kopf ab. Lena stand mit den Händen in die Hüften gestützt und wartete auf eine Erklärung. Tim schaute hin und her. Beide Frauen waren kampfklar. Wenn er jetzt einen Fehler machte, war er Lena los. Verena lauerte auf ihre Chance. „Es stimmt,“ begann Tim zu reden: „Aber wie ich es dir schon gesagt habe Lena, war ich nicht Herr meiner Sinne. Ich war programmiert wie ein Zombie. Da hat Verena sich eingeschlichen.“ „Halb zog sie ihn, halb sank er hin...“ Zitierte Lena den größten deutschen

Dichter. Tim wand sich: „So gesehen hast du recht.“ „Er hat es auf jeden Fall genossen,“ fiel Verena ein. „Sie sind jetzt still,“ fuhr ihr Lena in die Parade: „Das hier geht nur Tim und mich etwas an.“ „Lena, liebste Lena.“ Tim fiel vor ihr auf die Knie: „Ich habe einen großen Fehler begangen. Bitte entschuldige mich. Was ich getan habe war nicht richtig.“ „Memme,“ zischte Verena, was mit einem giftigen Blick quittiert wurde. „Sie gehen jetzt besser,“ sagte Lena bestimmt: „Ich glaube, sie sind hier nicht

mehr erwünscht.“ Verena begann zu schreien und laut zu fluchen: „Du Mistkerl, du elendes Schwein. Du Ausbeuter. Erst mir die Ehe versprechen und mich dann hinauswerfen wollen. Es soll jeder erfahren, was für ein widerlicher Charakter du bist...“ Schon steckten Bedienstete den Kopf herein um zu schauen was los war. „Wir müssen sie hinaus bringen.“ Lena war praktisch und zupackend veranlagt. „Mach´ das. Ich werde jedem Gast zuschreien, was hier für verlotterte Zustände herrschen.“ Sie wollte sich zwischen Tim und Lena hindurch drängen. Lena hielt sie am Arm fest. „Gibt es hier

einen anderen Ausgang?“ Zischte sie Tim zu. Er war  wie erstarrt. „Der Hinterausgang,“ rief er dann, als habe er eine schwierige Mathematiklösung gefunden. „Dann los,“ rief Lena. Tim stürmte davon und Lena mit einer sich wehrenden Verena hinterher. Es ging durch Keller und Gewölbe. Dann öffnete Tim die Kellertür. Draußen warf ein großer Silbermond seine Strahlen auf den Parkplatz des Hotels. „Ich will dich hier nie wieder sehen,“ sagte Tim mit voller Überzeugung: „Verschwinde!“ Verena wusste, wann sie verloren hatte: „Du wirst noch von mir hören,“ sagte sie erhobenen Hauptes und ging in die Dunkelheit der Bäume davon.

Das Liebespaar sah ihr nach, bis sie verschwunden war. „Was sie wohl im Schilde führt?“ Fragte Tim. „Nichts,“ Lena kannte sich mit Frauen besser aus: „Sie hat nur einen würdevollen Abgang gebraucht.“ Sie kehrten zurück und schlossen die Tür. „Du wirst nie mehr etwas mit anderen Frauen anfangen,“ bestimmte Lena. Tim sah ihre Augen im trüben Kellerlicht blitzen. „Ja, mein Liebling. Ich bin kuriert,“ bekannte Tim. „Und jetzt wirst du mich deinen Eltern vorstellen und unsere Verlobung verkünden.“ Tim legte seine Arme um sie. „Alles was du willst werde ich tun. Aber die Verlobung zu verkünden

überlasse ich meinem Vater. Er freut sich schon seit Jahren darauf.“ 

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Über den Autor

NanaAG
Als Kind habe ich alles gelesen, was ich von Karl May kriegen konnte, denn mein Zuhause war ein Käfig. Ich wollte frei sein und Abenteuer erleben...
Ich hab´s bekommen.

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Albatros99 Danke , dass du bei mir vorbeigeschaut hast und vielen Dank für deine Punkte. Habe mich sehr gefreut und auch gleich mal bei dir rein gelesen. Ich habe zwar erst ca. 80 Seiten geschafft, aber es gefällt mir, werde später weiterlesen. Seltsamerweise heißt der Held meiner neuen Geschichte auch Tim, bin gerade dabei, das ins Unreine zu schreiben. Ja, so kreuzen sich manchmal die Wege. Hoffentlich bis bald wieder. Liebe Grüße Christine
Vor langer Zeit - Antworten
Zwischenzeit Ich konnte jetzt (fast halb 3 - mitten in der Nacht - nicht mehr alles lesen.. aber was ich gelesen habe gefällt mir.. LG Sabine
Vor langer Zeit - Antworten
Eisauge Das ist sehr gut und spannend geschrieben Nana, habe jetzt mal Lesezeichen gesetzt..
Lg Noah
Vor langer Zeit - Antworten
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