Horror des Winters
Wie weisse Asche rieselt der Schnee vom wolkenverhangenen Himmel herab, bedeckt die Strassen und gesellt sich zum frostigen Eis. Dort knirscht es jedes Mal fürchterlich, wenn die Reifen der Autos darüber rollen. Das Licht der Strassenlaternen wird getrübt durch den dichten Schneefall, der beinahe wie klebriger Nebel in der Luft hängen bleibt. Tobend peitscht dir der Wind die Haare ins Gesicht und frisst sich mit eisiger Kälte in deine sonst schon kalte Haut. Du läufst weiter im nächtlichen Licht die Strasse entlang. Dabei ziehst du dir
deinen Schal bis über die Nase und kneifst deine Augen fest zusammen, damit kein Schnee sie brennen lässt. Fluchend setzt du Fuss für Fuss vor den anderen. Heisse Tränen laufen dir die Wangen herab, sie gefrieren sogar, bevor du sie mit deinen dicken Handschuhen wegwischen kannst. „Ich lasse mich von dir scheiden!“, waren die letzten Worte deines Mannes. Er hat es so nüchtern ausgesprochen, als wärt ihr überhaupt nicht 10 Jahre verheiratet gewesen, als ob diese Ehe gar nie existiert hätte, all die Jahre lang. Enttäuscht hast du deine Wintersachen gepackt und wolltest frische Luft schnappen. Zuerst war es auch sehr friedlich. Der Schnee ist zu
Beginn deines Beruhigungsspaziergans nur in kleinen Flocken, und nicht, wie jetzt, in Form von klumpigen Schneebällen von oben gekommen. Dicker und dicker wird also die Schneeschicht auf der Strasse, auf dem Trottoir und auf dem Wanderweg, in den du gerade abbiegst. Es scheint dir, als ob dich wie von Geisterhand etwas in den Wald vor dir ziehen würde. Ohne darüber nachzudenken, folgst du diesem Zwang, wobei du beinahe rennst. Du musst unglaublich aufpassen, dass du nicht aus Versehen stolperst, also verlangsamst du dein Tempo wieder. „Ist das kalt!“, schreist du stumm in den Wald hinein. Dir ist nämlich Schnee in deine
Winterstiefel hineingelangt und schmilzt jetzt fröhlich vor sich hin. Leider kannst du nichts dagegen tun, so entscheidest du dich einfach weiterzugehen. Lange läufst du aber nicht, denn ob du deinen Augen trauen willst oder nicht, es wird immer noch dunkler. Du bleibst stehen, schaust dich nervös um: Nichts ausser weissem Schnee und grauen Bäume. Etwas knackst und du fährst zusammen vor Schreck. „Wer ist da?“, fragst du das Dunkel, das zwischen den Bäumen lauert, sodass du dich anhörst wie in einem klischeehaften Horrorfilm. Natürlich antwortet dir niemand. Nein, aber es knackt ein weiteres Mal. Panik steigt in dir auf! „Was nun?“, denkst du
verzweifelt und siehst ein, dass du dich verirrt hast. Genau das, was du eigentlich nicht tun solltest, machst du jetzt: du schreist um Hilfe. Niemand hört dich. Niemand sieht dich. Niemand sucht nach dir. Doch plötzlich siehst du im Dunkel etwas aufblitzen. War es eine Lichtreflektion in den Augen eines Tieres? Ein weiteres Aufblitzen erreicht deine müden Augen. Ist es der Schnee, der auf unerklärlicherweise funkelt? „Nein, o nein, bleib weeeeeeeg!“, kreischst du, während ein Irrer mit einem Messer auf dich zu rennt und …
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