1326 In Rjiard im Süden Schwedens. Der Regen peitschte ihm um das Gesicht, der Wind zerzauste sein Haar und er sah wie die Wellen des Meeres an den Klippen hochpeitschten. Er war betrunken, taumelte und als er runtersah blickte er auf die spitzen Pfeiler vor der Burgmauer. Sie konnten angsteinflößend wirken doch er fürchtete sie nicht. Sie waren alles was er noch hatte, seine einzige Hoffnung und er nahm wieder einen Schluck Met um ein letztes Mal in den Erinnerungen zu schweben. Jahre voller Ungewissheit, Kriegen, Kämpfen, aber auch eine Zeit des Glückes,
Wohlstandes und der inneren Zufriedenheit. Ein Heim, Wohlstand, Frau und Kinder, alles womit ein Mann eigentlich hätte gesegnet sein müssen, doch bei ihm schien sich alles Gute irgendwann zu rächen. Das erste Mal als er sie sah, mit ihr tanzte, um sie anhielt und sie zu Frau nahm, einfach alles. Sie hatte ihn manchmal zur Verzweiflung getrieben, diese Frau, anders als alle anderen klug, schön und eigenwillig hatte sie ihn glücklich gemacht und dazu noch 6 gesunde Kinder geschenkt. Vier Jungen und zwei Mädchen, ungewöhnlich gesund, ebenso sturköpfig wie seine Frau und doch fast schon ein Wunder für ihn. Bothildir hatte ihm alles gegeben
und er, Sjardson hatte ihr und sich alles genommen. Wielange es wohl dauern würde bis seine Kinder und die Bediensteten sie entdecken würden? Er fluchte in sich hinein, seine dunklen Augen blickten in die Ferne. Dann richtete er sich auf und schrie gegen den Wind seinen Fluch: „Ich verfluche dich Ivainsen, der du mich zum Mörder gemacht hast. Dich und dein ganzes Geschlecht so wie ich mein Geschlecht verfluche, weil es aufgrund meines Blutes nicht wert ist weiter zu leben. Nie wieder soll ein glücklicher Mann diesem meinem Geschlecht geboren werden, nie wieder soll dieser Familie das Glück einer Tochter vergönnt sein, nie wieder
soll das Wort Liebe in dieser Familie vorkommen, hat sie mich doch blind werden lassen. Der Fluch soll sie alle treffen und uns ausrotten, dass niemandem dieses Schicksal trifft, welches mich gleich ereilt. Und sollte es tatsächlich eine echte Form der Liebe irgendwann mal geben, dann soll sie solange glücklich sein, bis es wird ein falsches Glück werden.“ Dann drehte er sich um und sah Erik direkt in die Augen. Der Mönch blickte ihn entsetzt an. Er sah wie Sjardson sich dem Vorsprung gefährlich näherte. „Herr Sjardson tut das nicht.“, rief er. „Es ist zu spät.“ Sjardson drehte sich um, schwelgte für einige Minuten in
Erinnerungen und stürzte sich dann in die Pfähle hinein. Erik rannte zum Vorsprung und erschauderte bei dem Anblick. Sein Herr hatte sich selbst gepfählt. Er röchelte noch zweimal bis ihm das Blut aus dem Mund lief. Er war tot. Erik hörte Schritte, Sjardsons Ältester kam die Treppen heraus gerannt, seine Hände waren blutverschmiert. „Erik, Mutter sie…“ Er stockte als er in das Gesicht des Mönches blickte, das langsam zum Vorsprung des Turms wanderte. Langsam ging er vorwärts und blickte über den Rand, nur um seinen toten Vater zu sehen. In diesem Moment starb etwas in dem 17jährigen Ove, der
spürte wie Erik ihn fortzog in die Halle, in der alle entsetzt um Oves Mutter herumstanden, deren goldblonde Locken im Blut ertranken. „Was…?“ Aghir blickte seinen großen Bruder an, der wiederum schaute zu Erik, der den Kindern Sjardsons und Bothildir, dem schillernsten Paar im gesamten Süden Schwedens berichtete wie Ivainsen, Sjardsons engster Vertrauter, Bothildir bedrängte und schließlich in eine kompromittierende Situation brachte, sodass Sjardson, der schließlich dazukam vor Wut schäumte. Sjardson war von jeher besitzergreifend gewesen, doch seine Frau hatte ihn immer besänftigen können. Sie war ungemein
schön gewesen, goldblondes Haar, tiefblaue Augen und ein warmes Lächeln, das selbst dem finstersten Krieger ein Lächeln von den Lippen zauberte. Sjardson war groß, stämmig, von beeindruckender Statur doch sein Gesicht war von den Narben aus den vielen Kämpfen die er gefochten hatte entstellt gewesen. Trotzdem hatte Bothildir ihm ihr Ja-Wort gegeben und ihn mit soviel Hingabe überschüttet, dass er ihr ergeben war. Alle im Hause Sjardsons wussten, dass ihre Herrin gütig war und ihren Herrn liebte. Sie schaffte es mit ihren Augen in die Menschen reinzusehen und die äußeren Dinge zu ignorieren, fast als wäre sie
nicht von dieser Welt. Hinzu war sie klug, hatte lesen gelernt und konnte ihrem Mann mit Rat und Tat beiseite stehen, kurz eine von Gott in jeder Hinsicht gesegnete Ehe, die in den 20 Jahren 6 Kinder hervorgebracht hatte, und glaubte man dem Tratsch des Gesindes, so hätten von der Aktivität im Schlafzimmer noch mehr Kinder kommen müssen. Wie viele andere war auch Ivainsen Bothildir ergeben, doch schaffte er es in einem Gespräch mit Bothildir, in dem sie ihn nach seinen Heiratsabsichten fragte, schließlich nicht seine Gefühle weiter zu unterdrücken. Seine Frau in den Armen eines anderen Mannes zu sehen war für den stolzen Fürsten
zuviel. Ausgerastet war er, er hatte Ivainson, seinen ehemals engsten Vertrauten, über Tische und Bänke geworfen. Nur mühsam konnte jener aus dem Raum fliehen und Bothildir hatte ihre Gatten fassungslos angeschaut. Es folgte ein lautstarker Streit dessen Inhalt lange nicht widergegeben Einige Tage später standen die sechs Kinder am Grabe ihrer Eltern. Aghir und Oves betrachteten ihre Geschwister und nickten sich schließlich zu. Sie nahmen ihre beiden Schwestern je auf einen Arm und bedeuteten ihren Brüdern ihnen zu folgen. Kurz vor dem Burgtor stoppten sie und drehten sich um. „Wir werden noch in dieser Stunde aufbrechen.“
„Wohin gehen wir“, fragte Batvid, der dritte von ihnen.“ „Wir werden übersetzen und im Friesland neu beginnen mit all unseres Hab und Gutes. Hier bleiben ist unmöglich, der Ort ist verflucht.“ Alle nickten sie ohne Widerworte in den Augen. Ihre Schwestern waren noch zu klein um zu begreifen was hier geschah, vielmehr war diese Reise für sie ein Abenteuer. Doch in Wahrheit war es eine Flucht vor allem. Vor dem Fluch, der Rache Ivainsons und den Sanktionen für das Verbrechen ihres Vaters. Doch Erik ihr Hauskaplan, der sie während der Flucht begleitete und später im Fördener Land im Norden des Heiligen römischen
Reiches deutscher Nation beistand wusste, dass dieser Fluch das Ende dieser Familie sein würde. Und so schrieb er ihre Geschichte auf und berichtete von glücklichen Jahren und den düsteren die folgten. Innerhalb von zwei Jahren starben die beiden Mädchen an einem Fieber und Streit, Neid und Zwietracht brachten die Bindung der Brüder untereinander ins Wanken. Doch brachten sie das Geld und der Hunger nach Macht immer wieder zusammen. Mit Sorgen beobachtete der Mönch die Entwicklung und schrieb an die Nachwelt einen einzigen Satz in die Familienchronik. „Erst derjenige der diesen Bericht liest und beider Seiten
versteht, soll den Fluch brechen können.“. Auf dem Sterbebett mahnte er die Geschwister doch wusste auch er, dass zu diesem Zeitpunkt die Familie Sjardson ihren Besitz durch rücksichtsloses Geschäfte machen und politischen Handelns ihren Besitz und Vermögen angehäuft hatte und die Liebe aus ihrem Leben verschwunden war. 69 Jahre später erhielt die Familie einen Adelstitel und zusätzliches Land. Mit dem Ziel immer mächtiger zu werden und aus Wut Rache am Schicksal zu nehmen lebten sie weiter, doch nie kam es zu der Geburt einer Tochter. Einige nannten es einen Segen doch für das junge Adelsgeschlecht der von Nordfördens
war es die stete Erinnerung an glücklichere Zeiten, die irgendwann wiederkehren würden.