Wer ist Susi?
Susi ist eine junge Frau, die mit Kind und Hund in einer wohlhabenden Welt lebt, die ihr Mann scheinbar redlich als Kleinstpolitiker mit reichlich Nebeneinkünften ermöglicht. Man kann sich etwas leisten und lebt in Scheinmoral, politisch borniert. Es werden hier alle Klischees bedient, weil es nämlich eine Satire ist, die von Übertreibungen lebt und die dummen Anschauungen und Meinungen vieler Menschen, die angeblich mitten im Leben stehen, aufs Korn nimmt. Ebenso die aktuellen Ereignisse, die aufgegriffen und satirisch verpackt, nur angedeutet werden aber jeder weiß, was und wie es gemeint ist. Es gibt diese Susis, aber sie merken es nicht.
Susi vom Herd 1 „Mein Gott, die denken doch alle, sie hätten die Wichtigkeit gepachtet in ihren Großraumbüros. Cool ist es doch nur, wenn der Herd aus ist, oder? Aber das will natürlich auch niemand und mein Kai-Uwe-Karsten Meier, was mein Mann ist, schon gar nicht. Der hat nämlich gesagt: „Susi, mein Herdfröschchen, Du bleibst man schön vor Deiner Herdinsel und lässt nichts anbrennen.“ „Ja, das hat er so gesagt, ob er es auch so gemeint hat. Wer weiß das schon.“ Susi legt sich diesen Satz schön schnuckelig zurecht. Nö, anbrennen lässt sie nichts. Cool ist angesagt. Also dann Herd aus und mal kurz in die Stadt. Zu besorgen ist ja schließlich immer etwas. Susi lässt den Herd Herd sein, nimmt Kind und Hund, um auf Pirsch zu gehen. Im Cafe „sinnloser Austausch“ sitzen schon die anderen Susis, rauchend, schwatzend. Das Kind
plärrt mit den anderen in der Spielecke, der Hund liegt brav unterm Tisch. Er kennt das und schickt sich drein. Einige gegelte Typen aus den Telefon-Shops in ihren schwarzen Anzügen, checken telefonierend, ob unter den Susis was dabei ist. Man weiß ja nie, vielleicht braucht die eine oder andere einen neuen Anschluss. So neben dem Herd. Scheinbar brauchen sie, sie haben so diesen brauchenden Blick. Kai-Uwe-Karsten schiebt Überstunden. Er hat ein eigenes Büro, da geht so manches meint er, Susifröschchen am Herd wissend. So nimmt das Leben seinen Lauf, jeder läuft in eine Richtung oder weicht auch einmal ab. Man gönnt sich ja sonst nichts aber eigener Herd ist Goldes wert. Susi vom Herd 2 Susi weiß, dass es nun Sommer ist und wundert
sich aus dem Grunde kaum, dass sie vor dem Herd in diversen Töpfen rührend auch reichlich schwitzt. Schließlich tagt das Ferienparlament auch, wie man in der Zeitung verblüfft liest. Es tagt, obwohl der Sitzungsplan der Stadtverordneten eigentlich fünf sitzungsfreie Monate ausweist. Das haben sich die tüchtigen Abgeordneten verdient, im Sommerloch passiert ja auch außerdem sowieso kaum etwas, von Schumis gescheitertem Comeback mal ganz abgesehen. Die letzte Sitzung war erst am 2. Juli und schwupp ist die nächste wichtige Sitzung für den 17. September vorgesehen, Beginn wie immer um 16.00 Uhr. Obwohl, man weiß, im September ist es am Nachmittag auch noch sehr heiß. Sie arbeiten eben trotzdem und ringen um Entscheidungen. Susi weiß außerdem, dass ja auch Kai-Uwe-Karsten dabei ist und der ist immer eifrig und sehr tüchtig, ringt oft bis in die Nacht, zu
schwach, das warm gestellte Süppchen noch zu essen, wenn er erschöpft nach Hause kommt. Er flötet dann nur noch leise, dass es ein harter Tag war und im Sitzen es auch schweißtreibend sei. Susi weiß so was und kocht ihr Süppchen. Susi vom Herd 3 Kai-Uwe-Karsten hat gesagt, Susi mein Fröschlein am Herd, gönn uns doch einmal etwas Gutes, legte ein paar große Scheine auf den Küchentisch und brummte mit seinem BMW davon ins Sommerloch seiner bedeutungsschwangeren Arbeit. Susi summte am Herd ein bisschen vor sich hin und überlegte dabei kurz, was Kai-Uwe-Karsten, sich wohl Gutes gewünscht haben könnte. Er ist Abgeordneter und Manager einer furchtbar wichtigen Pillendreherfirma. Manche sagen ja, dass das nicht so gut sei, weil die Politik damit so sehr unterwandert wird, dass
die Pillendreherfirma schließlich bestimmt, was entschieden wird. Susi weiß, dass man als Abgeordneter auch leben muss und dem Staat nicht auf der Tasche liegen will, mit Hartz und Sex oder wie das heißt. Außerdem ist Kai-Uwe-Karsten ein Guter. Er hat ihr wieder ein paar Kröten gegeben. Apropos, sie wird jetzt mit Hilfe des Geldes etwas absolut Gutes organisieren, die Ganzkörperenthaarung für Mann und Frau. Kai-Uwe-Karsten hat nämlich auch schon unter seinem grau werdenden Brustpelz zu leiden. Im Sommer besonders. Es heißt, dass man so enthaart viel windschlüpfriger wird. Susi las unlängst, dass man damit eine Menge Energie sparen kann und außerdem soll es absolut geil sein. Möglicherweise wird bis zum Herbst noch reichlich Wind gemacht werden. Und es geht sicher noch weiter damit. Man muss
vorsorgen. Susi am Herd 4 Susi runzelt ihre kleine Denkerstirn, denn Günter Jauch hat eine ganze lange Sendung übers Sparen moderiert und sich sogar vermutlich wegen der Beispielgebung seine Schuhe vor aller Augen mit einer Bananenschale geputzt, nebenher ein Filmchen gezeigt, in dem ein Sparfuchs sich Tütengratissuppen schicken lies. Der vermutlich millionenschwere Moderator lies wahrlich nichts anbrennen auch den möglichen zweiten Aufguss von Teebeuteln nicht. Was will man uns jetzt damit sagen? Ein armer Mann aus dem Zuschauerbereich schrubbt sich immer noch emsig mit einer Zahnbürste und ein wenig Honig seine trockenen Lippen. „Bürger spart doch endlich mal, nur so kann man es heutzutage noch schaffen. Wir helfen
Euch mit praktischen Tipps. Die Regierung hilft doch auch den Not leidenden Banken, den Schäfflers &Co. mit den letzten Milliarden des Steuerzahlers. Es gibt keine Alternative für diese Opfermaßnahmen.“ Keiner will sich an der Krise profilieren und die Bürger verarschen. Susi löst für Kai-Uwe-Karsten einen Brühwürfel liebevoll im aufgefangenen mit Sonnenenergie angewärmten Regenwasser auf und hat heute am Herd unglaublich gespart. Susi vom Herd 5 Susi weiß nicht, was sie kochen soll. Das kann schon mal vorkommen, aber wenn sie mit Kai-Uwe-Karsten das Problem bespricht und er sagt, mach das Beste draus, dann fällt ihr ein Stein vom Herzen, denn nun ist ihr wahrlich geholfen. Kai-Uwe-Karsten weiß, was er sagt. Er ist Politiker, wenn auch ein kleiner, der
hinten sitzt. Manche sagen, das sind die Hinterbänkler aber es heißt Hinternbanker, obwohl manche auch schon wieder böse Hinternbangster sagen. Die wissen aber alle nicht wirklich Bescheid so wie Susi, denn sie weiß, dass diese Menschen stets nur das Beste draus machen, sogar rausholen. Mein Gott, die sollen nicht so ein Geschrei wegen der Affären veranstalten. Jeder holt doch für sich das Beste raus und es ist immer legitim. Susi weiß das, weil Kai-Uwe-Karsten, was ihr Mann ist, immer sagt: „Politiker schlagen sich und sie vertragen sich aber sie hacken sich nie die Augen aus. Sie schließen sie nur dann und wann. Susi klopft also das gute deutsche Schweinenackensteak weich oder sollte sie doch lieber Würstchen im Schlafrock? Susi vom Herd 6 Am Herd war’s früher immer so gemütlich, weil
das Feuer so flackerte und die Küche nebenher sich so traut erwärmte. Und überhaupt, am Herd versammelte man sich eben nach getaner Arbeit, die Kämpfer kamen heim, noch ein wenig blutbefleckt zwar, aber sie hatten Hunger. Ach, wie war’s schee. Susi seufzt. Kai-Uwe-Karsten hatte allerdings kürzlich Tomaten und übel riechende Eierflecken an Jackett und Weste, meinte aber er hätte nichts gemacht. Alle machen das, dieses Nichtsmachen. Das dankbare Volk ist der Auffassung, das wäre zu wenig und warf ihr letztes Essen rüber. „Wir wollen jetzt noch weniger Nichts machen“, hat doch unsere Kanzlerin angeordnet, „dann passiert auch Nichts. Die Wählerinnen und Wähler wollen das so. Sie wollen keine Unruhe. Man muss auch einmal ein Problem aussitzen können.“ Kai-Uwe-Karsten hat das Jackett und die Weste in eine Tüte getan. Die Reinigung der Westen
und Jacken, auch der Hosen, wenn mal was rein gegangen ist, übernimmt laut Dienstordnung das Amt. Susi beschließt heute auch nichts mehr zu machen, weil es Mode ist und Kai-Uwe-Karsten außerdem beim Essen im Golfclub auf die Kacke hauen will. So ein feiner Pinkel ist er nämlich gar nicht. Von wegen Nichtsmachen Susi vom Herd 7 Heute flatterten die Wahlbenachrichtigungen ins Haus. Man fordert die Bürger auf, zur Wahl zu gehen. Susi aber weiß ja kaum, was sie kochen soll bei er gigantischen Auswahl in den Regalen des Supermarktes, geschweige denn eine Wahl aus den nicht minder gigantischen Parteiangeboten zu treffen, wo doch jede gleich laut und trefflich zu sprechen, ja sogar zu versprechen vermag. Susi muss erst einmal eine Freundin ansimsen,
um mit ihr einen Treffpunkt im Cafe „Sinnloser Austausch“ zu vereinbaren. Nur der Hund wird mitgenommen. Sie hat keine Wahl. Den neuen Kinderwagen für 1800 Euro hat Susi zum Sperrmüll gegeben. Die teuren Designerwagen sind alle bei Stiftung Warentest durchgefallen. Susi hatte hier keine Wahl, sie musste das teure Produkt haben. Wie würde sie sonst dastehen? Dem Hund ist’s egal, auf das Baby passt die paar Stunden ein Babysitter auf. Man kann sich das leisten. Aber Kai-Uwe-Karsten wird sich etwas einfallen lassen müssen. Politiker lassen sich immer etwas einfallen, damit sie gewählt werden, auch die Hinternbänker. Susi bleibt da ganz ruhig. Sie fragt einfach den Kai-Uwe-Karsten, wo man auf dem Zettel das Kreuz macht. Sie lässt sich halt beraten. Alle machen das. So wie es der Chef von BMW nebst Gattin in München im Hause Dallmayr eben auch tat. Man trug ihm den erlesenen Käse sogar zum
Wagen. Diese Menschen wissen, was sie wählen. Das Beste, wie immer. Susi vom Herd 8 Jetzt haben sie die IAA eröffnet. Susi hat es im Radio gehört. Beim Kochen. Erst hat sie gedacht, dass dies ein ganz besondere Ansammlung von Eseln sein müsste, denn schließlich weiß sie noch, dass diese Tiere halt IA machen, wenn ihnen das Futter knapp wird. Aber IAA? AA kennt Susi auch. Das macht das Kind zu genüge. Aber vielleicht rufen die Esel IAA, wenn sie AA gemacht haben. Kann ja sein. Susi wird einfach Kai-Uwe-Kasten fragen, denn sie hatte schon wieder schnell Musik angestellt, wenn Robby „Body“ singt, dann kann sie nicht über andere Esel nachdenken. Kai-Uwe-Karsten weiß etwas über die IAA. Es geht da nicht direkt um Esel. Man hätte sich
eine Menge einfallen lassen. Da wäre die Sache mit den Elektro-Autos, die würden nur Strom aus der Steckdose brauchen. Das wäre sehr sauber. Der Strom würde schließlich auch von sauberen Atomkraftwerken erzeugt werden. Und der Chef von Mercedes meinte, kleine Autos wollte eigentlich keiner, ihm fiele niemand ein. Nur sauber müssten sie schon sein. Dazu ist Susi auch nichts mehr eingefallen. Susi vom Herd 9 Susi möchte wichtig sein Natürlich nicht nur Susi, alle wollen in der Regel irgendwie wichtig sein. Komisch! Warum das so ist, bleibt ein Geheimnis. Es ist wohl einfach schön, wichtig zu sein. Man hat so ein erhebendes Gefühl dabei, heißt es, vermutlich weil andere dadurch weniger wichtig wirken. Die
Anderen nehmen immer eine Schlüsselrolle dabei ein. Sie müssen nämlich Susis Wichtigkeit durch Aufschauen, Loben und Beifallklatschen, auch Jammern, wenn sie nicht da ist, bekräftigen. Das machen die aber nicht einfach so, man muss dafür schon etwas tun. Aber was? Susi überlegt also angestrengt, was sie leisten muss, um dieses hohe Ziel der eigenen Wichtigkeit zu erreichen. Zunächst will sie dafür sorgen, dass man sie kennt. Sie war kürzlich mit ihrem Kai-Uwe-Karsten in diese sehr gute Wohngegend gezogen und war natürlich bei allen Nachbarn gänzlich unbekannt. Doch jeder kocht sein Süppchen, keiner will mit keinem etwas zu tun haben, man grüßt sich unhörbar nur mit einem angedeuteten Kopfnicken, wenn überhaupt. Jeder wäre aber etwas ganz Wichtiges, meint Kai-Uwe-Karsten und er verstünde das Betragen der Leute. Schließlich war er auch eine Persönlichkeit von
größter Wichtigkeit als Hinterbänkler, glaubt er. So kam Susi auf die Idee, sich im Internet herumzutreiben. Sie würde ihre Gedichte und Geschichten präsentieren, viele Freunde gewinnen, man würde ihre Werke lesen und schon wäre sie wichtig. Gedacht, getan. Im Handumdrehen hatte sie 178 Freunde, war in 20 Gruppen und hatte 50 Drabble gedrabbelt, ein paar Herz-Schmerz-Geschichten waren auch schnell gefunden. Das Internet ist voll davon. Man mag so etwas. Sie vergab Herzchen, dass die Heide wackelt, schrieb unter jedes Büchlein: „Hat mir supergut gefallen.“ Kurz sie war zu allen lieb. Auch waren alle zu ihr lieb. Wichtig war sie aber nicht. Sie weinte ein bisschen deshalb an Kai-Uwe-Karstens Hühnerbrust aber wichtiger wurde sie davon auch
nicht. „Du musst kritisch auftreten“, riet Susis Schatz. Das würde vielleicht Wichtigkeit bringen. Susi platzierte also unter jeden Text, der ihr unter die Augen kam, einen kritischen Satz. Man könne diesen ja auch löschen, merkte sie noch an. Warum sie das schrieb, wusste sie nicht aber er mildert das Gemecker etwas ab, fand sie. Susi kam sich nun ungeheuer bedeutsam vor, auch irgendwie schlauer als alle. Doch sie war es nicht. Sie stampfte mit dem Fuß auf, die Freunde verließen sie. Sie warf ihnen noch ein bisschen Dreck hinterher. Das Gefühl bedeutsam zu sein, war wieder gänzlich verschwunden. Diese Leute sind undankbar, sie müssten doch froh sein, so außergewöhnliche Geschichten lesen zu dürfen, greinte sie vor sich hin. Man muss es ihnen zeigen. Unbedingt! Susi zog nun alle Register, kam mit anderen,
neuen Profilen daher, wenn auch nicht weniger einfältig. Man erkannte sie schlicht. Wichtigkeit? Fehlanzeige. Die Susi hat es nicht geschafft, wichtig zu werden. Nicht hier und nicht da. Sie hat das auch nicht wirklich gemerkt. Etwas tatsächlich zu merken ist nämlich nicht so einfach. Muss man eigentlich wirklich wichtig sein? Neuerdings versucht sie, jeden Tag beim Radiosender anzurufen. Manchmal klappt es, dann richtet sie Grüße aus an Freunde, die sie nicht hat. wichtig! Susi hatte einen Kopfsprung. Nein sie sprang nicht kopfüber in ein tiefes Wasser, ihr Kopf hat auch keinen Sprung erhalten wie eine Toilettenschüssel, nein, in ihrem Kopf sind wie von Geisterhand geführt, ein paar Gedanken umher gesprungen und haben sich zu einer
kleinen reizenden Geschichte geformt. Sie tippte alles emsig in ihren Computer hinein und als sie fast eine große Seite zu Papier gebracht hatte, stellte sie die Geschichte der Welt vor. Jeder konnte sie nun lesen und sich mit Susi freuen. Hundchen Purzel hatte das erste Mal völlig alleine das Bein gehoben und kurz danach gebellt. Der tierfeindliche Nachbar hatte es gesehen und sich rein gar nicht gefreut, er fand es nicht einmal niedlich, obwohl es so putzig war. Dabei war genau das für die Entwicklung von Purzel unglaublich wichtig. Die Menschen sind böse. Also diese tolle und süße, auch gesellschaftskritische, gleichermaßen ans Herz gehende Geschichte müssen einfach alle lesen, dachte Susi und sie war mit Recht sehr stolz auf ihre Kopfgeburt. Sie war sehr, sehr wichtig. Es war i h r Baby. Keiner darf sich natürlich über den Inhalt so mir nichts, dir nichts
hermachen und den Inhalt klauen, um aus dieser Geschichte eine eigene zu fabrizieren. Susi würde in dem Fall fuchsteufelswild werden oder zutiefst enttäuscht sein, vielleicht sogar weinen. Man weiß es nicht.