Promenadenszene
Heute will ich euch, ihr lieben Leser, von einem kleinen hochsommerlichen Erlebnis auf einer Strandpromenade erzählen. Damit es eine Kurzgeschichte bleibt, springe ich mitten hinein, aber nicht vom Fahrrad, auf dem ich sitze und meinen Gedanken nachhänge. Was heißt hier Gedanken nachhängen? Ich bin ein Mann und als Mann, während ich meinen Gedanken nachhänge, kann ich an Nichts denken. Jawohl, an Nichts. Ihr männlichen Leser werdet diesen ewigen Zank mit der weiblichen Hälfte kennen, die das nämlich nicht wahr haben wollen, weil sie es einfach nicht können oder kapieren können. Frauen können nicht an Nichts denken. Wir können das, und das ist gut so.
So, nun zurück zu meiner Kurzgeschichte. Ich fahre also mit meinem Fahrrad auf der Strandpromenade, vor den Dünen, so gleich rechterhand, wenn ihr es genau wissen wollt. Der Strand ist so angelegt, dass du ihn von der Promenade aus nur an den wenigen Eingangswegen einsehen kannst. Ansonsten schaust du auf ein Meer von Hagebutten und Sanddorn und Häschen und Birken und auf das Natureum mit seinen Wald-, Moor- und Wiesengebieten…Ihr kennt das ja alles schon von mir. Also, ich schaue nicht auf das Wassermeer, sondern auch auf grasende Kühe, die zum Teil mit ihren Eutern oder Säbeln bis zum Bauch im Moor versinken, dort wiederkäuen und es irgendwie doch immer wieder schaffen, sich fort zu bewegen. Von den Hasen, ach ja, hatte ich schon erzählt, aber nicht den von den Eingangswegen aus zu sehenden Dünensandstrand, dem Kinderlachen, den Strandkörben, von den Vätern, ihr wisst es, die mit dem Dosenbier und natürlich von meinem Lieblingsthema in diesem Jahr, den himmelwärts gespreizten Schenkeln. Ich muss mich zusammenreißen, so beim Nichts denken und kehre jetzt aber endgültig auf die Promenade zurück.
So ein Ehepaar mit Kind vor mir. Zu Fuß schlendernd. Das Mädchen so in etwa um die Jahre unter uns und die Eltern so in etwa Mitte Dreißig. Diese drei Leutchen sind bestimmt schon so an die vierzehn Tage tagtäglich am Strand, denn sie tragen braune Haut zu Markte, besonders die beiden Alten der Kleinen. Und ich muss auch hier und direkt gestehen, dass die Mutter so von hinten eine äußerst reizvolle Figur zeigt und für einen Moment vernasche ich sie direkt. Natürlich nur, aber heftig, gedanklich. Das können wir Männer übrigens ebenso fantastisch. Während ihr Frauen mehr so das Praktische und Wirkliche wollt, könnten wir so im Allgemeinen mit der Fantasie zufrieden sein. Also, die Mutter ist sehr ansprechend gebaut.
„ Ich will aber noch nicht ins Hotel zurück. Es ist gerade so schön hier. Und die Rita von der Burg…“ „ Sei doch endlich still. Allein kannst Du nicht bleiben dort, und wir müssen und wollen ein bisschen ausruhen.“
Ich fahre jetzt natürlich super langsam, denn als gestandener Vater und Großvater interessiert mich das schon, wie sich die beiden Alten aus der Affäre ziehen werden.
„Papa, warum müssen wir jetzt reingehen? Ich hätte doch auch bei Rita und den Eltern bleiben können. Die sind doch so nett.“ „Wir kennen die Leute doch gar nicht.“ „Papa, es ist doch erst zwei Uhr und das Wasser ist so schön warm und Rita…“ Quaak, quaak, quaak. Wir gehen jetzt zum Hotel. Wir können doch später, so ´ne Stunde vor dem Abendbrot, noch einmal an den Strand gehen. Schau, Kleines, obwohl Du schon so schön braun bist, sind Deine Schultern von der glühenden Sonne gerötet und Deine Nase fängt ein wenig an zu pellen. Baden und Sonnenbaden, das schlaucht. Wir müssen alle Drei uns ein wenig ausruhen.“ „Ausruhen! Ausruhen! Ausruhen! Das kenne ich doch schon. Ihr wollt nur wieder ficken!“
Jetzt ging alles sehr schnell. Die rechte Hand des Herrn der Schöpfung, ansatzlos, blitzschnell und hart an die Wange des Mädchens geschlagen, warf diese, klatsch, zu Boden. Fünf Sekunden absolute Ruhe der Verwunderung, dann brüllten Mutter und Vater und Kind, ein jeder nach seiner Facon, durcheinander.
Während die Mutter die plärrende Tochter zu sich in den Arm hochhob, schrie ich: Solche Arschlocheltern sind der Wunsch eines jeden Kindes!“ Mit glühenden, kugelrunden Augen, stürzte der Schläger auf mein Fahrrad und mich zu. Selbst geschockt und ein Feigling des Moments, trat ich so sehr fest in die Pedalen, dass ich aus dem Stand heraus Fahrt aufnahm und den boxenden Papa beinahe umfuhr. An ihm doch noch haarscharf vorbei und in wilder Hast voraus, und er, hechelnd aber olympiareif, hinterher. Kein schlechter Läufer, so dachte ich noch und trotzdem, nach ungefähr hundert Metern war ich frei von ihm, weil er nicht mehr wollte, konnte oder was auch immer. Jetzt dachte ich nicht mehr an Nichts, sondern Tausend Gedanken flogen mir gleichzeitig und parallel durch den Kopf. Hätte ich das sagen dürfen? Hätte ich vielleicht absteigen sollen, um den Alten einen Vortrag über Kindererziehung zu halten. Da verfüge ich über ein von meiner Frau unendlich gefülltes Repertoire. Hätte ich mein verkrontes Gebiss riskieren sollen als Kämpfer für die Gerechtigkeit? Und so weiter, und so weiter, und so weiter??? Nun, gut. Uns als Eltern in den jungen Jahren hat es früher auch getrieben. Und wenn dann die ungesehenen, aber deutlich zu fühlenden Liebesgewitterblitze an den dafür vorgesehenen Stellen einschlugen, dann mussten wir auch aufs Zimmer. Aber so?
Vor mir, die Sitzbank, sie wurde meine. Ihr kennt doch vielleicht den Film mit Arnie, den Kultfilm, der Terminator? Wo er seine Umgebung und alles so per Computerblick abcheckt? Also parallel habe ich, jawohl, wir Männer können auch parallel denken, nicht nur ihr Frauen könnt das. Blödes wissenschaftliches Gelaber von irgendwelchen Weicheeiern, die ihre oder die Frauen beeindrucken wollen. Also parallel habe ich gecheckt, dass ich diesem Typen rein körperlich überlegen bin. Wenn der nicht gerade in den asiatischen Kampfsportarten versiert ist, so wie es bei kleineren Leuten ja häufiger vorkommen soll, dann kann der mich nicht! Wow!
Also, ich mich auf die Sitzbank gesetzt mit Blickrichtung auf die drei Leutchen. Töchterchen mit feuchtem Gesicht in Mamas Arm und Väterchen drei Schritte voraus mit strengem Gesicht. Ich, mit erhobenem Haupte, zunächst sitzend und dann? Dann stehe ich auf, um mich ein wenig zu strecken, das T-Shirt und die Hose ein wenig zurecht zu rücken. Natürlich das ganze Gehabe nur, um dem ankommenden Hahn zu zeigen, wer auf dieser Promenade der King ist.
Bei den beiden weiblichen Braunhäuten, so glaube ich, ein etwas ungläubiges, verstohlenes Lächeln zu entdecken. Da habe ich einen Stein im Brett, so denke ich noch, als dieser Macker tatsächlich auf mich zukommt. Für eine Flucht auf dem Fahrrad ist es zu spät. Vielleicht bleibt es bei ein paar Schürfwunden, einem blauen Auge, und die Kronen kommen heil davon. Weiß gar nicht, ob die Krankenkasse da einspringt, wenn ich jetzt vielleicht doch stärker lädiert aus dem Match…
„Danke“, sagt er, „ dass Sie gewartet haben. Ich möchte mich hier vor Ihnen und meiner Familie für mein Verhalten entschuldigen. Es tut mir sehr, sehr leid!“
Innerlich sinke ich vor, ich weiß nicht was, zusammen. Äußerlich bleibe ich, zunächst jedenfalls, so glaube ich, völlig cool. Cool habe ich schon vor Jahren von meinen beiden Jungs aufgeschnappt. Finde ich immer noch gut. Bleib cool Alter, sagten sie häufiger zu mir. Und ihr werdet es vielleicht wissen oder glauben. Es hilft tatsächlich. Also bleib cool, Alter, sage ich zu mir. Sehr eindringlich und sage: „ Was bieten Sie noch an?“ Erst ist er ein bisschen sprachlos, die beiden Begleiterinnen sind es wohl auch.
„Wir haben einen wunderbaren Roten auf dem Zimmer, kommen Sie mit?“
Plötzlich umarmen wir vier Leutchen uns und lachen was das Zeug hält. Der Rote lockt mich schon, doch es ist mir, genau wie der kleinen Lea, so heißt das Mädchen mit der dick geschwollenen Wange, viel zu früh, um aufs Zimmer zu gehen.
Ich lehne daher das Angebot dankend ab, wünsche noch einen schönen Tag und einen schönen Urlaub noch und schwinge mich, doch ein wenig erleichtert, aber nicht ganz froh, auf mein Fahrrad und sause davon.